15. Wohlüberlegte Vorgehensweise (POV Tsukki)

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Ich drehe ihm den Hals um, wenn ich ihn erwische... Wie konnte er nur... Mein Ärger, den ich bis jetzt unterdrückt hatte, trieb mich an. Wir trafen uns im einzigen leeren Raum der Herberge, einem Konferenzzimmer, dass niemand nutzte. Ich stürmte durch die Tür, bereit Kozume an die Gurgel zu gehen. Ich sah rot. Er hatte nicht nur mir, sondern auch meiner kleinen Mandarine Schaden zugefügt. Ich wollte ihn dasselbe spüren lassen. Ich bemerkte Yams nicht, der zwischen mich und Kenma sprang und eine Barriere bildete, wobei er mich fest hielt. Kenma schreckte zurück und sah mich verängstigt an. Er stand zwar aufrecht, schien aber in sich selbst zusammen gefallen zu sein. Wenn meine Sicht durch meinen Ärger nicht verzerrt gewesen wäre, hätte ich erkannt, dass auch er bis aufs Mark erschrocken war. Aber zu diesem Zeitpunkt war mir das völlig egal. Als Yams langsam die Kraft ausging, um mich vor einem Fehler zu bewahren, den ich später sicher bereut hätte, schlang er seine Arme um mich und zerrte mich mit letzter Kraft in die andere Ecke des Zimmers und zu Boden. "Beruhigt dich Tsukki. ... Kenma kann nichts dafür.... Das hätte jedem passieren können... Bitte... Beruhig dich endlich... Er ist jetzt in Sicherheit..." Langsam drangen Yams Worte zu mir durch. Mein Blick wanderte von Kenma zu Yams und ich starrte ihn wütend an. "Wie würdest du dich fühlen, wenn du Yachi so gefunden hättest.", brüllte ich. Das war der Moment, in dem ich realisierte, dass ich meine kleine Mandarine gerade fast verloren hätte. Meine restlichen Emotionen, die ich bis dato von meiner Wut unterdrückt worden waren, brachen aus mir heraus. Ich sackte zusammen und begann zu weinen. Ich konnte die Tränen nicht mehr halten. Die ganzen Anspannung, das Gefühl des Verlusts, der Schock, ihn leblos vor mir liegen zu sehen, brachen jetzt über mir herein. Ich weinte so stark, dass mit das Atmen schwer viel. Yams gab sich alle Mühe, mich zu beruhigen, aber ich hörte weder seine Stimme, noch spürte ich seine Berührungen. Ich fühlte mich verlassen, in meinem Vertrauen ein weiteres Mal enttäuscht. Erst als meine Tränen versiegt waren und meine Gefühle sich wieder beruhigt hatten, konnte ich meine Umgebung wieder sehen. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen und nahm das Taschentuch, das Yams mir anbot, entgegen. Ich sah auf, sah Kiyoko, Kenma und Yams an. "Wir brauchen einen Plan, wie das nicht nochmal passiert." In der nächsten halben Stunde teilten wir uns für die nächsten vier Tage in Schichten auf, damit immer jemand Sho im Auge hatte. Kenma wollte den heutigen Abend wieder gut machen und bot daher an, dass er sich jeden Abend mit Sho zum Zocken traf. Da ich ihm immer noch nicht vertraute, bestand ich darauf, bei diesen Treffen dabei zu sein.

Als alles geklärt war gingen Kenma und Kiyoko in Richtung ihrer Schlafsäle. Shimizu sah mich lange prüfend an, bevor sie um die Ecke verschwand. Yams und ich gingen zum Speisesaal, um Sho und Yachi zu holen. Ich spürte, wie Yams mir immer wieder von der Seite Blicke zuwarf, aus Angst, ich würde nochmal zusammenbrechen. Bevor ich durch die Tür in den Saal ging, hielt Yams mich am Arm fest. Ich drehte mich um und sah ihn an. In seinem Gesicht war Sorge zu erkennen. "Geht es dir wirklich gut?", fragte er mich. "Lass uns einfach das Trainingscamp hinter uns bringen, dann frag mich nochmal.", antwortete ich resigniert. Ich wollte Yams nicht anlügen, und er verstand sofort was ich ihm sagen wollte. Ich kann das nicht nochmal... Ich kann das nicht mehr sehen... Dieses Bild wird mich bis zu meinem Tod verfolgen... vielleicht sollte ich.... Nein, jetzt müssen wir erst einmal das Camp schaffen, dann sehen wir weiter.... Ich öffnete die Tür und sah Yachi und Sho am Tisch sitzten. Die kleine Mandarien hatte seinen Kopf auf die Arme gelegt und schien zu schlafen. Yachi saß mit einem sorgenvollem Blick neben ihm, eine Hand auf seinem Kopf, seine Haare streichelnd. Yams und ich gingen zu den Beiden, ich hob Sho hoch und trug ihn in den Schlafsaal. Yams ging hinter mir her und erklärte Yachi kurz, was wir ausgemacht hatten und welche Aufgaben die ihren waren. Als wir in den Schlafsaal kamen, schlief zu unserem Glück das Team schon. Ich legte Sho in seinen Futon, deckte ihn zu und kuschelte mich dann in meinen. Während ich versuchte ein zuschlafen, erschien vor meinen Augen immer wieder das Szenario von vorher, nur dass ich es dieses Mal nicht schaffte, ihn zu wecken. Ich schlief in dieser Nacht kaum.

Die vier Tage vergingen rasant. Abends saß die kleine Mandarine auf meinem Schoß im Konferenzsaal und spielte mit seiner Switch gegen Kenma. Ich stand die kompletten vier Tage unter Strom. Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, dass, wenn ich ihn nur kurz aus den Augen ließ, er wieder verschwinden würde. Die Nächte verbrachte ich mit dem Bild des zusammengesunkenen Shoyo's am Baumstamm im Garten der Herberge, was zur Folge hatte, dass ich kaum schlief. Die Auswirkungen zeigten sich spätestens an Tag Drei des Camps, als ich zu müde zum Blocken und zu allem wurde. Meine Konzentration war dahin und ich hatte gerade noch genug Energie um zu stehen. Am vierten Tag spielten wir zum Glück nur zwei Spiele, und dann gab es Essen. Während des großen Grillfestes waren Yachi und Shimizu immer bei Shoyo, weswegen ich mich zurückziehen konnte und dem Lärm von Bokuto, Kuroo und den Anderen aus dem Weg gehen konnte. Die Heimfahrt war Gott sei Dank sehr still, da sich die verrückten Idioten, einschließlich Kageyama, so vollgefressen hatten, dass sie schliefen. Im Bus hing ich meinen Gedanken nach. Ich kann nicht mehr.... Jedes Mal wenn ich ihn ansehe, sehe ich ihn dort liegen... Sein Anblick sticht mir ins Herz... Ich kann und will das auch nicht mehr.... I-Ich sollte mich selbst schützen.... wenn wir wieder in unserer Schule sind, kann ich etwas Abstand gewinnen... Da fühlt er sich wohl... Ich muss mit Shimizu reden, damit sie sich darum kümmert das er isst... Obwohl... Ich glaube, dass braucht sie nicht mehr.... Ich bin so müde... Als der Bus an der Schule hielt, stiegen wir alle zügig aus um uns auf den Heimweg zu machen. Man spürte richtig, wie fertig alle waren. Deshalb fiel es nicht auf, dass ich mich beeilte, um Shoyo aus dem Weg zu gehen. Ich hatte meinen Entschluss gefasst und ich würde daran festhalten, egal wie sehr ich mich auch nach ihm sehnen würde.

Nach und nach begann ich, immer weniger mit Shoyo zu unternehmen. Ich bat oft Yams und Yachi darum, mit mir etwas zu machen. Bald fiel es Yams auf. Als wir beide eines Nachmittags bei mir zu Hause für einen Test lernten, fragte mich Yams ohne Vorwarnung:" Sag mal, kommt es mir nur so vor oder gehst du Shoyo aus dem Weg?" Ich sah auf und antwortete ehrlich. "Ja, ich vermeide es so gut ich kann Hinata zu sehen." Ich wollte mich gerade wieder um die Aufgabe vor mir kümmern. "Warum? Hast du seit dem Trainingscamp keine Gefühle mehr für ihn?", hackte Yams nach. Ich gab es auf, setzte mich gerade auf und drehte mich zu Yams. Ich holte einmal tief Luft, bevor ich zu meiner Erklärung anstzte. "Du kennst mich jetzt schon seit wir Acht Jahre alt sind. Du weißt besser als jeder Andere, dass auch ich meine Päckchen zu tragen habe. Als ich Hinata da liegen sah, war mein erstes Gefühl Verrat, erst dann kam Sorge und Angst. Dieser Verrat nagt immer noch an mir und sticht mir jedes Mal wenn ich ihn sehe ins Herz. Ja, ich habe noch Gefühle für Hinata, aber ich kann das nicht abschütteln. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wenn ich mich weiter um ihn kümmer und ich mich weiter von ihm da mit hineinziehen lasse, ich selbst dabei verloren und kaputt gehe. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mir wünsche, dass, was im Camp passiert war,... nie passiert wäre. Ich weiß immernoch nicht,... ob es ein gewollter Suizid war oder nicht. Aber was ich weiß ist,... dass ich Hinata immer noch über alles liebe,... aber die Kraft nicht mehr habe, an seiner Seite zu sein... Dieses Bild,... der leblose Körper an den Baum gelehnt,... bescherrt mir immer noch Alpträume. Wenn ich nur ein bisschen später gekommen wäre..." Tränen liefen mir übers Gesicht. In meiner Stimme lagen Verzweiflung und Schmerz. Jedes Mal, wenn ich auch nur darüber nachdachte, bekam ich keine Luft mehr. Yams kniete sich zu mir und nahm mich in den Arm. Er versuchte, mich zu trösten und mir meine Ängste zu nehmen. "Du hast vollkommen Recht, Tsukki. Ich werde dir so gut ich kann helfen, und wenn das bedeutet das ich Shoyo von dir vernhalten muss." So saßen wir noch einige Minuten, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Yams sah mich noch einmal an. Er lächelte leicht und gab mir damit zu verstehen, dass er mir immer helfen würde und das er immer an meiner Seite bleiben würde, komme was wolle. Aber warum tut es dann trotzdem so weh von Hinata getrennt zu sein...

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