14/Mistelzweig und Liebesbriefe Teil 7

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Autor: Yrwanna Czarna

Wenn man es ganz genau nahm, war unsere weihnachtliche Suchaktion, durch das Schneegestöber auf nächtlichen Straßen und Gassen Mystery Spells erfolglos.
Ich erfuhr zwar, wie es Ramona die Tage erging und wo sie unterkam, aber offensichtlich bekam der Metalhead es auch nicht geschissen, auf sie aufzupassen.
Der musste ja unbedingt außer Haus und sich mit mir treffen, um mir ins Gesicht zu sagen, endlich mit ihr abzuschließen und den Weg zu ihr freizugeben.
Setzte ich ihm nicht heimlich nach, hätte ich ihn für diese Arroganz und Dämmlichkeit definitiv zusammengeschlagen!

Meine leise Hoffnung waren meine Geschwister, denen Ramona vielleicht auf ihrer Suche über den Weg lief, doch Fehlanzeige.
Wie konnte so ein großes auffälliges Mädchen sogar für uns Vampire durch den Radar fallen!?
Sie war oft genug wie eine Leuchtreklame gekleidet.
Da fehlte wirklich nur noch, dass sie in bunten LEDs blinkte.

Die ohnehin im Keller liegende Stimmung nahm weitere Etagen nach unten.
Gefühlt knackten wir sogar die 6 Fuß Marke.
Keiner wollte nur ein weiteres Wort über diese bittere Niederlage verlieren.
Weil wir uns nur in dem Gefühlskarussell aus Wut, Fassungslosigkeit, Trauer und Enttäuschung drehen würden.

Doch bereits viele 100 Meter vor dem Herrenhaus fiel jedem auf, dass etwas in der Luft lag.
Ein zu bekannter Geruch wehte, trotz der Eiseskälte, uns um die Nase.
Als wir bald die Fußspuren im Neuschnee vorfanden, war uns allem klar.
Ramona kam hier vorbei!
Es genügte nur ein kurzer Blickwechsel, der signalisierte: "Das muss sie sein! Das ist die Chance! Jetzt aber los!" Und fielen beinahe durch die Haustür.
Nicolae war so aufgeregt, dass er gleich, nachdem er die Tür öffnete, nach ihren Namen rief.
Auf eine Reaktion auf den Ruf wartete aber niemand ab.
Dafür hing die frische Körperwärme und ihr Duft zu präsent in der Luft.
So schwärmten wir in allen Zimmern aus, in denen sie wahrnehmbar war.

Lori war die Erste, die durch das Haus aufschrie.
Vor süßer Entzückung, denn sie zeigte uns, was sie in ihrem Zimmer auffand. "Guckt mal, was mir der Weihnachtsmann gebracht hat!" und hielt uns jedem einzelnen eine düstere Puppe im schwarz-weiß gestreiften Rüschenkleid hin.
"Ich werde sie Ms. Beetlejuice nennen!" tanzte sie mit dem neuen Spielzeug Ringelrei.

Vielleicht war es keine so verkehrte Idee weiter in unseren eigenen Zimmern zu schauen, denn die Präsenz Ramonas war in den Zimmern im Erdgeschoss ohnehin nur sehr schwach.
Je näher ich meinen eigenen 4 Wänden kam, konzentrierte sich hier ihre Wärme.
Ihr Duft lag schwer in der Luft, als ich die Tür öffnete.
Fast schon verzweifelt inhalierte ich ihre Überbleibsel, die mir nur einen kleinen Trost spendeten.
Fakt war, dass sie hierher zurückkehrte.
Nur waren wir diesmal nicht hier, um sie zu empfangen.
Wie dumm der Zufall war, dass wir aneinander vorbei liefen.
Was für mich allerdings zählte, war, dass sie nach Hause zurückkehrte.
Zu uns.

Mein Zimmer fand ich unverändert vor.
Denn ein spontaner Gedankenfunke rechnete damit, dass sie aus Wut mein Mobiliar kurz und klein schlagen könnte.
Aus Rache und so.
Aber stattdessen fielen mir zwei Päckchen auf meinem Bett auf, die mir sofort ein strahlendes Lächeln auf mein Gesicht zauberten.
Die pure Nostalgie kam bei mir auf, die überschwänglich nach ihnen greifen ließ.
Ich ließ mich auf die Bettkante fallen und sinnierte meinem vergangenen Leben nach.
Es waren 2 Modellautos, ein himmelblauer Trabi und eine cremefarbene Wartburg, die ich in meinen Händen hielt.

Zu meinen Lebzeiten in der DDR sah ich diesen Fahrzeugen neidisch hinterher.
Denn leider war nicht jedem Bürger ein solches Auto gegönnt.
Erst recht nicht, wenn man in den Augen der SED Funktionäre nicht in das moralisch sozialistische Bild einer perfekten Arbeiterfamilie passte.
Der Erzeuger war unbekannt.
Meine Mutter ging anschaffen.
Und ich brachte von klein auf nur Ärger.
Es gab keinen einzigen Zeitpunkt in meinem Leben, in dem ich mich in diese verlogene Gesellschaft eingliederte.
Ich rebellierte gegen alles, was mit der kommunistischen Politik einherging.
Die Gegenwehr bestand nicht nur aus Respektlosigkeit und Sabotage gegenüber allen Institutionen der DDR, sondern forderte meine eigene individuelle Freiheit ein.
Und wenn sie daraus bestand, so einen Trabi oder eine Wartburg kurzzuschließen, damit ich in dem Augenblick das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit auf der Haut spürte.
Auch wenn ich danach oft genug die Polizei an den Hacken hatte oder die verfeindeten Gangs.
Nach meiner Verwandlung verlor das alles leider ohnehin an Bedeutung.

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