5/ Mistelzweig und Liebesbriefe Teil 2

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Autor: Yrwanna Czarna

Es tauchte tatsächlich und leibhaftig Drogo aus der mondänen Menschenmasse hervor und spazierte selbstbewusst wie eh und je, in einem knallroten Smoking, samt schwarzem Hemd und Hose herein.
Peter lief einige Schritte zurückliegend und eher unauffällig hinter seinem Bruder mit.
Oder was man unter einem schneidigen schwarzen Gehrock, der ihm wie maßgeschneidert stand, für unauffällig hielt.

Mir fiel bei diesem unerwarteten Auftritt die Kinnlade runter!
Natürlich hatten sie nicht nur bei mir dieselbe Wirkung.
Auch die anderen Studenten glotzten ihnen ungläubig hinterher, doch ihnen schenkte Drogo keinen Funken Beachtung.
Niemanden sah er nur mit dem Arsch an.
Und wenn es die gutaussehendsten Studentinnen der Uni waren.
Er wusste anscheinend ganz genau, wo seine Beine ihn führen sollten.
Zielsicher fiel sein feuriger Blick direkt in meine Richtung.
Ich glaubte, seine ganze Aufmerksamkeit eingefangen zu haben.
Anders konnte ich den elektrischen Schlag, der durch meine Hirnwindungen fuhr und meinen Körper in völliger Alarmbereitschaft versetzte, nicht erklären.
Die blanke Panik brach in mir aus.
Sah wie ein scheues Reh nach links und recht und ging, vorbei an Deko und Studenten, stiften.
Sehr zum Leidwesen und Missverständnis Colins, der nicht begriff, wie es um ihn geschah und wieso ich ihn einfach ohne ein weiteres Wort stehen ließ.
In den sich überschlagenen Sekunden und zu den Weihnachtsjingles wirr drehenden Gedanken, fiel mir nur ein Ort ein, an dem ich von ihm sicher war.

Das Damenklo.

Die Luft war rein.
Es war niemand hier, der mich nach meinem gestressten Schnaufen erkundigen würde oder wieso ich wie eine arme Irre hinter der Tür kauerte.
Wie an einer Rettungsboje klammerte ich mich in der nächsten Bewegung am Waschbeckenrand und starrte in mein eigenes Spiegelbild.
Ich sah so verschreckt aus, als hätte ich einen Geist gesehen.
Mit Extra Ausdrucksstärke, so filigran wie Sarah mein Augen- und Brauen-Make Up hinbekam.

Die Angst legte sich leider nicht so schnell.
Ich drehte den Wasserhahn auf, steckte meine Hände unter das kalte Wasser und nahm einige kontrollierte Atemzüge.
Funktionierte leider nicht so, wie ich es mir wünschte, wenn man von eintretenden Studentinnen unterbrochen wurde und sogar bis ins WC "Last Christmas" hinein dudelte.

Wie romantisch...

"Wie soll ich diesen Abend bloß überleben!?" Murmelte ich es meinem eigentlich hinreißenden Spiegelbild zu.
Ich bedauerte es selbst, dass ich von mir nicht dasselbe hielt, wie von meiner Abendgarderobe.
Sogar ich empfand mich als ein wahrgewordener Traum, hingegen mein Selbstbewusstsein nicht ganz meiner Meinung war.

Musste ich also die nächsten Stunden feige sein?
Sollte ich mich hier weiterhin verstecken?!
Die Wahrscheinlichkeit in Drogo reinzurennen, der sich vermutlich im selben Moment etwas Frisches aufriss, war mit einem Schlag zu fast 100% sichergestellt.
Und auf diesen Anblick hatte ich wirklich keine Lust!
Jedes weitere Zetern und Abwägen brachte mir ohnehin nichts die Zeit hier zu verbringen.
Das Beste war wohl, Colin zu suchen und sich wieder zu ihm hingesellen.
Vorausgesetzt, er wurde in der Zwischenzeit nicht auch von Damen belagert.
Dann würde ich es aber wirklich in Betracht ziehen, nach Hause zu gehen.

Nachdem ich einige Atemzüge Mut einnahm, wagte ich den Weg vom Nebengang, aus der Damentoilette raus, zurück in den großen pompösen Festsaal.
Ich hielt wie ein Erdmännchen auf einen Hinterbeinen Ausschau nach Colin, zu dem ich zurückkehren wollte bevor Drogo, der sonst auf irgendwelche Ideen kommen könnte, mich erwischte.
Die mir geschmacklich verbesserte Musik erschwerte mir die Suche.
Quasi von alleine begann mein Körper zum Groove zu schwingen, während ich mich nur noch halbherzig umsah.
Ich büßte sofort für mein eingebrochenes Vermeidungsverhalten, denn der Arm, der sich mir unerwartet um die Taille legte, sah ich nicht einmal in meinen kühnsten Träumen kommen.
"Hat das Frischmachen wegen mir so lange gedauert!?" Ließ mich dieses tiefe und warme Vibrato, in dem der Schalk mitschwang, auf der Stelle erschaudern.
"Da fühle ich mich aber geehrt!"
Erschrocken starrte ich in seinen reißerischen Gesichtsausdruck, in dem aus zwei glimmenden Bernsteine die bezaubernde Bewunderung zu lesen war.
Mir hingegen schnürte diese urplötzliche Intimität die Kehle zu.
In solchen Situationen konnte ich es nicht unbedingt als Nachteil ansehen, wenn einem die Wörter nicht über die Lippen kamen.
Das schützte mich davor, mich nicht als stotternden Vollhorst zu blamieren.
Stattdessen, und das war meine gängigste Art, mit ihm umzugehen, versuchte ich meinen Schock mit Genervtsein zu überspielen und ihn mir von der Pelle zu drücken.
"Tja, der Kajal muss ab und zu nachgezogen werden." mimte ich die Unausstehliche, die sich nicht länger von ihm aufhalten lassen wollte, doch anscheinend, so wie er mich am Handgelenk festhielt, hatte er andere Pläne mit mir.
Sein wilder Blick, begleitet von einem überaus amüsierten Grinsen, scannte mich von oben bis unten und jede Kurve ab, dass der nächste Schlag durch mich zog.
"Willst du mit mir tanzen?" und zog mich bereits zu sich ran, obwohl ich darauf noch nichts erwiderte.

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