•BRIELLE•
Feuchte und kalte Luft strich über meinen Körper. Alles in mir schmerzte, als wäre ich überfahren worden. Zumindest stellte ich mir dieses Gefühl so vor.
Obwohl ich die Augen geöffnet hatte, war es dunkel. So dunkel, dass ich einen Moment brauchte, um zu realisieren, dass ich eine Augenbinde vor meinen Augen hatte. »Hallo?«, krächzte ich und meine Stimme brach danach und mein Hals fühlte sich unheimlich trocken an.
»Sie ist wach«, es war eine weibliche Stimme und ich erschauderte, als mich jemand am Kopf berührte. Dann riss man mir die Augenbinde vom Kopf und grelles Licht blendete meine Pupillen. »Aua«, stöhnte ich voller Schmerz, als auch etwas von meinen Handgelenken entfernt wurde.
Als ich dann aber etwas zu mir kam und sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnten sah ich in grünblaue Augen, die ich schon zuvor gesehen hatte. Als ich mir das Gesicht näher betrachtete, musste ich erschreckender weise feststellen, dass es der junge Copilot war. Der Copilot. Oh Gott, wo war ich zur Hölle? Wo war mein Mann?
»Wer zur Hölle bist du?«, brachte ich hervor und schon kam die Frau nach vorne. Lange braune Haare fielen ihr über die Schultern. Sie wirkte sehr elegant und dann fielen mir ihren dunklen Augen auf. Dunkles Grün, das mich total überrumpelten.
»Ich bin so froh, dass wir dich endlich gefunden haben«, Tränen stiegen ihr in die Augen und sie zog mich an sich. Ihre Wärme überraschte mich und ich versuchte sie von mir wegzudrücken. »Wer seid ihr? Kann bitte jemand etwas sagen?«
»Erkennst du mich denn nicht?«, mein Kopfschütteln ließ die Frau traurig wirken. »Naja, wie denn auch. Du wurdest uns weggenommen, als du zwei warst«, wie bitte? Plötzlich war ich hellwach und total verwirrt, was hier vor sich ging.
»Wir sind deine Eltern, Kind«, kam nun eine Männerstimme dazu und als er ins Licht trat, hielt ich meinen Atem an. Der Mann hatte genau die gleichen blaugrünen äugen, wie ich und der junge Copilot. Mein Herz setzte aus und ich begann zu weinen. Zu weinen, weil ich so überfordert war und nicht verstand, wieso das geschah, was geschah.
»Und wer ist er?«
»Dein Zwillingsbruder, Leontes«, mein Zwillingsbruder? Das war doch hier alles bestimmt nur ein albernere Alptraum. Ich kniff fest in meinen Oberarm, aber nichts geschah. Diese drei Menschen standen noch immer vor mir und ich wusste nicht, was ich tun sollte. »Hier«
Die Frau, die wohl meine Mutter sein sollte, gab Leontes einen Spiegel, mit dem er zu mir ging. Dann hielt er diesen vor uns und die Ähnlichkeit, diese Gleichheit, war zu viel für mich. Wir hatten genau die gleichen Augen, die gleichen Gesichtszüge, sogar die Lippen, Nase und die Haare waren exakt gleich. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich.
»Aber meine Eltern sind gestorben, als ich-«
»Als du zwei Jahre alt warst. Das ist das, was man dir erzählte. Wir waren nie tot, du wurdest uns weggenommen und wir konnten nur deinen Bruder retten, von dem niemand etwas weiß«, brachte die Frau hervor.
»Ihr seid doch alle völlig bescheuert. Mein Mann wird mich finden«, und dann begann der Mann und die Frau zu lachen. So höhnisch, dass es mir Angst machte. »Dein Mann? Dein Mann, dessen Familie für das alles verantwortlich ist?«
»Wie bitte?«
»Kind, diese Familie. Familie Carerra sind die schlimmsten Menschen in Europa. Sie nehmen sich das was sie wollen und wenn sie damit ein Kind stehlen, dann werden sie es tun. Wir können die Familie viel zu gut...Leider«
»Was heißt das?«, unterbrach ich sie. »Das heißt, dass sie die ganze Zeit über wussten, wer du bist. Von wem du bist. Das alles aus Rache zu uns, weil wir damals...Naja, ist auch nicht so wichtig«
»Was habt ihr getan?«
»Unsere Familien konnten nie befreundet sein. Wir Italiener und diese Spanier. Es ist seit Generationen so und da war ein Fehler geschehen. Jemand musste sterben, wegen dem, was wir getan haben. Und das ist nun die Rache an uns. Denkst du wirklich, dass es alles ein Zufall war, dass du bei der Familie gelandet bist?«, oh Gott. Die Klassenfahrt nach Dubai, die damals Felipe vorgeschlagen hatte. Er hatte diese gesponsert und da fand ich das schon merkwürdig, aber wenn es wirklich wahr war, dann...
»Es tut uns wirikch leid, dass du es so erfahren musstest. Aber wir konnten dich nicht länger bei ihn ertragen. Als Leo dich in der Mail in Spanien per Zufall gesehen hat, haben wir alle Wege eingeleitet, um dich zu finden«, die weiteren Worte dieser Menschen logen an mir vorbei, wie ein Nebel, denn alles woran ich denken konnte war Natanel, der mich nur aus Rache geheiratet hatte. Der wohl von allem wusste. Aber innerlich hatte ich die Hoffnung, dass es nicht so wäre.
»Wenn du willst, frag ihn selbst. Ruf ihn an und frag ihn, ob er von seinen Eltern wusste«, Leontes legte mir mein Telefon vor mich und hatte schon Natanaels Kontakt geöffnet. »Ich-«
»Ruf ihn an und frag ihn, damit du weißt, woran du bist. Wenn du noch immer zurück willst, dann-«
»Okay. Gib mir das Handy«, ich riss es meinem vermeintlichen Zwilling aus der Hand und wählte ihn. »Oh Gott, Brielle, wo bist du? Ich suche dich im ganzen Louvre und...«
»Ich bin nur im Bad. Ich habe eine Frage an dich«
»Ich komme zu dir«, seine Fürsorge verpasste mir einen Stich ins Herz. »Nein. Beantworte mir meine Frage«
»Alles, was du wissen willst«, ich hatte Angst die Wahrheit zu erfahren. Ich hatte Angst, das ich mich wieder in einem Menschen getäuscht hatte, der mir so viel mehr bedeutet, als ich selbst. »Kennst du meine Eltern?«
»Mi amor, wovon redest du?«, kurz blitzte Erleichterung auf, aber er zögerte dennoch. »Kennst du meine Eltern, Natanael? Ja oder nein?«
»Komm zu mir und wir reden in Ruhe«, es tat weh, dass er das sagte. Er wusste es. Er wusste etwas über meine Eltern...»Ja oder nein?«
Stille. Kein einziges Wort sagte er weiter. Und das reichte mir vollkommen. Er und seine Familie hatte mich die ganze Zeit belogen. Die ganze Zeit über spielte er mir nur einen perfekten Mann vor, dabei war er verlogen. Ein ignorantes Arschloch, in das ich Hals über Kopf verliebt war und ihm alles von mir gegeben hatte. Alles.
Nun war er nicht mehr der, für den ich ihn hielt.
Ich hatte mich getäuscht. In einem weiteren Menschen, der mir so nah war, wie noch nie. Es tat so weh. So unfassbar doll.
Und das einzige, was mir noch im Kopf schwebte war:
Was in meinem Leben entspricht überhaupt noch der Wahrheit?
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WICKED GAME | BAND 1✔️
RomanceDie 18-jährige Brielle Esher befindet sich mit ihrer Abschlussklasse in Dubai, bereit, ihr Abitur abzuschließen und ihren Traum vom Studium und einer eigenen Familie zu verwirklichen. Doch in einer schicksalhaften Nacht nimmt ihr Leben eine unvorher...