Ich brauche noch eine Weile, um zu realisieren, was dieser Turniersieg bedeutet. Das wird mir aber spätestens bewusst, als ich keinen Kutschdienst mehr machen muss, auch nicht mehr auf der Weide stehe und auch keinen Stalldienst mehr machen muss. Es zählt nur das Training.
Von Montags bis Freitags trainiert Erik zwei Stunden am Tag mit mir, danach mit Blume. Ich bin ehrlich gesagt sehr glücklich darüber, dass ich nicht mit Blume gemeinsam trainieren muss. Denn das trübt meine Vorfreude auf das Turnier noch am meisten, dass Blume statt Ines oder Calypso mitkommt.
Das Training ist wirklich hart und intensiv, aber das ist auch der Sinn des Ganzen. Und dabei ist er noch sehr demokratisch, zusammen besprechen wir unsere Trainingsstrategie und das, worauf wir uns konzentrieren sollten.
„Du hast wirklich ein sehr gutes Qualifikationsturnier gemacht, Möhrchen. Was mich besonders beeindruckt hat, war, dass du in keiner Disziplin schlechter als der zweite Platz warst. Das wäre für die Wertung in Spanien ein ganz großer Gewinn, wenn wir jede Disziplin trainieren, könntest du in der Gesamtwertung zu den Besten gehören. Allerdings möchte ich dir auch keine zu großen Hoffnungen machen. Du bist wirklich gut, aber ob wir dein Niveau in allen Disziplinen so anheben können, dass du am Ende unter den Top drei landest, weiß ich nicht. In die Top Ten könnten wir dich bringen, da bin ich mir recht sicher. Aber ob es für die Preisplätze reicht, weiß ich nicht. Die Alternative, die ich dir anbieten kann, wäre, dass wir dein großes Talent weiter trainieren. Das Springen. Wenn wir uns auf das Springen konzentrieren, könntest du es vielleicht unter die besten Springerinnen schaffen, aber dann können wir die anderen Disziplinen nicht so intensiv üben, was sich negativ auf die Gesamtwertung auswirken wird. Was wäre dir lieber?"
Ich habe aufmerksam zugehört und musste eine Weile überlegen.
„Was wäre dem Klub denn wichtiger? Dass ich unter die besten Zehn komme, oder dass ich einen Pokal mitbringe?"
„Um den Klub geht es hier nicht, es geht darum, was du lieber möchtest. Entweder wir setzten alles auf eine Karte, das Springen und können damit scheitern, oder wir verteilen deine Kräfte, dann wird es aber für den Sieg in einer Disziplin vermutlich nicht reichen".
Lange habe ich überlegt, mich aber schließlich dazu entscheiden, mich auf das Springen zu konzentrieren. Das kann ich wirklich gut und wenn ich dabei zu den besten dreien gehören könnte, wäre das wunderbar! Es geht mir dabei nicht ums Geld, oder um den Pokal, sondern einfach um das Gefühl etwas zu tun, das ich wirklich richtig gut kann.
Erik war mit meiner Wahl einverstanden, hat aber darauf bestanden, die anderen Disziplinen auch zu trainieren. Eine Stunde Springen und die andere Stunde die drei anderen Disziplinen, das wird unser Rhythmus.
Am Wochenende sind meine vertraglichen zwanzig Arbeitsstunden pro Woche schon durch das Training aufgebraucht, ich lerne dann entweder für die Uni, entspanne mich etwas oder trainiere mit Ines, die fast noch aufgeregter als ich ist.
Und dann ist er da, der Tag der Abreise. Am Abend davor gab es ein kleines fest, ich habe mich lange von meinen besten Freundinnen verabschiedet. Ines, Beth und Minka habe ich lange in den Arm genommen, als wäre es ein Abschied für immer.
„Ich bin mir sicher, dass du uns stolz machst. Hab eine fantastische Zeit!", sagt Ines. Auch Clemens hält eine kleine Rede, in der er ähnliches sagt.
„Macht unseren Klub stolz, Möhrchen und Blume. Ihr repräsentiert ihn, aber, und das ist noch wichtiger, habt vor allem Spaß! Wir freuen uns mit euch über jeden Sieg, halten unsere Arme aber auch bei Niederlagen für euch offen".
Am Morgen des nächsten Tages fährt uns ein Chauffeur zum Flughafen, dabei muss ich hinten auf der Rückbank neben Luisa, alias Blume Platz nehmen, die mir sehr skeptisch ansieht.
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