Für einen kurzen Moment erkenne ich verschwommen, wie große Hunde über die auf dem Boden liegenden Menschen springen. Ihre weit aufgerissenen Mäuler mit den spitzen, gefletschten Zähnen und den hasserfüllten Augen machen mir Angst. Hin und wieder kann man erkennen, wie sie ihre Mäuler öffnen und ihre spitzen Zähne zeigen, doch mehr kann man nicht erkennen. Ich spüre Wind überall an mir vorbeiwehen und kalte Körper, die gegen mich rennen. Ich höre hallende, aber seltsam verzerrte Schreie; Schmerzensschreie, Kampfgeschrei, Angstlaute. Schatten rennen in Richtung Wald, andere verteidigen sich mit dicken Stöcke oder Ästen. Eltern ziehen die Kinder weg; rennen Hand in Hand mit ihnen in Richtung Wald. Überall um mich herum ist pure Angst, aber auch Überlebenswille. Alles ist verschwommen und ich sehe es mit einem seltsamen Schleier. Unerkennbare schwarze und graue Schatten fliegen überall vorbei.
Das alles geschieht innerhalb von ungefähr einer Sekunde.Dann ist es wieder weg.
Erschöpft falle ich auf das Gras, das meinen Fall zum Glück ein wenig dämpft. Was war das jetzt?
War das echt? Nein, das kann nicht echt gewesen sein, den die Menschen um mich herum sind nicht dabei, sich gegen irgendwelche Hunde zu wehren, eher das Gegenteil - sie schlafen. Sowieso scheine ich die einzige zu sein, die das mitbekommen hat...
Und plötzlich spüre ich ein leises Zittern. Dieses Gefühl kenne ich. Sogar sehr gut.
Es ist ein Erdbeben. Und zwar ein heftiges. So schnell es irgendwie möglich ist, renne ich zu Dan und Mum und wecke sie auf; zerre sie weg vom brüchig wirkenden Baum, das schon gefährlich hin und her schwingt und dabei unheilvoll knarzt. Schreie ertönen von überall, Menschen in Panik. Und genau in dieser Sekunde kippt er um; genau auf die Stelle, auf der vor kurzem noch meine Liebsten lagen und ahnungslos geschlafen haben.
Zum Glück ist es schnell vorbei. Die Menschen auf der Wiese rappeln sich alle auf; sind verwirrt. Manche haben nichts mitbekommen, andere versuchen ebendiesen die Situation zu erklären. Eine Frau weint aus Erschöpfung. Unwillkürlich versammeln sich die Menschen in einer Gruppe.
Nach einer Weile beruhigt sich die Situation wieder. Aber nun sind wir nicht mehr einfach nur Menschen, die aus verschiedensten Gründen auf einer Wiese campieren, ob unfreiwillig oder nicht; wir sind eine Gemeinschaft, deren Mitglieder miteinander reden und sich gegenseitig trösten. Man lernt Namen kennen; eine Gruppe junger Männer beispielsweise, die ursprünglich hatten Urlaub machen wollen; der aber durch diese ungünstigen Zustände zu einem Abenteuerurlaub wurde:
Cameron, oder auch wegen seiner orangenen Haare Carrot genannt; ist ein netter Typ, der ganz passabel singen kann; Nathan, der 27-jährige Dan-Lookalike, der aber nicht besonders gut singen kann und sein kleiner Bruder Riley. Logan, der schwarzhaarige mit großen Grübchen, und Ryan, der britische Autist. Wir freunden uns sofort mit allen von denen an, sitzen in einem Kreis und unterhalten uns. So unbeschwert war ich schon seit Ewigkeiten nicht!
So sitzen wir bis in die Nacht noch zusammen und singen.
21:00 Uhr
Ein ungutes Gefühl beschleicht mich. Verwirrt rappele ich mich auf, schaue aus dem Zelt, das ich mir mit Mum und Dan von der Gruppe geliehen habe, und schaue mich um. Nichts. Aber was ist denn dann? Vielleicht bloß meine verquere Fantasie. Denn das einzige, das ich zurzeit höre, ist leise raschelndes Gras, das im nächtlichen Wind hin und her schaukelt wie die Algen im Meer.
Aber....es fühlt sich anders an. Eher wie eine Vorahnung. Wenn auch eine sehr weit hergeholte, irrsinnige Vorahnung.
Und ehe ich noch weiter darüber grübeln kann, höre ich schon vereinzelt Schreie, Knurren und Fauchen. "Oh nein", keuche ich entsetzt, als ich mich an meinen "Tagtraum" erinnere. "Das kann nicht sein!" Panisch reiße ich das Zelt auf und als ich sehe, was draußen vor sich geht, kreische ich vor Angst zitternd auf. In der provisorischen Nachtbeleuchtung, bestehend aus ein paar Laternen und mitgebrachten Campierlampen und einem mittlerweile nur noch glühenden Lagerfeuer kann man sehen, dass dort tatsächlich ein Rudel Tiere ist - auf den ersten Blick sehen sie aus wie die großen Hunde, die ich vorhin auch gesehen habe, allerdings erkennt man beim genaueren Hinsehen, dass diese "Hunde" bärenartige Klauen haben und auch vom Körperbau kräftiger sind. Ihre Zähne sind bösartig gefletscht und ihre Augen bewegen sich aufmerksam von Seite zu Seite. Sobald sie jemanden sich bewegen sehen, rennen sie auf ihn zu und attackieren ihr Opfer mit ihren gefährlichen Krallen. Es sind vielleicht 15 bis 20 von ihnen, die nun mit kräftigen Sprüngen, die mir unglaublich Angst einjagen, fast unser Lager erreicht haben. Die Menschen, die ihr Zelt (oder worin auch immer sie die Nacht verbringen wollen) außerhalb der großen Ansammlung von Menschen aufgeschlagen haben, sind nun alle am Kämpfen - um ihr Überleben. Als ob es nie genug werden würde.
Panisch rüttele ich Mum wach, denn Dan ist schon aufgewacht und sucht eine hellere Lampe - in dieser mickrigen Beleuchtung da draußen ist die Gewinnchance bei einem eventuellen Kampf relativ niedrig. Ich hole mit zittrigen Fingern mein Taschenmesser aus meiner Tasche - das Einzige, mit dem ich mich im Notfall verteidigen könnte. Im Zelt erscheint es uns allen zu gefährlich, denn die Tiere könnten ohne weiteres in das Zelt einfallen, ohne dass wir es rechzeitig bemerken. Wir entscheiden uns in unserer Panik, dass wir versuchen, alles, was uns gehört, schnell zusammenzupacken und die 500 Meter zum Wald zu rennen, da es uns als der sicherste Ort momentan vorkommt. Also klaube ich praktisch alles, was auf dem Boden liegt, auf, und stopfe es in meinen kleinen Rucksack. Hoffentlich vergessen wir nichts, was wir später brauchen werden!
Dann rennen wir so schnell es geht aus dem Zelt und direkt in Richtung Wald, doch bevor wir überhaupt dazu kommen, aus dem "Lager" herauszukommen, hören wir einen Schrei: Logan! Ohne nochmal nachzudenken, sprinten wir alle wieder zurück und dorthin, wo wir ihn vermuten. Als wir vor Erschöpfung keuchend ankommen, können wir nur noch entsetzt zuschauen, wie eines der Tiere Logan anfällt und zu Boden wirft und weiterhin attakiert. Ich kann mich vor Entsetzen kaum rühren, doch Dan reagiert blitzschnell: er packt einen auf dem Boden liegenden Ast und versucht damit, das Tier zu erschlagen, womit er aber lediglich bewirkt, dass der Hund sich mit seinem blutverschmierten Maul zu Dan umdreht und hasserfüllt ansieht. Er keucht erschrocken auf. Und das ist das Letzte, was ich von ihm mitbekomme, bevor er unter dem Gewicht des Mutanthundes begraben wird.
Erst jetzt begreife ich, dass ich die ganze Zeit über nur zugeschaut habe und nichts unternommen habe. Und als ich mein Messer aufschnappen lasse und entschlossen auf das Monster zulaufe, einen Kampfschrei ausstoße und ihm das Messer mitten in die Brust stemme, erneut herausziehe und nochmals hineinstoße, bis das Tier jaulend wegläuft und ich vor dem stark blutenden Dan und dem in einer Blutlache liegenden Logan auf die Knie falle, denke ich nichts. Einfach nichts. Ich weiß nicht, woher ich auf einmal diese Entschlossenheit herbekommen habe, aber auf jeden hatte ich sie für einen kurzen Moment, und so schnell, wie sie kam, ist sie auch wieder weg. Ich checke Dan ab; lebt er noch? Atmet er? Höre ich sein Herz schlagen? Und Mum nimmt sich Logan vor, der noch stärker blutet als Dan. Und ich weine bitterlich.
22:30 Uhr
Wir haben die Wunden von Dan und Logan mit ein bisschen von unserem mitgebrachten Trinkwasser gesäubert und schließlich mit ein paar Streifen von Dans T-Shirt verbunden (es ist sauber, aber so zerrissen, dass er es unmöglich nochmal anziehen kann). Nathan hatte die Idee, dass er, Cameron, Ryan und Riley währenddessen Kinder und andere Hilfsbedürftige ins Lager führen und versorgen und trösten könnten. Die Tiere sind zum Glcük nach einer Weile in alle Himmelsrichtungen verschwunden und haben eine zerstörte Gruppe von Menschen und viel Blut hinterlassen. Viele Leute sind ebenfalls verschwunden; das Rudel hat uns auseinandergebracht. Ich weiß, dass wir jetzt nur noch knapp die Hälfte derer Leute sind, die davor hier zusammen campiert haben. Aber bei dieser Dunkelheit ist es unmöglich, die genaue Anzahl herauszufinden. Also beschließen wir, lieber zu schlafen, sobald alles Schlimmste versorgt ist. Dan und Logan verteilen wir in jeweils ein Zelt, sodass jeder von ihnen auch "Gesunde" um ihn herum hat. Beide haben erhöhte Körpertemperatur und bluten so viel, dass Dans ehemaliges T-Shirt bald nicht mehr als Verbandsstoff reichen wird. Also geben wir ihnen so viel zu trinken wie möglich und schlafen alle, so gut es geht.
~To be continued
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Black Cloud
Science Fiction2089- ein Jahr der Katastrophen.Anfangs nur eine Wolke ,doch es wird immer schlimmer-es folgen unzählige weitere Schicksalschläge. New York muss zusammenhalten, um sie zu bestehen - und dazu kommt noch Amys neue Liebe!