Der fünfte Tag - Abgeschnitten

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Chapturemusic:Wolf Song Celitc Verion

Der fünfte Tag

04.12.2089

7:00 Uhr,zuhause

Ich werde davon geweckt, dass etwas mich schüttelt.

"Amy, wach auf! Es ist schon heute!"

Marvin hüpft auf meinem Bett herum.

"Ja, Marvin, noch ganz kurz.Geh doch schonmal runter", murmele ich und versuche, seine tapsigen Schrittgeräusche zu ignorieren.

Ich versuche, wieder einzuschlafen, doch es will einfach nicht klappen. Deshalb setze ich mich seufzend auf und strecke mich erst einmal ausgiebig.Ich bemerke ein braunes Fusselchen neben mir, doch das ist mir egal.Also schlurfe ich müde nach unten, in der Erwartung, dass ich die Erste bin, die wach ist. Doch es stellt sich heraus, dass ich sogar die letzte bin, die sich aus dem Bett gezwungen hat.Dan, Mum und Marvin sitzen bereits am Esstisch und warten nur noch darauf, dass ich mich zu ihnen geselle.

Nachdem wir fertig gegessen haben, helfe ich Mum beim Tischaufräumen, während Dan mit Marvin im Wohnzimmer spielt.Mum erzählt mir fröhlich, wie gut sie es findet, dass Marvin wieder da ist. Sie scheint ihren gestrigen Schock schon überwunden zu haben. So heiter und beschwingt wie heute habe ich schon lange nicht mehr gesehen.

Ich gehe ins Wohnzimmer, doch kurz davor sehe ich schon wieder so ein kleines braunes Ding. Ich beachte es nicht weiter und geselle mich zu Marvin und Dan.

Mum zieht sich schonmal um,sie will bei den Nachbarn vorbeigehen und schauen, ob es ihnen allen noch gut geht. Traurig erinnere ich mich daran, dass Mrs Morgen nun nicht mehr zu unseren Nachbarn zählt.

Als Mum versucht, die Haustür aufzumachen, merkt sie, dass die Tür nicht aufgeht.Sie rüttelt noch ein paarmal, doch die Tür bleibt zu. Dann geht sie zum Küchenfenster und schaut nach draußen.

"Oh mein Gott! Amy,Dan, kommt mal her!"

Wir rennen das Schlimmste erwartend auf Mum zu und schauen hinaus.

Alles ist voller Schnee, ungefähr ein Meter hoch ist er schon! Es muss die ganze Nacht über geschneit haben! Es schneit immer noch die ganze Zeit!

Mum lässt sich entsetzt auf den Boden fallen. Sie schüttelt gedankenverloren den Kopf.

Marvin zerrt Dan und mich ins Wohnzimmer. Er möchte mit uns spielen, also holen wir die Brettspiele aus dem  Keller und spielen den Nachmittag lang.

Als ich aus dem Wohnzimmer trete, um aufs Klo zu gehen, bemerke ich nun zum dritten Mal ein braunes Teil auf dem Boden liegen. Das macht mich stutzig.

Dieses Mal hebe ich es auf. Es ist ein Haarknäuel - ein lockiges,braunes Haarknäuel!

Da ich keine Locken habe, Mum blond ist und Dan dunklere Haare hat, müssen diese Haare von Marvin sein.Doch warum fallen ihm Haare aus?

Dann dämmert es mir.

Der Schnee, den Marvin geschluckt hatte - bewirkt er so viel? Wir dachten, es wäre schon vorbei, aber wahrscheinlich ist es ein weiteres Symptom dieser misteriösen Krankheit. Ich hoffe, dass das Krankenhaus noch einen Platz frei hat.

Mit dieser Erkenntnis dämmert mir noch etwas schrecklicheres - wir KÖNNEN gar nicht zum Krankenhaus, denn wir sind ja eingesperrt!

Mein Herz rutscht mir in die Hose, und ich fange panisch an zu zittern.

"Marvin!"

Hastig renne ich wieder ins Wohnzimmer und umarme Marvin.

Dann schaue ich mir seinen Kopf an.

Von vorne sieht alles okay aus, aber von hinten - ihm fehlt ja die Hälfte seiner Haare!

Entsetzt drücke ich ihn an mich, und aus Angst, dass es ihm schlechter gehen wird,  weine ich hemmungslos drauflos.

Dan fragt nicht nach, was denn los sei, sondern er versucht nur, mich zu trösten.

Das ist es, was ich an ihm liebe - er versteht mich, kennt meine Gefühle. Ich brauche nichts zu sagen, damit er versteht. Wahrscheinlich hat er Marvins Frisur schon vor mir registriert.

 So sitzen wir da, Stunde für Stunde, lauschen der Musik im Hintergrund und sagen  kein Wort. Was sollte man jetzt auch sagen? Für so etwas gibt es keine Worte.

Als Marvin in meinen Armen erschlafft, merke ich erst, wie spät es ist, und lege ihn behutsam in sein kleines Bett. Dann gehen auch Dan und ich schlafen.

Black CloudWhere stories live. Discover now