Der achte Tag - Die Flut

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Chapturemusic: The Ride of the Rohirrim 

Der achte Tag

07.12.2089

9:00 Uhr, zuhause

Ich wache auf. Diesmal bin ich wirklich ohne merkwürdige Vorkommnisse aufgewacht.

Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen. Dann gähne ich ausgiebig und gehe zur Treppe.

Unten wartet Dan schon auf mich.

„Guten Morgen, Amy.“ – „Guten Morgen, Dan“

Er umarmt mich. Ich habe wieder so ein Flattern im Bauch, wie immer, wenn ich ihn ansehe.

Als wir uns gerade wieder lösen wollen, hält er mich noch fest und flüstert mir ins Ohr:

„ Hast du eine Idee, was wir mit Marvin machen sollen?“

Mir fällt auf einmal alles wieder ein – Mum ist krank, doch Marvin ist tot. Wieder erlebe ich meinen Kummer, meinen Schmerz, als ob Marvin gerade eben gestorben wäre. Ich schluchze unwillkürlich und halte Dans Hand ganz fest. Dann schüttele ich den Kopf.

„Keine Ahnung“, flüstere ich.

Er hält mich fest, schaut mir mit seinen haselnussbraunen Augen in meine und nach einiger Zeit zuckt er mit den Schultern. Dann schüttelt auch er den Kopf, lässt meine Hand los und geht in das Gästezimmer, um sich umzuziehen.

Als er wieder rauskommt, sieht er wieder entspannter aus. Er scheint einen Plan zu haben.

„Komm, gehen wir zum Strand.Lass uns ein wenig entspannen, so gut es jetzt geht, bei der Dunkelheit.Deiner Mum scheint es momentan ja gut gehen,also gönnen wir uns jetzt auch mal ein wenig Ruhe.“

Freudig stimme ich ihm zu, also machen wir uns auf den Weg zu Brighton Beach.

11:00 Uhr, Brighton Beach

Hand in Hand spazieren wir beide am Strand entlang. Es sind fast keine anderen Leute da, und es ist so kalt, dass wir uns Jacken anziehen mussten. Wobei mir auffällt, dass ja sowieso Winter ist. Über uns blitzt es grün und – wie mir auffällt – selten auch blau. Doch heller wird es dadurch nicht - aber dafür unheimlicher.

Ich schaue mich um. Rechts von uns sind lange, dunkle Holzstege, dahinter ein paar Hotels und Apartments. Ein einem der Häuser hängt schief ein Schild: Souvenirs.

Das V und das R sind schon verblasst, deshalb sieht man nur Sou eni s.

Ich denke darüber nach, was mit den Touristen ist, die hierhergefahren sind, um ihren Traum zu leben, aber stattdessen den Albtraum ihres Lebens erleben.

Ich bemitleide sie fast – sie haben ihr Geld dafür aus dem Fenster geschmissen, damit sie letztlich nur noch im Hotel bleiben  können.

Dann schweift mein Blick zum Wasser. Gleichmäßig rollen die kalten Wellen an den Strand, auf deren Wasseroberfläche sich die Lichter des Himmels widerspiegeln. Die Wellen kommen und gehen, und mit ihnen kommen und gehen die Lichtreflektionen.

Das Rauschen der Wellen beruhigt mich. Ich lege meinen Kopf an Dans Schulter und bin einfach froh, für einen Moment loslassen zu können vom Stress der letzten Tage, und zu wissen, dass es jemanden gibt, der mir helfen kann.

Während wir umkehren, um wieder nach Hause zu gehen und Mum zu versorgen, bemerke ich, dass das Wasser angestiegen ist. Auf dem Hinweg stand es ungefähr zwei Meter von uns entfernt hoch, doch jetzt sind unsere Fußspuren nicht mehr zu sehen. Sie wurden von dem Wasser verwischt.

Black CloudWhere stories live. Discover now