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TW: Leichte internalisierte Homophobie


Rezo fühlte sich, als hätte man ihm in den Magen geboxt.

Was, wenn das alles ein riesiger Fehler war? Noch war es vielleicht nicht zu spät, Ju hinterherzurennen und wieder Freundschaft mit Mexi zu schließen.

Aber: wollte er Freundschaft mit Mexi?

Alles oder nichts.

Und wenn er sich für Freundschaft entschied, dann würde er nie wieder so close mit Mexi sein können, das wusste er.

Denn durch alles, was sie getan hatten und vor allem durch sein eigenes Verhalten stand das, was sie hatten, auf einem sehr schmalen Grad. Nichts, was Witze über Blowjobs und Schlafen im selben Bett aushielt.

Für einen Moment erlaubte er sich, sich vorzustellen, wie es wäre, mit Mexi zusammen zu sein. Aufzuwachen neben ihm. Ihn zu küssen. Mit ihm zu schlafen.

Bei dem letzten Gedanken stockte sein Hirn.

Er blinzelte. In einem Anflug von Vernunft griff er nach dem vollen Glas, das noch immer neben ihm auf der Arbeitsplatte stand, und schüttete den Inhalt ins Waschbecken.

Ju hatte ja recht: Er sollte sich lieber darauf konzentrieren, was er fühlte.

Tag 1

Er war stolz auf sich: Er hatte gestern den ganzen Abend lang nicht aufgegeben und war nicht rüber zu Ju, um Mexi zu sehen. Stattdessen hatte er das Internet durchforstet, auf der Suche nach dem, was er fühlte. Und irgendwann, ungefähr so zwischen ein und drei Uhr nachts, hatte er den Begriff Internalisierte Homophobie gefunden, der eigentlich ziemlich gut zu seiner Problematik passte.

Und dann war er eingeschlafen und jetzt lag er hier auf seinem Sofa, weil sein Bett wahrscheinlich noch nach Mexi roch und er fragte sich, wie es jemals so weit kommen konnte.

Rezo würde jetzt nicht noch einmal mit dem ganzen Ich-bin-nicht-homophob-Zeug anfangen, aber trotzdem. Es war irgendwie schwer zu glauben, dass er sich mit 30 Jahren zum ersten Mal als bi identifizierte. Obwohl, wenn er ganz ehrlich mit sich selbst war, dann nicht zum ersten Mal. Aber die letzten Male war es ihm so unbedeutend vorgekommen. Es war nur ein vorübergehendes Gefühl gewesen.

Was, wenn das hier auch nur vorübergehend war? Wenn er alles riskierte, nur, um dann nach zwei Wochen kein Interesse mehr an Mexi zu haben?

Rezo war es leid, sich darüber Gedanken machen zu müssen. Es entsprach nicht seinem Naturell, so an sich und seiner Identität zu zweifeln.

Und überhaupt, woher kamen diese Zweifel?

Ja, beinahe seine gesamte nähere Familie war christlich. Aber niemals hatte er das Gefühl gehabt, dass seine Eltern etwas gegen Leute hätten, die nicht straight waren.

Und gleichzeitig musste er zugeben, dass sie dafür oft genug Freunde der Familie zuhause gehabt hatten, die das nicht so gesehen hatten.

Die seine Eltern 'scherzhaft' ermahnten, dass er noch schwul werden würde, wenn er sich weiterhin so oft die Haare färbte. Oder sang. Oder stotterte. Oder irgendetwas tat, das in ihren Augen nicht klassisch männlich war.

Vielleicht war es das gewesen. Dieses unterschwellige Verbinden von Schwulsein und etwas Schlechtem.

Rezo wusste, dass er ruhiger war als gestern. Dass er schon jetzt viel entspannter über seine Gefühle dachte, aber dennoch war er dankbar für Ju's Drei-Tage-Plan, der nun einmal offensichtlich drei Tage benötigte.

Tag 2

"Mama?", fragte Rezo in sein Handy hinein. Die Hand, die nicht dazu benutzt wurde, sich das Telefon ans Ohr zu drücken, zitterte.

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