2.

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Mexi war unangenehm warm. Er strampelte etwas, was sich als Decke entpuppte von sich und öffnete schläfrig die Augen. Er lag auf dem Boden. Obwohl, nein, er lag auf der dünnen Matratze in Ju's Gästezimmer, den Blick direkt auf ein Hobbylos-Plakat gerichtet.

Er setzte sich auf und rieb sich über das Gesicht. Licht drang durch die dünnen, weißen Vorhänge hinter ihm und zeigte ihm, dass noch Tag war. Oder schon wieder? Mexi hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte. Er streckte seinen Arm aus, schob den hellen Stoff vor dem Fenster zur Seite und blinzelte irritiert in die Nachmittagssonne. Wenn er nicht in eine plötzliche Ohnmacht gefallen war, dann war es immernoch der gleiche Tag. Mit einem Seufzen ließ er den Vorhang wieder fallen und stemmte sich auf die Beine.

Mexi streckte sich, woraufhin der Ärmel seines T-Shirts bis zu seiner Schulter hochrutschte. Überrascht verzog er das Gesicht. Der Stoff roch anders als sonst. Er kannte diesen Geruch, konnte ihn aber für einige Momente nicht zuordnen, bis sich das Bild eines breit grinsenden jungen Mannes vor sein inneres Auge zog. Sein Shirt roch nach Rezo, was Mexi leider unweigerlich zu den Umständen seines Power Naps führte.

Er war auf der Schulter des anderen eingeschlafen, nachdem sie sich beinahe vier Monate lang nicht gesehen hatten. Und alle anderen hatten das mitbekommen, erinnerte sich Mexi an das Gespräch, welches er mitgehört hatte.

Was Rezo jetzt von ihm dachte, konnte er sich nur zu gut ausmalen. Ja, es war bekannt, dass sowohl Mexi als auch Rezo sehr touchy sein konnten, aber es war ein meilenweiter Unterschied, ob das im klaren oder höchstens etwas Gin-vernebelten Bewusstsein geschah, oder ob man sich einfach nach sechs Stunden Anreise auf der Schulter von jemandem ausruhte.

Du tust so, als ob du im Drogenrausch mit ihm rumgemacht hast, und jetzt einen Kater und viel schlechtes Gewissen hast, stellte eine leise Stimme in Mexis Kopf fest. Er konnte ihr nur recht geben. Er dachte zu viel nach. Rezo würde in sein schläfriges Verhalten schon nichts Seltsames hinein interpretieren. Dafür war er zu... schlau? Erwachsen? Reif, entschied Mexi und presste erneut den Saum seines T-Shirts an seine Nase. Das war gutes Aftershave, stellte er fest, als er ein weiteres Mal daran roch.

Es klopfte. Mexi strich hastig sein Shirt glatt, als auch schon die Tür geöffnet wurde und Ju in den Raum trat. "Ah, du bist wach."

Mexi lächelte etwas peinlich berührt. "Ja. Tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin." Ju winkte ab. "Alles gut, du hattest halt eine lange Fahrt hinter dir."

"Ist Rezo noch da?"

"Ja, ist er. Wir haben überlegt, ob wir gleich noch in den Pool wollen."

"Können wir machen", erwiderte Mexi und dachte an die drückende Hitze draußen.

"Gut, dann sehen wir uns gleich!"

Ju schloss die Tür und ließ den Jüngeren wieder allein zurück.

Wenig später hatte Mexi seine kurze Hose durch eine Badeshorts ersetzt und betrat erneut das Wohnzimmer.

"Na, ausgeschlafen?" Eine fröhliche Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen Sessel, auf dem Rezo gerade seinen Kopf um 180° drehen musste, um ihn anzusehen. Mexi hob unterbewusst seine Hände, um sein Gesicht und besonders seine glühenden Wangen zu verbergen, und nickte ergeben.

Ein leises Lachen kam aus Rezos Richtung. Er klopfte auffordernd auf den Sessel neben sich - genauso wie vorhin, wurde Mexi bewusst. Er setzte sich und sah sich etwas unbeholfen im Raum um.

"Wir haben gerade noch über Ju's Schlafmangel geredet", fing Rezo an, "und dann pennst du einfach instant ein, wenn du dich hinsetzt."

"Ich war halt müde!", verteidigte sich Mexi, der erfolgreich die Röte aus seinem Gesicht vertrieben hatte.

In diesem Moment trat ein oberkörperfreier Ju in Badehose ins Wohnzimmer, ging übertrieben breitbeinig zur Tür, öffnete sie und ging hinaus in den Garten.

"Ey, lass ihn reinschubsen", wisperte Mexi und deutete mit dem Kinn nach draußen, wo Ju gerade die Abdeckplane des Pools entfernte. Rezo nickte eifrig und die beiden erhoben sich, um ihrem Kollegen möglichst unschuldig nach draußen zu folgen.

Ju hatte angefangen, die wenigen Blätter mit einem Kescher zu entfernen. Um ihn abzulenken, baute sich Mexi neben ihm auf und zog sich sein T-Shirt über den Kopf. Der Plan ging auf, Ju's Kopf drehte sich in seine Richtung und Rezo gab ihm einen Schubs, der ihn über den Rand des Pools ins Wasser beförderte. Wellen schwappten über die grauen Steine und die beiden jungen Männer wichen einige Schritte zurück.

Mexi hob auffordernd die Hand und es klatschte, als der andere einschlug.

Rezo schlang einen Arm um die Schultern des Größeren und sah triumphierend auf Ju hinab, der gerade prustend den Kopf aus dem Wasser streckte und sich die Haare aus dem Gesicht strich. Er warf einen halb belustigten, halb wütenden Blick nach oben.

Plötzlich spürte Mexi, wie sich Rezos Arm auf seiner Schulter bewegte. Im nächsten Moment waren zwei Hände auf seinem Rücken und er stolperte vorwärts ins Wasser.

Als er wieder hochkam und sich Wasser aus den Augen rieb, zitierte Rezo gerade den König der Löwen. "Long live the king!"

Mexi schüttelte heftig den Kopf, sodass kleine Wassertropfen durch die Luft flogen.

"Das hast du verdient, Mexi", rief Ju ihm entgegen und zog sich aus dem Pool. Mexi kicherte fröhlich.

Wellen schwappten über seinen Körper, als Rezo sich zu ihm ins Wasser gleiten ließ. Mexi nutzte seine Chance und warf sich förmlich auf den anderen, um ihn unter Wasser zu drücken. Rezo wehrte sich lachend und die beiden rangen miteinander, bis es Mexi gelang, ihn so sehr nass zu spritzen, dass es auch keinen Unterschied mehr machte, ob Rezos Kopf über oder unterhalb des Wasserspiegels war.

Mexis Körper prickelte an allen Stellen, an denen Rezo ihn berührt hatte, und sein Herz klopfte schnell nach ihrer kleinen Rangelei. Der andere fuhr sich durch die Haare und warf ihm einen kurzen, aber durchdringenden Blick zu. Dieser kleine Moment wurde allerdings durch ein Geräusch unterbrochen, das sie herumfahren ließ.

Ju schubste einen rosafarbenen aufblasbaren Flamingo in den Pool und kletterte geschickt auf den Rücken des Plastiktiers. Dann verlor er das Gleichgewicht und fiel zurück ins Wasser.

Mexi schnaubt belustigt. Er spürte, wie sich von hinten jemand näherte, und im nächsten Moment schlang Rezo seine Arme um ihn und legte das Kinn auf seiner Schulter ab. Sein Herz schlug noch immer (oder schon wieder?) rasend schnell. Er überlegte kurz, ob er sich vielleicht auf Bluthochdruck untersuchen lassen sollte, verwarf den Gedanken dann aber wieder und lehnte sich etwas zurück, gegen den warmen Körper hinter sich.

Das hier war zu schön, um wahr zu sein. Halt, was? Mexis Gedankenwelt spielte heute wirklich verrückt. Rezo hatte ihn schon oft so umarmt. So, dass Mexi seinen Atem in seinen Haaren spüren konnte und seinen eigenen Herzschlag in seinen Ohren rauschen hörte. Aber irgendwie war das heute anders. Nicht unangenehm anders, natürlich nicht, aber Mexi bemerkte jetzt andere Dinge: Rezos Aftershave roch an seiner Quelle noch besser als nur an Mexis T-Shirt. Der andere Körper fühlte sich wärmer an als sein eigener. Und als Mexi seinen Kopf leicht zur Seite drehte, entdeckte er eine kaum sichtbare Kerbe in Rezos Augenbraue.

Es war wie wenn man einen Gegenstand so lange anstarrte, bis er seltsam verzerrt aussah, nur, dass Rezo nur noch hübscher wurde, je länger sein Blick auf ihm ruhte.

Mexi war irritiert. Aber jetzt gerade wollte er sich nicht mit seinem sich drehenden Gedankenkarussell auseinandersetzen, deshalb tauchte er aus der Umarmung ab und schwamm zur anderen Seite des Pools, wo er Ju mit einem Schwall Wasser bedachte.

Er hatte besseres zu tun, als nur zu grübeln.


Viel Spaß mit dem neuen Kapitel :D

everything and nothingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt