20. Türchen

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(Johns POV)

Sherlock Holmes und Dr John Watson. John und Sherlock. Sherlock und John. Es hat einfach begonnen und ist kompliziert geendet. Zuerst war Sherlock ein Fremder, jemand, der ebenfalls einen Mitbewohner gesucht hat, dann ein Kollege, ein Partner, irgendwann eine Art von Freund, ein bester Freund. Jetzt ist er das nicht mehr, jetzt ist es anders, das Gefühl seltsam und unser Umgang merkwürdig distanziert. Vielleicht bin nur ich es, vielleicht ist er es auch. Vielleicht liegt es an Weihnachten, vielleicht liegt es daran, dass Sherlock es hasst und es mir gefällt. Aber vielleicht liegt es auch daran, was er für mich ist und was ich für ihn bin.

Sherlock ist mir wichtig. Das weiß ich schon lange, nicht erst seit gestern, doch realisiert habe ich es erst vor vier Monaten. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Ohne seine Launen, ohne die Momente, in denen er so viel Menschlichkeit und Empathie wie ein Stein besitzt, ohne seine sarkastischen Bemerkungen und Witze, über die ich jedes Mal lachen muss, egal, wie es mir geht. Sherlock ist besonders. Er ist anstrengend, und dann wieder unglaublich einfach. Er ist kompliziert und gleichzeitig ist er es nicht. Er ist gleichgültig und fürsorglich. Und er ist mein ganzes Leben.

Ich weiß nicht, wann das angefangen hat, wann ich begonnen habe, mich so zu fühlen, wenn er da ist, und auch, wenn er es nicht ist. Wann diese ständige Sehnsucht in mir aufgetaucht ist und beschlossen hat, nie wieder zu verschwinden, wann in mir der Wunsch entstanden ist, ihm nah zu sein, von ihm berührt zu werden, in seinen Armen zu liegen. Seit Monaten will ich nichts anderes mehr.
Unsere Fälle löst Sherlock mittlerweile fast allein, noch mehr, als er es sowieso tut, weil ich mich nicht konzentrieren kann, wenn er da ist. Ich glaube, er weiß gar nicht, wie verboten gut er aussieht, egal, was er trägt und tut. Wie betörend er riecht und wie verführerisch das funkelnde Blau seiner Augen ist, wenn er sich in einem Fall verliert. Wenn ich ihn so schauen sehe, wünsche ich mir, er würde das auch tun, wenn er mich ansieht. Aber das tut er nicht.

Zuerst wollte ich es ihm sagen. Der Zeitpunkt war gut - wir wurden mal wieder beschossen und unsere Überlebenschancen waren nicht besonders hoch - aber das Gefühl war es nicht. Ich habe Sherlock angesehen und mich neben ihm an die Mauer gepresst, hinter der wir uns versteckt haben, und gewusst, dass ich es ihm niemals sagen kann. Nicht, weil ich mich schäme, weil ich Angst vor seiner Reaktion habe, sondern vor allem, weil ich nicht in Worte fassen kann, was ich fühle, wenn er da ist, wenn er mich ansieht, mich berührt, wenn er lacht, wenn er mir etwas auf der Geige vorspielt, wenn er von hinten an mich herantritt, wenn er in meiner Nähe ist und wenn er das nicht tut.

Ich habe es ihm nicht gesagt und jetzt verzweifle ich daran, daran und an meinen Gefühlen, die immer stärker und quälender werden. Ich wünschte, ich könnte mit jemanden darüber reden, mit jemanden, der es versteht. Ich dachte, ich hätte Greg, ich dachte, er würde auch so fühlen wie ich mich fühle, könnte mir vielleicht helfen. Wir lieben beide einen Holmes, aber unsere Geschichten haben nicht dasselbe Ende.

„Es interessiert ihn nicht, John", hat Greg gesagt und dabei so schrecklich mitleidig geschaut, dass ich am liebsten gegangen wäre. „Er denkt nicht die ganze Nacht an dich, so wie du vielleicht an ihn denkst, er erzählt nicht so von dir wie du von ihm. Er erzählt kaum von dir oder davon, dass du ihm fehlst, wenn du nicht da bist. Er hat deinen Geburtstag vergessen, weil ihm ein Fall dazwischengekommen ist, ein dämlicher Fall, John, den wir auch ohne euch gelöst hätten. Er erinnert sich nicht daran, was du gerne magst und was nicht, er weiß nicht, wie es dir geht oder was dich beschäftigt, weil er nie danach fragt.
John, er interessiert sich nicht so für dich wie du dich für ihn und er wird es auch nicht tun, wenn er weiterhin so ist, wie er eben ist. Und du hältst ihn immer weiter fest, obwohl es viel besser für dich wäre, ihn einfach loszulassen. Er liebt dich nicht, John. Und das tut mir wirklich leid."

Johnlock Adventskalender || LemonleliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt