21. Türchen

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(Johns POV)

„Was haben Sie noch mit dem Inspektor zu besprechen gehabt?"

Sherlocks Frage kommt plötzlich, genau zwischen dem Hirschgulasch und dem Vanilleeis - welches er mir natürlich nicht von meinem Körper lecken wird. Dagegen gehabt hätte ich trotzdem nichts.

„Äh ...", mache ich überrumpelt, weil mir keine gute Ausrede einfällt. Sowieso fällt mir verdammt wenig ein, wenn er da ist. Zumindest wenig, was auch intelligent klingt. Zu seinen Augen und seinen Lippen und seiner Haut und seiner Stimme und den vielen anderen Dingen, die ich so sehr begehre, könnte ich dagegen einen mindestens dreistündigen Monolog vortragen.
„Gar nichts, eigentlich." Toll gemacht, John. Ich gebe mir Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen.
„Und wieso formt er dann einen Kreis mit seinen Fingern und steckt sie-"
„Es war nur ein Witz", unterbreche ich ihn hastig. Mir schießt die Hitze in die Wangen, als Sherlock daraufhin skeptisch die Augenbrauen hebt. „Wollen Sie noch etwas Vanilleeis?"

Sherlock mustert mich aus nachdenklich zusammengekniffenen Augen und ich weiß ganz genau, was er da gerade tut. Nämlich das, was er immer macht, wenn er aus jemanden nicht schlau wird. Was ziemlich selten der Fall ist. Sollte es mich also rühren, dass er mich nicht sofort lesen kann, obwohl ich stets wie ein offenes Buch für ihn bin?

„Und warum-", beginnt Sherlock erneut und wird von dem Vanilleeis zum Schweigen gebracht, welches ich ihm in den Mund schiebe, ohne auch nur darüber nachzudenken, was ich da eigentlich tue. Sherlock starrt mich beinahe verdutzt an und ich bin kurz davor, in mein Zimmer zu stürzen und mich dort für den Rest meines Lebens zu verstecken. Sherlock sieht verboten anziehend aus und ich fühle mich schrecklich ausgeliefert.
Seine Lippen sind benetzt von einer dünnen Schicht Eiscreme und ich würde sie ihm am liebsten fortküssen. Dann, ganz langsam, leckt er sich über die Lippen, und ich verfolge diese Bewegung gebannt mit den Augen. Wieso muss er ständig und überall so verflucht heiß aussehen?!

„John", sagt Sherlock und seine tiefe Stimme vibriert sanft durch mich hindurch. „Sie starren."
Ich blinzle, werde mir erst jetzt darüber bewusst, wie offensichtlich ich ihm noch immer auf den Mund starre, und wende verlegen den Blick ab.
„Wieso starren Sie?"
„Sie ... äh ... Sie hatten da noch etwas Eis im Mundwinkel", nuschle ich überfordert. „Tut mir leid."
„Sie sagen das oft zu mir."
„Ich fühle es oft."

Ich starre ihn an und Sherlock schaut zurück. Hinter dem kalten Blau seiner Augen arbeitet es, ich kann es sehen, es beinahe hören. Ich bete, er würde nicht nachfragen, und weiß, dass er genau das tun wird - oder seine Antworten auch ohne das zu tun finden wird. Wieso kann ich nicht einfach den Mund halten? Wieso fällt es mir so schwer und Sherlock so leicht?
Oh Gott, seine Augen.

„Sie fühlen sich nicht gut genug?"

Sherlocks Stimme ist leiser und tiefer geworden und ich habe das Gefühl, unter seinem Blick in tausend kleine Stücke zu zerbrechen. Als würde er in jede Ecke meiner Seele schauen können, in meinem Herz herumstochern und meine Mauern niederreißen, nur mit diesem einen, verdammten Blick. Und ich hasse und liebe, dass es so ist.

„Sie antworten mir nicht", stellt Sherlock das Offensichtliche fest. „Das bedeutet, dass es stimmt."

Ich verziehe das Gesicht, schüttle den Kopf und stehe auf, weil ich es nicht ertragen kann, Sherlock so nah zu sein. Nicht körperlich, sondern emotional. Ich ertrage es nicht, so offen und verletzlich zu sein.

„Ich weiß nicht, ob ich so ein Gespräch mit Ihnen führen möchte", sage ich und klinge dabei härter, als ich es beabsichtigt habe. „Sie sind mit Ihrer Arbeit verheiratet, Sie erinnern sich? Sie interessiert es nicht, wie es anderen geht, Sie interessiert es nicht, was sie belastet, sie beschäftigt, was sie nachts um den Schlaf und tagsüber um den Verstand bringt. Es ist Ihnen egal. Und das akzeptiere ich. Ich akzeptiere sogar, dass es Sie auch bei mir nie gekümmert hat. Aber verschonen Sie mich damit."

Johnlock Adventskalender || LemonleliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt