XXIX - Sternzeichen, Mauern und Erinnerungen

19 2 0
                                    


Jahr 350 nach dem Götterkrieg, Winter

Fort Carraig an Iarainn, Kaiserreich


Casidhe und Sara hatten sich gut um ihn gekümmert und ihm dann seine Ruhe gelassen. Seine Nerven hatten sich mit der Zeit auch wieder beruhigt und die Scham über sein Verhalten hatte ihn auch dann noch eine Weile still sitzen lassen. Den Becher in beiden Händen und den Blick in die Leere darin gerichtet.

Sara und Casidhe waren zunächst auch stumm dagesessen, hatten sich dann aber wieder ihrem Thema zugewandt. Auch, wenn Saras Blick gelegentlich zu ihm schweifte.

Einen Großteil verstand Áed nicht richtig. Es schien ihm sehr philosophisch. Bisweilen metaphysisch. Die Netze der Welt. Verteilung von Energie. Wandel der Netze. Empfindung der Netze. Generell schien es viel um unsichtbare Netze oder Gewebe zu gehen. Doch sie beide schienen zu verstehen. Casidhe beharrte noch immer darauf, dass Sara wohl dem Wasser zugeneigt war. Sie verneinte.

"Ich bin unter der Schlange geboren. Es ist unmöglich. Schwert? Vielleicht. Aber nicht so."

"Ich verstehe, dass Eure Ausbildung dies besagt. Zu einem großen Teil stimmt es auch. Doch niemand mit einer Affinität zum Feuer weist eine derartig schnelle Wundheilung auf."

"Das ist Euer Stand. Ich gebe zu, es hätte deutlich länger dauern sollen, doch es ist nicht derart ungewöhnlich."

"Habt Ihr schon einmal in Betracht gezogen, dass das Geburtszeichen vielleicht keinen so großen Einfluss auf uns hat, wie Ihr meint? Wie es die Bücher sagen. Sicher kann es sein, dass es uns formt, doch kann ich mir gut vorstellen, dass es mehr gibt, das uns beeinflusst. Vielleicht wandeln wir uns auch mehr als viele vermuten."

"Was soll ich dagegen argumentieren? Das sind alles Hypothesen. Wovon ich mir sicher bin: Ich bin unter der Schlange geboren. Unter all meinen Lehrern wurde ich unter dem Feuer eingestuft. Feuer war das einzige Netz, das ich auch nur in kleinster Weise wandeln konnte." Sara hatte diese Punkte wohl bereits alle einmal vorgebracht und war wenig erfreut, es erneut zu tun. Nein. Falsch. Es war... Die erschöpfte Stimmlage, in die man oft verfällt, wenn man mit seiner eigenen Erklärung nicht zufrieden ist. Die Fakten nicht mit dem Bild, das man hatte, übereinstimmen. Hilflosigkeit? Áed wollte sich nicht mit seiner eigenen Lage beschäftigen und so kreisten seine Gedanken um die subtilen Details von Saras Tonfall. Zu diesem Zeitpunkt schwand auch seine Aufmerksamkeit wieder etwas und die Unterhaltung war nur noch ein Hintergrundgeräusch. Er wusste nicht, wie er sich daran beteiligen sollte, also tat er es nicht. Er wollte nach mehr Tee fragen, doch das hätte sie unterbrochen, also tat er es nicht.

Casidhe winkte ab. "Was immer der Grund ist, bitte schont euch dennoch. Ihr könnt noch früh genug nach Osten ziehen. Und so lange diese Dinger gegen die Mauer anrennen, kommt Ihr nicht durch das Tor."

"Ja.... Ja. Ich weiß. Und ich würde es auch begrüßen, den Weg nach Merun ohne Verfolgung zurückzulegen. Zudem wir sie wohl nicht ins Herz des Kaiserreiches führen sollten. Casidhe, Ihr seid schon eine Zeit lang hier. Wie steht es um die Mauern? Wie um die Männer und Frauen hier? Können wir einer Belagerung standhalten? Und wie lange? Haben wir Vorräte?"

"Das sind alles Dinge, die ihr den Hauptmann fragen solltet. Ich wohne hier und versorge die Truppen. Ich bin nicht weniger Zivilist als ihr es jetzt wohl seid."

"Ihr lebt wie lange hier? Kommt. Gebt mir eine Einschätzung. Ich hasse es nicht zu wissen, wie meine Lage ist. Was ist mit den Mauern? Sie sehen stabil aus, aber werden sie öfter repariert? Was ist mit dem Tor."

Sie waren vier Tage hier. Mauern und Tor hatten sie oft genug gesehen. Sie würden halten. Die Fragen würden zu keinem Ziel führen. Auch die Soldaten hatten einen guten Eindruck gemacht.

Necrosis (Weltentod I) [Deutsch]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt