4 - Pico im Energiesparmodus

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Nachdem sich auch die anderen Teilnehmer vorgestellt haben – natürlich ganz ohne Blamage – verfällt Lowan einem kurzen Monolog. Statt mich auf seine Worte zu konzentrieren, starre ich gebannt auf seine Lippen.

Oh man, warum ist er so verdammt attraktiv? Das ist echt unfair!

„Beim Rückruftraining gibt es sechs Grundregeln, die ihr befolgen müsst." Lowan macht eine Pause. Trotz der Sonnenbrille, die unverändert auf seinem Nasenrücken thront, habe ich das Gefühl, als würden sich seine Augen geradewegs in die meinen bohren.

Sofort breitet sich eine angenehme Gänsehaut auf meinem Körper aus.

„Misserfolg vermeiden! Kein Spaß bei Missachtung! Immer belohnen! Präzise Signale! Keine Strafen bei Annäherung! Und souverän bleiben!"

Obwohl ich keine Ahnung habe, wovon Lowan da eigentlich spricht, bemühe ich mich um einen interessierten Gesichtsausdruck und nicke ab und zu. Hoffentlich fällt ihm nicht auf, wie planlos ich in Wirklichkeit bin.

Während die anderen Kursteilnehmer ein paar Verständnisfragen bezüglich der sechs Grundregeln stellen, bin ich einfach nur froh, dass Pico noch immer mit ihrem Kauknochen beschäftigt ist und nicht meine Nerven strapaziert. Je mehr Minuten verstreichen, in denen sich die Hündin und ich nicht gegenseitig umbringen, desto besser.

„Hast du auch noch irgendwelche Fragen, Shirley?", zwingt mich Lowans Stimme irgendwann dazu, meinen Blick von Pico zu lösen. Verlegen schaue ich zu dem Hundetrainer hinüber, ehe ich überfordert stammele: „Äh nein, alles gut."

Der perfekte Moment, um ihn nach seiner Handynummer zu fragen, ist das nämlich gerade nicht. Oder?

„Okay." Lowan klatscht motiviert in die Hände. „Dann möchte ich euch einmal bitten, dass ihr euch ein präzises Rückrufsignal für eure Hunde überlegt – natürlich nur, falls ihr noch keins habt."

Ein was? Wie eigentlich schon die ganze Zeit habe ich keinen blassen Schimmer, was Lowan von mir verlangt.

Oh je, ich bin wirklich eine miserable Hundeliebhaber-Schauspielerin! Ein Wunder, dass mich Lowan noch nicht durchschaut hat.

Zum Glück gibt mir der Lockenkopf einen kleinen Denkanstoß, denn nur wenige Sekunden später verrät er: „Die meisten Hundebesitzer, mit denen ich zusammenarbeite, nutzen Komm! oder Hier! als Rückrufsignal. Ihr dürft euch aber gerne auch etwas anderes überlegen."

Beweg deinen Arsch, du fauler Köter! ist damit wahrscheinlich nicht gemeint, oder?

Um nicht erneut aus der Reihe zu tanzen, entscheide ich mich einfach für „Pico, komm!" als Rückrufsignal. Die Tatsache, dass Sias Hündin sowieso nicht auf mich hören wird, verdränge ich gekonnt in die hintersten Ecken meines Kopfes.

Lowan gibt uns ein paar Minuten Zeit, damit wir uns ein geeignetes Signal überlegen können. Danach erklärt er uns die erste Trainingsaufgabe. „Ihr verteilt euch gleich auf der Wiese und nehmt eure Hunde an die Schleppleine. Dann werft ihr ein gut sichtbares Leckerchen von euch weg. Sobald eure Hunde das Leckerchen gefunden haben und sich wieder zu euch umdrehen, werft ihr das nächste. Nach ein paar Wiederholungen könnt ihr damit anfangen, euer Rückrufsignal mit einzubinden."

Während die anderen Kursteilnehmer nicken, verstehe ich mal wieder nur Bahnhof.

Warum muss Lowan auch ausgerechnet in Hunde- und nicht in Menschensprache reden? Abgesehen von Katzisch ist mir die Sprache der Tiere total fremd.

Damit meine Ahnungslosigkeit nicht auffällt, wende ich mich erstmal Pico zu, um ihr den Kauknochen wegzunehmen. Sobald sich meine Fingerspitzen auch nur dem ekelig riechenden Teil nähern, fletscht die Hündin ihre Zähne und knurrt mich böse an.

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