Sitz, Platz, Bleib für immer!

1 - Retter in der Not

Sia oder die Münze: Wen verfluche ich aktuell wohl mehr?

Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beiden, immerhin haben sie sich als Team gegen mich verschworen und mich somit einem grausamen Schicksal ausgesetzt.

Innerlich hatte ich die Hoffnung, dass Sia die Sache mit den Blind Dates vergessen oder Mitleid mit mir bekommen würde, aber natürlich war das nicht der Fall. Direkt am Montag, als sie nicht mehr von ihrem Kater geplagt wurde, hat sie zwei Blind Dates für uns organisiert. Eins für sich selbst und eins für mich.

Eigentlich dachte ich, wir würden gemeinsam auf ein Blind Date gehen, aber da habe ich meine Rechnung ohne Sia gemacht.

„Du gehst allein, Sherry", hat sie zu mir gesagt. „Nicht, dass du mir noch die Show stiehlst!"

Mehr als nur einmal habe ich überlegt, das Blind Date wieder abzusagen, doch letztendlich war es mein schlechtes Gewissen, das mich davon abgehalten hat - und eventuell auch Sias Drohung, ihren Kampfhund auf meinen Kater Mister Miez loszulassen.

Heute ist Freitag, der Tag der Wahrheit.

Schon seit etwa einer Stunde sitze ich gemeinsam mit meinem Blind Date in einer Eisdiele auf dem Marktplatz und kann mir seine Monologe über Meerestiere anhören.

Eigentlich dachte ich, dass ein Mathefanatiker an Langeweile nicht zu übertreffen sei, doch der Biologieliebhaber, der grinsend vor mir hockt, ist ebenfalls eine Zumutung.

Sein Name ist Josh, er ist 27 Jahre alt und studiert, oh Wunder, Meeresbiologie. Mit den braunen Knopfaugen und den schwarzen Wuschellocken sieht er wirklich niedlich aus, aber sobald er seinen Mund öffnet, kann ich nur noch an einen Forscher in Tauchanzug denken.

Josh ist schlimmer als Sia, viel schlimmer sogar! Er plappert wie ein Wasserfall und scheint weder das Wort Pause noch das Wort atmen zu kennen.

Das beweist er mir auch in diesem Moment wieder.

„Wusstest du eigentlich, dass die ersten Haie schon lange vor den Dinosauriern gelebt haben, Shirley?", fragt mich Josh begeistert, nachdem er für eine Millisekunde an seinem Milchshake genippt hat.

Kann er nicht etwas schneller trinken? Jeder normale Mensch hätte in einer Stunde mindestens vier Milchshakes verdrückt, aber Josh hat gerade mal die Hälfte seines ersten Getränkes geschafft.

„Äh nein, das wusste i-"

Josh lässt mich nicht ausreden. Wie ein kleines Kind, das über sein neues Lego-Auto schwärmt, erzählt er mir: „2019 wurde in der Nähe des Atlasgebirges in Marokko ein Fossil von einem Hai gefunden, der vor ungefähr 370 Millionen Jahren gelebt hat. Wahnsinn, oder?!"

Josh zuliebe zwinge ich mich zu einem Nicken.

Um ehrlich zu sein habe ich schon nach den ersten fünf Minuten überlegt, unser Date abzubrechen, aber das hätte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können. Obwohl mir Joshs Gefasel am Allerwertesten vorbeigeht, sehe ich ihm an, wie glücklich ihn unsere Unterhaltung – oder besser gesagt sein Monolog – macht.

Vermutlich, weil ich eine der Wenigen bin, die nicht sofort schreiend wegläuft, wenn er seine ganzen Fakten über die Unterwasserwelt auspackt.

„Haie haben übrigens ein Revolvergebiss. Das ist echt total cool!", verrennt sich Josh in seiner Leidenschaft für Haie. „Wenn ihnen ein Zahn abbricht, dann wird er einfach ersetzt. Manche Haie können bis zu 30.000 Zähne in ihrem Leben benutzen."

Wieder nicke ich so mechanisch wie ein Roboter.

Während Josh danach etwas von Knorpelfischen, schwimmenden Nasen und Menschenblut faselt, schalte ich meine Ohren auf Durchzug.