15 - Reinen Tisch machen

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Wie ein Häufchen Elend hocke ich auf der Hundewiese und lasse meinen Tränen freien Lauf.

Ich habe keine Ahnung, warum ich heute so ein Angsthase bin, aber ich traue mich einfach nicht, Lowan um Verzeihung zu bitten. Wahrscheinlich fürchte ich mich zu sehr davor, dass er mir nicht vergeben kann und mich infolgedessen für immer aus seinem Leben streichen wird.

Entgegen meinen Erwartungen vergeht die Zeit wie im Flug und ehe ich mich versehe, ist das Training beendet. Während die anderen Teilnehmer gemeinsam mit ihren Fellnasen den Heimweg antreten, bleibe ich weiterhin im Gras sitzen.

Ich spüre, wie mir Pico die Tränen von den Wangen leckt, und kraule sie intensiver hinter den Ohren.

Dass mir die ungezogene Hündin meiner besten Freundin mal so viel Trost spenden würde, habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet.

Tja, scheinbar ist Pico immer für eine Überraschung gut, nicht wahr?

„Shirley?", ertönt plötzlich Lowans verunsicherte Stimme. Obwohl ich die Augen geschlossen habe, kann ich seine Präsenz deutlich neben mir spüren. Auch sein intensiver Zitrusgeruch steigt mir in die Nase und setzt sich dort fest. „Ist ... Ist alles okay?"

Ich kann Lowan anhören, wie schwer ihm dieses Gespräch fällt. Verwerflich ist das aber nicht, denn eigentlich sollte ich diejenige sein, die auf ihn zugeht, und nicht andersherum.

Da meine Schuldgefühle an Größe gewinnen und ich sie nicht kontrollieren kann, stoße ich ein verzweifeltes Schluchzen aus. In derselben Sekunde schüttele ich den Kopf und gebe dann ein gestammeltes „N-Nein" von mir.

Lowan seufzt. „Was ist denn los?"

Neue Tränen lösen sich aus meinen Augen und strömen unaufhaltsam über meine Wangen. „Ich ... Dir ... Wehgetan ... Entschul-" Die Schluchzer spülen meine Stimme hinfort.

Gott, wie erbärmlich bin ich eigentlich gerade?

Statt mich endlich bei Lowan zu entschuldigen und ihm ein Kompliment für seine Augen zu machen, heule ich wie ein kleines Baby und stelle mich selbst als Opfer dar, obwohl ich die Täterin bin. Ganz toll ...

Damit ich mich nicht noch mehr vor Lowan blamiere, konzentriere ich mich nun auf meine abgehackte Atmung. Schon nach wenigen Sekunden merke ich, wie sich mein Herzschlag reguliert und die Tränen langsam versiegen.

‚Reiß dich gefälligst zusammen, Shirley!'

Ich wische mir noch einmal mit der Handfläche über meine nassen Augen, ehe ich mich aufrichte und dann Lowans Blick suche. Tiefe Atemzüge flattern aus meinem Mund und helfen mir dabei, meine innere Ruhe wiederzufinden.

Jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich stark genug bin, für meine Fehler einzustehen!

„Es tut mir leid, dass ich am Wochenende so blöd reagiert habe!", schaffe ich es, mir einen Teil meines Kummers von der Seele zu sprechen. „Ich war einfach überwältigt, weil du so schöne blaue Augen hast, Lowan. Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin, dir das zu sagen, aber meiner Meinung nach gibt es keinen Grund, warum du dich hinter deiner Sonnenbrille verstecken musst." All diese Worte rattere ich in nur einem einzigen Atemzug herunter.

Ich kann Lowan ansehen, dass er gerne etwas erwidern möchte, aber bevor mich mein Mut wieder verlässt, komme ich ihm zuvor, indem ich ehrlich gestehe: „Ich mag dich total gerne und bin auf dem besten Weg, Gefühle für dich zu entwickeln. Es war wirklich nicht meine Absicht, dich zu verletzen!"

„Okay." Das ist alles, was Lowan sagt.

„Okay?", wiederhole ich deshalb verunsichert.

„Okay wie Ich verzeihe dir, Shirley!" Lowan lächelt mich versöhnlich an, sodass mir ein riesiger Felsbrocken vom Herzen fällt. Nie im Leben hätte ich erwartet, dass er mir glauben und so schnell meine Entschuldigung annehmen würde. Umso glücklicher bin ich nun, dieses blöde Missverständnis aus dem Weg geräumt zu haben.

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