10 - Picos Glücksbringer

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Als das Hundetraining nach einer gefühlten Ewigkeit endlich zu Ende ist, bin ich fix und fertig mit meinen Nerven. Das Gebet zum Hundegott hat leider auch nichts gebracht, denn Pico war wie immer außer Rand und Band und hat ihre Ohren permanent auf Durchzug gestellt.

Nur wenn Lowan bei ihr war, hat sie auf einmal das Engelchen heraushängen lassen und sich wie eine Eins A Musterschülerin verhalten.

Ihr falsches Spiel geht mir total auf den Zeiger, aber blöderweise habe ich keine Ahnung, was ich dagegen tun soll, ohne aufzufliegen.

Während sich die anderen Kursteilnehmer nun von Lowan verabschieden und danach wie gesittete Menschen und Hunde die Wiese verlassen, habe ich damit zu kämpfen, Pico nicht an ihren Ohren zum Ausgang schleifen zu müssen.

„Na komm, du braves Super-Hündchen!", versuche ich sie mit einem Leckerchen zu locken. „Je schneller wir von hier verschwinden, umso eher siehst du dein Frauchen wieder!" Und umso eher habe ich auch meine Ruhe ...

Eine Win-Win-Situation also, richtig?

Zum Glück setzt sich Pico nach kurzem Zögern langsam in Bewegung. Wir haben gerade das Ende der Wiese erreicht, da taucht Lowan plötzlich an meiner rechten Seite auf. Ein schüchternes Lächeln umspielt seine Lippen, als er mich fragt: „Soll ich euch zwei noch nach Hause begleiten?"

Mein erster Impuls ist es, in die Luft zu springen und vor Freude zu kreischen. Sobald mein Blick allerdings an dem weißen Wollknäuel hängenbleibt, legen sich Ketten aus Stahl um meine Euphorie.

Bestimmt würde es keinen guten Eindruck bei Lowan hinterlassen, Pico wie einen leblosen Gegenstand hinter mir herzuzerren und sie mit Schimpfwörtern zu überhäufen, oder? Außerdem würde es vermutlich nicht mal eine Minute dauern und schon hätte der Hundetrainer mein falsches Spiel durchschaut.

Verdammt! Was soll ich denn jetzt machen?

Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren, bis es endlich eine geniale Idee ausspuckt. „Sehr gerne!", beantworte ich Lowans Frage mit einem fröhlichen Lächeln. „Könntest du Pico dann eventuell an die Leine nehmen? Ich würde mir gerne mal ein paar Tricks von dir abschauen."

Lowan wirkt zwar überrascht, aber immerhin nickt er. Er schließt noch schnell das Törchen, das auf die Hundewiese führt, ab und nimmt danach Picos Leine an sich.

Als würde die Hündin spüren, dass nun Lowan die Kontrolle über sie hat, richtet sie sich auf, wedelt freudig mit dem Schwanz und tapst munter über den Gehweg.

Oh man ... Bin ich wirklich so eine schlechte Hundehalterin? In Lowans Gegenwart ist Pico überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen.

Die ersten Minuten schweigen sich der Lockenkopf und ich an. Ich genieße die Stille, die mich umgibt, und atme den herrlichen Blumengeruch, der wie ein Schleier durch die Luft wabert, ein. Der Himmel färbt sich bereits an einigen Stellen orange und wird von Kondensstreifen durchzogen. In der Ferne höre ich das Zwitschern von Vögeln gepaart mit Kinderlachen.

Müsste ich nicht alle zehn Meter stehenbleiben, damit Pico ihre Nase in irgendeinen Busch halten kann, wäre dieser Moment rundum perfekt.

Ich seufze und lasse dann meinen Blick zu Lowan hinüberwandern. Seine Gesichtszüge sind entspannt und obwohl ich seine Augen nicht sehen kann, bilde ich mir ein, dass sie funkeln.

Es kostet mich meinen ganzen Mut, nach Lowans freier Hand zu greifen und leise zu sagen: „Ich fand unser Date am Hafen übrigens richtig schön."

Kaum sind meine Worte vom Winde verweht, dreht Lowan seinen Kopf zu mir und schenkt mir ein zuckersüßes Lächeln.

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