Als ich Sias Wohnung am frühen Abend betrete - zum Glück hat sie mir mal im betrunkenen Zustand das Versteck ihres Ersatzschlüssels verraten -, erwartet mich meine beste Freundin bereits auf dem Sofa. In ihrer Hand schwenkt sie immer wieder ein Weinglas, das beinahe bis zum Rand gefüllt ist, hin und her.
Oh je, entweder war ihr Blind Date ebenfalls ein Reinfall oder sie versucht gerade, ihre Gefühlsduselei im Alkohol zu ertränken.
„Sia?", mache ich unsicher auf mich aufmerksam.
Bei dem Klang meiner Stimme zuckt sie kurz zusammen, ehe sie ihren Blick hebt und mich gutgelaunt angrinst. „Na Sherry? Alles klar im BH?"
Okay, scheinbar war ihr Blind Date doch kein Reinfall. Wehe, sie erzählt mir gleich was von heißen Surflehrern ...
Da ich Sias breitem Grinsen unbedingt auf den Grund gehen möchte, ignoriere ich zunächst ihre Fragen und stelle ihr stattdessen eine Gegenfrage. „Wie war dein Date?", erkundige ich mich neugierig bei ihr. „Habt ihr Nummern getauscht? Seid ihr schon im Bett gewesen? Wie sieht es mit der Hochzeitsplanung aus? Wann-"
„Stopp, Stopp, Stopp!", unterbricht mich Sia lachend. „Mein Date war der absolute Horror! Ich habe es direkt nach zwei Minuten abgebrochen!"
„Was?!"
„Ja, richtig gehört." Sia seufzt. Dann klopft sie auf die freie Stelle neben sich, damit ich mich zu ihr auf das Sofa setze.
Gesagt, getan.
„Mein Blind Date war ein 40-jähriger frisch geschiedener Familienvater", murrt sie unzufrieden. „Ich habe ihm sofort gesagt, dass ich kein Interesse habe, und bin gegangen."
Auch wenn es mir natürlich ein bisschen leidtut, dass das Date nicht so verlaufen ist, wie es sich meine beste Freundin gewünscht hat, keimt ein winziger Funken Schadenfreude in mir auf.
Das ist dann wohl das Karma, von dem immer alle sprechen.
Hätte sie mich nicht zu diesem Schwachsinn überredet, hätte sie auch nicht diese unschöne Erfahrung machen müssen.
„Also nie wieder Blind Dates?", frage ich Sia hoffnungsvoll.
„Nie wieder Blind Dates!" Um ihre Worte zu unterstreichen, schnappt sie sich ihr Weinglas, prostet mir einmal zu und leert es dann in nur drei Zügen. „Jetzt musst du aber erstmal erzählen, wie es bei dir war, Sherry. Schlimmer geht's ja eigentlich nicht mehr, oder?"
„Oh Süße, glaub mir: Schlimmer geht immer!"
Ich berichte Sia von Josh und seiner Vorliebe für die Meeresbewohner. Auch die Fakten über die Haie, die er mir an den Kopf geknallt hat, verschweige ich ihr nicht.
Ein bisschen unnützes Allgemeinwissen schadet schließlich niemandem, richtig?
Natürlich erzähle ich Sia danach auch von meinem attraktiven Retter Lowan. Während ich spreche, schneidet sie die ganze Zeit alberne Grimassen oder wirft mir Kussmünder zu.
„Man, Sia!", ärgere ich mich über sie. „Das ist nicht lustig! Hilf mir mal lieber dabei, einen Plan zu entwickeln, wie ich ihn wiedersehen kann. Ich habe keine Ahnung, wo ich mit der Suche anfangen soll."
Als würden meine Worte irgendein Wunder bewirken, verschwindet Sias dämliches Grinsen. Stattdessen entsperrt sie ihr Handy und tippt danach wie bescheuert auf ihrem Display herum.
„Was machst du da?", frage ich sie genervt. Der neuste Klatsch und Tratsch auf Instagram kann ruhig warten. Meine Probleme sind gerade viel wichtiger!
„Ich gucke in meiner Hot-Liste, ob ich einen Lowan finde."
Im ersten Moment denke ich, dass mich Sia bloß auf den Arm nehmen möchte, doch als sie auch nach mehreren Minuten keine Miene verzieht, realisiere ich, dass sie ihre Worte ernstmeint.
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Sitz, Platz, Bleib für immer!
HumorShirley Jackson ist vermutlich das, was man unter einer Katzenliebhaberin verstehen würde. Hunden hingegen kann sie außer einer kurzen Streicheleinheit recht wenig abgewinnen. Warum sollte Shirley auch Gassi gehen oder Stöckchen werfen, wenn sie sta...