9 - Trainingsweltmeister

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Das Date am Hafen ist wunderschön. Lowan und ich finden die ganze Zeit neue Gesprächsthemen und lachen viel miteinander.

Obwohl Lowan häufig über die Hundeschule, Lightning McQueen und mein tolles Verhältnis zu Pico spricht, habe ich das Gefühl, dass wir auf derselben Wellenlänge schwimmen. Umso trauriger ist es dann auch, als wir nach dem Sonnenuntergang aufbrechen und den Heimweg antreten.

Innerlich habe ich die Hoffnung, dass zum Abschied ein Kuss fallen wird, aber mehr als eine Umarmung ist leider nicht drin.

Na ja, ich nehme, was ich kriegen kann, richtig?

Die nächsten Tage, in denen ich Lowan nicht sehe, sitze ich auf heißen Kohlen. Wenn ich Sia nicht gerade mit meiner Schwärmerei über den Hundetrainer nerve, liege ich zuhause mit Mister Miez in meinem Bett und stalke Lowans Instagram Account.

Da ich es kaum erwarten kann, ihn endlich wiederzusehen und in seiner Nähe zu sein, stehe ich am Mittwochabend schon eine Viertelstunde vor Kursbeginn vor der eingezäunten Wiese, auf der das zweite Hundetraining stattfinden wird.

Dass Pico genauso wenig Lust auf unsere Zweisamkeit hat wie ich, verraten mir ihr trottender Gang und ihr genervter Blick.

„Du musst mich gar nicht so blöd angucken, Madame!", ermahne ich die Hündin mit erhobenem Zeigefinger. „Manchmal frage ich mich echt, ob Sia dich wirklich aus dem Tierheim geholt oder nicht doch beim Schrottwichteln gewonnen hat ..."

Daraufhin fletscht Pico ihre Zähne und kommt mir gefährlich nahe.

„Ist ja gut!", hebe ich sofort versöhnlich die Hände in die Luft. „Krieg dich wieder ein, du Dramaqueen!"

Im Einklang mit meinen Worten lässt sich Pico auf ihren Allerwertesten plumpsen und leckt sich genüsslich über die Pfoten. Bestimmt ist sie vorher in Hundescheiße getreten - das würde jedenfalls ihren permanenten Mundgeruch erklären.

Als wäre es nicht schon schlimm genug, meine wertvolle Freizeit für eine Nervensäge wie Pico zu opfern, erscheint Lowan heute erst kurz vor knapp, sodass ich mich nicht mehr mit ihm unterhalten kann.

Während er und die anderen Kursteilnehmer ganz normal die Wiese betreten, muss ich Pico gewalttätig hinter mir herziehen. Da sich die Hündin extra schwer macht, bin ich außer Atem und wahrscheinlich knallrot im Gesicht, als ich den Mittelkreis erreicht habe.

Vermutlich ist es keine gute Erziehungsmethode, aber damit Pico ihre Klappe hält und mich nicht weiterhin zur Weißglut treibt, werfe ich ihr einen Kauknochen vor die Pfoten. Direkt stürzt sie sich auf das Ding und fängt damit an, es auseinanderzupflücken.

Für ein paar Sekunden ruht mein Augenmerk noch auf der schmatzenden Hündin, bis Lowan irgendwann das Wort ergreift und mich ablenkt. „Herzlich Willkommen zu unserer zweiten Stunde", begrüßt er uns mit einem fröhlichen Lächeln. „Ich hoffe, ihr habt in der letzten Woche fleißig mit euren Vierbeinern geübt."

Moment, was?! Wir sollten üben?

Ertappt lasse ich meinen Blick zu Boden gleiten. Hoffentlich haben die anderen Kursteilnehmer die Sache mit dem Üben auch nicht so eng gesehen, denn sonst wird es gleich extrem peinlich für mich.

„Shirley?", durchbricht Lowans Stimme die Mauer zu meinen Gedanken. „Wie hat es letzte Woche bei Pico und dir geklappt?"

Obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, hebe ich langsam den Kopf. Lowan steht ungefähr zehn Meter entfernt von mir und mustert mich. Auch wenn er mal wieder seine Sonnenbrille trägt, bilde ich mir ein, dass sein Gesicht von einem Schleier aus Neugierde umhüllt wird.

Verdammt! Ich hätte mich nicht nur durch Instagram klicken, sondern meine nicht vorhandene Bindung zu Pico stärken sollen.

Na ja, jetzt ist es eh zu spät ...

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