•Kapitel 9•

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Unten angekommen fand ich mich in einer dunklen Eingangshalle vor, weshalb ich einen Moment brauchte um mich zu orientieren.

Nach kurzem Überlegen entschied ich mich für den selben Weg, auf dem ich schon am gestrigen Abend vor dem Silvan geflüchtet war.

Erneut lief mir ein Schauer über den Rücken, als ich daran zurück dachte.

Sein animalisches Knurren hallte in meinen Ohren wieder und ich versuchte den Gedanken so schnell wie möglich wieder zu verdrängen.

Stattdessen versucht ich meinen Orientierungssinn einzuschalten und sah mich im dunklen Eingangsbereich um.

Nach kurzem Zögern trat ich wieder auf den Gang, entschied mich dieses Mal jedoch für die linke Seite.

Ich hoffte dass sich in diesem Flur irgendwo die Küche befand, da auch die große Flügeltür zum Esszimmer sich von der Eingangstür aus betrachtet und mit Blick auf die Treppe links befand.

Wie auch am vergangenen Abend fand ich eine Reihe geschlossener Türen vor und die ersten Versuche eine Tür zu öffnen, blieben erfolglos.

Bei ein paar Türen hatte ich Glück, jedoch fand ich dahinter nur unbenutzte Räume vor, die ähnlich dekoriert waren wie der Rest der unteren Etage und das Ambiente eines Jagdschlosses vermittelten.

Ich erstarrte mitten in der Bewegung, als ein heftiges Knallen aus dem ersten Stock vernahm und kurz darauf polternte Schrittte, begleitet von einem Knurren, die sich die Treppe runter bewegten.

Sofort überkam mich der Reflex mich zu verstecken, doch ehe ich mich bewegen konnte tauchte auch schon der Umriss Silvans breitschultriger Erscheinung im Flur auf.

Selbst in der herrschenden Dunkelheit erkannte ich das blitzen seiner Augen und konnte beinah fühlen wie sein stechender Blick über meine verschreckte Gestalt glitt.

Ein erneutes Grollen entwich ihm und seine Anspannung drang bis zu mir vor, als er sich mit langsamen Schritten auf mich zu bewegte.

"Was denkst du, tust du hier, November?"

Mit großen Augen sah ihm entgegen, unfähig zu reagieren. Sein Ton war ruhig, zu ruhig für seine angespannte Haltung und derartige Situationen kannte ich nur zu gut von meinem Vater.

Bei meinem besagten Erzeuger hatte ich gelernt mich zu verteidigen und mit der Zeit war eine mentale Mauer entstanden, hinter der alle Gefühle verborgen geblieben waren.

Doch Silvan war eine andere Hausnummer. Irgendwas an ihm schien einen Effekt auf mich zu haben, sodass selbst seine Anwesenheit meine Fassade erheblich ins Wanken brachte.

Bescheuertes Mateband.

Als ich endlich einen klaren Gedanken gefasst hatte, erinnerte ich mich auch wieder an meine eigentliches Vorhaben, was mir zumindest ein wenig meines Selbstvertrauens zurück brachte.

"Ich... also," ich räusperte mich kurz um meine Stimme etwas zu festigen, "Ich hatte Hunger und wollte mur schauen wo die Küche ist."

Diese Antwort schien mein Gegenüber kurz aus dem Konzept zu bringen, denn er stutzte für einige Augenblicke, bevor er einmal hörbar ausatmete und seine Haltung sich ein wenig entspannte.

"Sag das nächste Mal Bescheid, dann suche ich dich nicht wenn du nicht auf deinem Zimmer bist!" Gab er immernoch leicht gestresst von sich und deutete dann wieder zurück.

"Komm mit. Ich hab oben einen kleinen Kühlschrank, hier unten wirst du nichts finden."

Ein wenig verwirrt folgte ich ihm wieder nach oben, dieses Mal ohne seine Hilfe auf der Treppe.

Silvan beließ es bei einem zweifelnden Blick auf meine Beine, widerpsrach mir allerdings nicht, zumindest wenn man seinen Gesichtsausdruck ignorierte.

Nach der Hälfte der Treppe zwickten die Wunden mich dann zwar doch etwas, aber ich biss die Zähne zusammen und verzog keine Miene.

Oben führte Silvan mich erstmal in Richtung seines Büros, welches sich zumindest laut seiner Aussage am Ende des Ganges befand, öffnete dann jedoch gegenüber davon eine Tür und hielt sie mir auf.

Etwas zögerlich betrat ich denn Raum und wäre am liebsten direkt wieder raus gerannt.

Silvan hatte mich in sein Zimmer geführt, zumindest wenn man das ein Zimmer nennen konnte. Es schien sich über einen ziemlich großen Teil der oberen Etage zu erstrecken und war eine Kombination aus Schlaf- und Wohnzimmer, in der problemlos eine ganze Familie hätte wohnen können.

Nur so etwas wie eine Küche gab es nicht, lediglich ein kleiner Kühlschrank stand an der Wand und darauf ein Wasserkocher mit einigen Schachteln voller Teebeutel.

Unsicher machte ich ein paar Schritte in den Raum und blieb anschließend stehen, da ich keine Ahnung hatte wie ich mich hier verhalten sollte.

Ich hörte das schnappende Geräusch des Türschlosses und drehte mich leicht panisch zu Silvan um.

Dieser machte eine beschwichtigende Geste und deutete dann in Richtung einer großen Sofaecke, wo unter anderem auch ein nicht allzu kleiner Fernseher seinen Platz fand.

"Setz dich ruhig, ich hol dir was aus dem Kühlschrank. Wenn ich geahnt hätte dass du mitten in der Nacht durchs Haus schleichst vor lauter Hunger, hätte ich mehr von dem Abendessen her liefern lassen."

"Äh danke, aber das ist nicht nötig." Versuchte ich meinen Kopf irgendwie wieder aus der Schlinge zu ziehen.

Ich hatte nicht damit gerechnet dass Silvan sich der Sache so annahm und in seinem Zimmer landen wollte ich schon gar nicht.

Hier war ich ihm schutzlos ausgeliefert und in so einer privaten Umgebung wimmelte es praktisch nur so von Fettnäpfchen.

Den Alpha schien mein Einwand allerdings nicht besonders zu begeistern denn er runzelte kurz die Stirn und schüttelte dann entschieden den Kopf.

"Du wirst sicherlich nicht hungern, November. Auch wenn in diesem Haus seit Längerem nicht mehr gekocht wird, aber ein bisschen was zu Essen habe ich da."

Jetzt war ich diejenige die ihre Stirn runzelte, doch blieb dies unbemerkt da Silvan sich anwandte und hinüber zu dem kleinen Kühlschrank lief.

"Außerdem passt es ehrlich gesagt sehr gut dass du noch wach bist, ich wollte nämlich mit dir reden."

Verwundert sah ich ihn an, oder eher gesagt seinen Rücken, da der Rest sich einer Obstschale zu gewandt hatte, welche ebenfalls auf dem Kühlschrank stand.

"Mit mir reden?" Hakte ich vorsichtig nach und beobachtete ihn dabei wie er noch etwas zu Trinken aus dem Kühlschrank nahm und dann mit einer Flasche und der kleinen Obstschale in der Hand wieder zu mir kam.

Er nickte nur knapp und deutete erneut in Richtung des Sofas.

"Ich sagte doch, setz dich bitte."

Ohne ein weiteres Wort bewegte ich mich in die angegebene Richtung und ließ mich auf der weichen Polsterung nieder.

Silvan nahm mir gegenüber Platz, ähnlich wie auch heute morgen schon und stellte die Flasche Wasser und die Schale mit Früchten auf den kleinen Beistelltisch in der Mitte, um es mir anschließend hinüber zu schieben.

Eigentlich hatte ich nicht vor gehabt etwas zu essen, doch auf seinen auffordernden Blick hin schob ich mir schließlich doch ein paar Weintrauben in den Mund.

Die Nervosität stieg, da er mich bei jeder Bewegung beobachtete und ich war kurz davor durchzudrehen, bis er endlich das Wort ergriff.

"Mein Beta und ich haben uns vorhin ein wenig mit deinem Vater und Jenkins beschäftigt und ein paar Dinge besprochen."

Ich hielt inne und sah ihn abwartend an. Sie hatten meinem Vater doch nichts gesagt oder?

"Die beiden wissen nicht dass du bei mir bist, also können sie zurzeit noch nichts unternehmen. Wir haben erstmal vor deine Mutter daraus zu holen. An der Stelle kommst jetzt auch du ins Spiel."

Alpha Crescent Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt