9. Incubus

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Zuhause angekommen verschanzte ich mich schnell in meinem Zimmer und schloss ab. Da Blake nicht da war, fühlte ich mich nicht richtig sicher vor meinem Vater, obwohl ich nicht mal wusste, ob er überhaupt da war. Es kam mir albern vor, dass ich ihn nach wie vor so sehr fürchtete. Er tat mir kaum noch was, im Gegensatz zu früher. Lange Zeit war vergangen, seit er mich das letzte Mal geschlagen hatte, doch ich schätzte, dieses unbehagliche Gefühl, welches mich jedes Mal plagte, wenn er in der Nähe war, würde nie gänzlich verschwinden.

Ich wusste, dass ihm klar war, dass hier etwas nicht mit normalen Dingen zuging, doch die meiste Zeit war er sowieso viel zu dicht, um sich überhaupt klare Gedanken darüber zu machen. Vielleicht konnte er sich im Nachhinein nicht mal daran erinnern oder dachte, er habe sich das bloß eingebildet.

Ich setzte mich auf mein Bett und starrte in die Luft. Der Raum fühlte sich leer ohne Blake an. Seine Abwesenheit war mir nicht geheuer und eine hässliche Befürchtung schwebte permanent in meinen Kopf.

Was ist, wenn er nicht mehr...

Ich kniff meine Augen zusammen.
Ich wollte den Gedanken nicht einmal zuende denken.

Arya, du hast ihn heute morgen noch gesehen, versuchte ich mir einzureden, Mach dich nicht verrückt. Es wird so wie immer sein. Morgen ist er ganz bestimmt wieder da.

Trotzdem wollte das dumpfe Gefühl nicht verschwinden.
Ich blickte zu meinem Schreibtisch. Dort lagen noch einige Zeichnungen und sein Messer. Er würde sie nicht einfach so zurücklassen, oder? Wenn es um seine geliebte Klinge ging, erst recht nicht. Allein die Tatsache, dass er sie nicht mitgenommen hatte, verwirrte mich.

Ich stand auf und lehnte mich an die Tischkante. Auf dem einen Bild war der Baum vor meinem Fenster abgebildet und auf dem anderen mein Bett. Jemand lag darin, aber man konnte nur den wirren Haarschopf erkennen. Unwillkürlich zierte ein Lächeln meine Lippen.

Jedes einzelne Blatt und jede Falte hatte er detailgetreu dargestellt.

Dann sah ich mir seinen Dolch genauer an. Meine Finger umschlossenen das stramme Leder, welches um das Holz des Griffes gewickelt war. Es fühlte sich weich und seidig an und lag schwer in meiner Umklammerung. Die glänzende Klinge spiegelte mein ehrfürchtiges Gesicht wider. Das Messer schien ziemlich alt zu sein, war wunderschön und mit schnörkeligen Verzierungen durchzogen. Bis jetzt hatte ich es nie richtig in der Hand gehalten, fiel mir auf. Ich wendete und drehte es einige Male, bevor ich mich breitbeinig hinstellte und dabei eine auswerfende Bewegung machte. Ich tat so, als würde ich gegen einen Geist kämpfen, bis der Haft aus meinen Finger rutschte und direkt auf meine Kommode zuflog. Dort blieb die Spitze ruckartig direkt neben einem Stapel aus Romanen, die ich mal aus der Bücherei ausgeliehen hatte, aber wahrscheinlich niemals lesen werde, stecken. Ich lachte entzückt auf und fühlte mich gefährlicher denn je. Mit drei Schritten war ich da und zog das Teil, welches sich ziemlich tief gebohrt hatte, heraus, was mir erst beim zweiten Versuch gelang. Nebenbei ließ ich meinen Blick über den Stapel schweifen, als mir etwas ins Auge stach.

Eine schwarzer Einband lugte unter einem Krimi hervor. Es wäre mir nicht weiter aufgefallen, wenn es nicht so eine intensive Farbe hätte. Es schrie regelrecht nach Aufmerksamkeit. Ich legte das Messer zur Seite und holte das Buch hervor. Es war in schwarzes Leder eingeschlagen. Der Deckel war unbeschriftet und abgegriffen.

Seltsam, ich konnte mich nicht erinnern, das hier aus der Bücherei mitgenommen zu haben.

Ich klappte die erste Seite auf. Zuerst schien sie leer, bis ich in der linken oberen Ecke einen schwungvollen Schriftzug in verblasster Tinte entdeckte.

Für Blake", las ich laut.

Mein Puls verschnellerte sich und ich tastete nach meinem Bett, um mich darauf ganz niederzulassen. Verwirrung machte sich in mir breit.

Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt