„Und was ist mit Samstagabend?"
„Nein."
„Sonntag?"
„Immer noch nicht."
„Montag nach der Schule?"
„Nachhilfe."
„Arya, komm schon! Wie soll ich dir sonst je näher kommen können?", jammerte Mike.
„Wie wär's mit gar nicht?" Ich klemmte mir die Bücher, die ich aus meinem Spind geholt hatte, unter den Arm.
„Warum bist du immer so kalt?", schmollte er und lief neben mir her.
„Ich bin nicht kalt!", stritt ich ab.
„Du bist kälter, als die Turnhalle im Winter!" Er versuchte einen Arm um meine Schulter zu legen und ich wich aus. Eine Gruppe von Mädchen, an der wir vorbeiliefen, rückten näher beisammen und fingen an zu tuscheln. Ich seufzte und versuchte nicht auf sie zu achten.
„Der Hausmeister hat die Heizungen doch wieder repariert?", entgegnete ich.
„Ja und deswegen lass mich auch deine reparieren und dein Inneres wärmen." Er hielt mir seine ausgestreckten Arme hin.
„Ich hätte erwartet, dass jemand wie du besser flirtet", sagte ich und bog in den Flur, in dem wir jetzt Chemie hatten.
„Bei dir funktionieren die üblichen Taktiken aber nicht. Ich muss immer improvisieren! Weißt du eigentlich, wie anstrengend das ist?"
„Das einzige, was ich weiß, ist dass wir zu spät kommen, wenn du dich jetzt nicht beeilst." Ich legte einen Zahn zu und pünktlich zum Klingeln schlüpften wir in den Raum. Mike winkte mir traurig hinterher, als sich unsere Wege trennten und er sich vorne neben irgendeinen anderen Typen setzte.
Joel saß zurückgelehnt im Stuhl und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, während er mit leerem Blick zur Decke starrte. Ich ließ mich neben ihn fallen und holte meine Sachen raus.
„Du siehst aus wie jemand, der seine Nacht in einem heruntergekommenen, von der Stadt offiziell nicht anerkannten Hotel verbracht hat", bemerkte ich träge.
„Müde", brummte er nur und sank tiefer in den Stuhl.
Tja, da war er nicht alleine. Auch ich hatte kaum ein Auge zugekriegt, so wie die ganze letzte ganze Woche eigentlich auch. Der Schlafmangel setzte mir allmählich zu und ich spürte, wie ich von Tag zu Tag immer gereizter wurde.
„Geht es Ihnen nicht gut, Joel?", fragte Mr. Harris und richtete prüfend seine Brille. Einige Leute drehten sich kurz zu uns.
„Alles okay, Sir", sagte Joel, doch bewegte sich nicht.
„Dann bitte ich Sie, sich richtig hinzusetzen und auf den Unterricht zu konzentrieren."
Ich konnte ein schadenfrohes Grinsen nicht unterdrücken, als er sich mit verzogenem Mund aufrichtete und seinen Oberkörper schlapp nach vorne kippen ließ. Es war immer wieder erfrischend, Joel leiden zu sehen.
„Arya, da Sie ja so prächtiger Laune zu sein scheinen, werden Sie doch sicherlich nichts dagegen haben, uns ihre Hausaufgabe von letzter Stunde vorzustellen." Mr. Harris schlug sein Kursbuch auf, ohne mich anzusehen.
„Hausaufgaben?", wiederholte ich perplex.
„Was das ist, muss ich Ihnen wohl kaum erklären." Der schlaksige Chemielehrer stemmte seine Hände in die Hüften und sah vorwurfsvoll zu mir rüber. Ich schwieg bloß und starrte so lange zurück, bis er entnervt seufzte.
„Vielleicht jemand anderes?" Er sah in die Runde, doch niemand hob den Arm. Sein Blick wenige Zentimeter neben mir hängen blieb, auf Joel der seinen Kopf wieder auf dem Tisch gebettet hatte. „Joel, hören wir uns doch ihr Ergebnis an."
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Ich sehe dich
FantasySeit Arya Parker sieben ist, weicht ihr Blake nicht von der Seite. Er beschützt sie vor ihrem Vater, spricht nicht viel, begleitet sie durch den anstrengenden Alltag und ist gleichzeitig der beste und einzige Freund den sie hat. Doch es gibt einen...