11. Karina

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Es tut weh. Überall.

Ich öffnete meine Augen, doch flatternd schlossen sie sich wieder.

Tief durchatmen.

Ich machte einen zweiten Anlauf und riss sie auf. Der Anblick des über mir hängenden dunklen Himmels, der sich langsam lila färbte, und der hellen Sterne betäubten mich für einen Moment, aber nur kurz, dann kroch ein dumpfes Gefühl in meinen Körper, gefolgt von heftigen Kopfschmerzen. Der penetrante Geruch von abgestandenem Fisch und rostendem Metall half mir auch nicht weiter. Jeder Schluck Sauerstoff brachte mich um und der Versuch mich aufzurichten verschlimmerte es nur, woraufhin ich mich ergeben zurückfallen ließ.
Das Rascheln von Tüten ertönte.

Wo bin ich?

Ich brachte ein krächzendes Husten hervor.

Hatte ich gerade einen Blackout?

Die eigenartige Erleichterung, die ich neben den Schmerzen verspürte, bestätigte meine Vermutung. Ich sah zur Seite. In der Ferne leuchtete eine Straßenlaterne und man konnte die Umrisse von Mülltüten und Tonnen aus Blech erkennen. Ich lag zwischen ihnen, in einer Seitengasse.

Das erklärt den Gestank, dachte ich und rümpfte die Nase.

Irgendwo bellte ein Hund in die Dunkelheit hinein. Dann drehte ich meinen Kopf in die andere Richtung und hielt inne. Neben mir hockte jemand und beobachtete mich. Es war zu dunkel, um das Gesicht ausmachen zu können. Für eine winzige Sekunde dachte ich an Blake, doch die Augen der Person waren ohne jeglichen Lichtschimmer, obwohl es Nacht war. Unwillkürlich schoss mir die Frage durch den Kopf, wie lange sie da schon stand und mir lief es eiskalt den Rücken runter.

„Alles in Ordnung?", fragte eine helle Stimme.

Verwirrt kniff ich meine Augen zusammen, in der Hoffnung, so besser sehen zu können.

„Keine Ahnung", murmelte ich und fasste mir an den Kopf. Er dröhnte, als hätte gerade jemand mit einem Stuhl nach ihm geworfen.

„Komm, ich helf' dir."

Die Gestalt richtete sich auf und hielt mir die Hand hin. Ich nahm sie und zog mich langsam und krampfhaft hoch. Dabei brach ich mir zwei Rippen und meine Wirbelsäule. Zumindest fühlte es sich so an.

„Danke", stöhnte ich.

„Holen wir dich erstmal hier raus. Hast du einen Ort, wo du hin kannst?"
Sie hielt mich für eine Obdachlose, was ich ihr nicht verübelte. Ich dachte an meinen besoffenen Vater, der Zuhause nur darauf wartete, dass ich zurückkam, um mich ordentlich zu bestrafen.

„Nicht wirklich", beschloss ich vorerst. In dieser Verfassung wollte ich alles andere als heim.

Ein dünner Arm schlang sich um meine Taille und gemeinsam verließen wir die Gasse. Ich wurde zwar gestützt, trotzdem war es eine grauenvolle Tortur. Schließlich erreichten wir das Licht der Straßenlaterne und überrascht musterte ich meinen Retter. Besser gesagt Retterin.

Vor mir stand ein Mädchen, Lippenpiercing, schnörkelige Tatowierung den Hals entlang, ganz in Schwarz gekleidet. Mich lächelten zwei blaue Augen an. Sie hatte ein süßes und hübsches Gesicht, welches von dunklem Haar umrahmt war.

„Ich bin Raye, willkommen im Club der Außenseiter", sie reichte mir grinsend die Hand, „Darf ich fragen, was du da im Müll gemacht hast?"

Ich nahm sie entgegen und sagte:
„Um ehrlich zu sein, weiß ich es selber nicht."

Sie ließ mich los und ich machte mich auf eine verständnislose Äußerung bereit, doch es kam nur ein „Fuck". Raye wurde plötzlich aschfahl um die Nase und sie starrte an mir runter. Ich fragte mich, ob ich da irgendwo eine tote Ratte hängen hatte und folgte ihrem Blick.

Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt