27. Asmodi

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Als ich meine Augen öffnete, war Tante Am da und legte mir ihre Hand auf die Stirn. Das Zimmer war dunkel und die Balkontür geschlossen. Meine Atmung ging flach und mein T-Shirt fühlte sich klamm an.

„Tante Am", krächzte ich.

„Ich hole dir was zu trinken, Liebling." Sie strich mir über die Stirn. Ihre Hand war kalt.

Nachdem sie aus dem Zimmer ging, richtete ich mich benommen auf und sah auf die Uhr. 3.17 Uhr. Erschöpft ließ ich mich zurück fallen, als ich etwas nasskaltes auf dem Kissen spürte. Erneut setzte ich mich auf und schaltete das Nachtlicht an.

Ein roter Fleck, so groß wie meine Hand, prangte in der Mitte des hellen Stoffes. An den Rändern, wo die Farbe zu einem dunkelbraun überging, begann es bereits zu trocknen. Verblüfft fasste ich mir an den Nacken und stellte erschrocken fest, dass er ganz feucht und verklebt war. Als ich meine Fingerspitzen besah, waren sie dunkelrot. Im selben Moment kam Tante Am rein. Erstarrt blieb sie kurz in der Tür stehen, woraufhin sie das Glas auf dem Schreibtisch abstellte und zu mir eilte.

„Lass mich mal sehen", sagte sie und setzte sich auf das Bett. Sie schob mir die klebrigen Haare aus dem Nacken, während ich mein Kinn an meine Brust legte. Ich spürte nur ihre kühlen Finger an meinem Tattoo herumtasten. Ich hatte sie mal gefragt, ob sie weiß, warum meine Mutter mir diese Zeichnung stechen lassen hatte, doch auch sie konnte sich das nicht erklären.

„Im Pflegeheim als du einen... Nervenzusammenbruch hattest, hast du dich wahrscheinlich gestoßen und wir haben das nicht bemerkt", sagte sie.

„Nervenzusammenbruch?"

„Ja, du warst völlig außer dir und wolltest dich nicht beruhigen. Der Pflegerin blieb nichts anderes übrig, als dir ein Beruhigungsmittel zu verabreichen." Sie stand auf und verschwand im Badezimmer.

Der Nervenzusammenbruch...
Stimmt. Ich war schrecklich wütend gewesen, wegen meinem Vater. Aber da war noch etwas gewesen, etwas Wichtiges. Ich konnte mich jedoch nicht entsinnen, was es war.

„Tante Am?"

Sie kehrte mit Verbandszeug in den Händen wieder zurück.

„Ja? Kannst du die mal kurz halten?" Sie hielt mir Schere und Mullbinde hin.

„Mein Vater hat sich sehr seltsam benommen."

Sie band meine Haare zu einem hohen Zopf, damit sie meinen Nacken ungestört verbinden konnte. Ihre behutsamen Hände gaben mir das Gefühl von Halt. Unwillkürlich musste ich an Blake denken und meine Brust zog sich zusammen.

„Das liegt an den Medikamenten, hat der Pfleger gesagt", erklärte sie.

„Aber was denn für Medikamente? Warum braucht er überhaupt welche?"

„Es stand wohl sehr ernst um ihn", erklärte sie, während sie die Wunde abwischte. „Man hat ihn als nicht zurechnungsfähig und gemeingefährlich erklärt, nachdem sie gesehen haben, wie er das Haus zugerichtet hat."

Ich schwieg, während sie die Mullbinde wieder nahm und sie um meinen Hals wickelte. Es war ungemütlich und kratzte.

Ich zupfte daran und fragte: „Muss das sein?"

Ich sehe dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt