New York City, Wohnung des Toten, 13:34 Uhr
Eigentlich vergleiche ich mich nicht mit einem Kleinverbecher. Trotzdem fühle ich mich wie einer. „Sicher, dass das so legal ist?", frage ich in das Walkie-Talkie. Wayne hat mir während der Fahrt am laufenden Bande zugesichert, dass uns keiner erwischt. Leider kann ich seinen Aufmunterungen nicht zustimmen.
Zwar liegt der Schlüssel zu seiner Wohnung unter der Fußmatte vor seiner Türe, trotz alledem fühlt es sich, auch mit leichtem Versteck, wie ein Einbruch an. Schließlich ist das kein offizieller Tatort. Ich seufze kurz, stecke dann aber den Schlüssel in das Schloss. Mit einem kurzen Klick lässt sich anschließend die Türe öffnen.
„Dass du das wirklich machst, kann ich gar nicht glauben.", spottet Wayne ironisch und manchmal wünsche ich mir an dem Walkie-Talkie ein Aus-Knopf. „Wir arbeiten doch zusammen, mach es nicht noch schlimmer für mich.", damit bringe ich ihn kurzzeitig zum Schweigen und kann mich ganz auf die Wohnung konzentrieren.
Diese befindet sich in der 10. Etage eines Hochhauskomplexes mitten in der Großstadtmetropole New York City. Alleine die Größe und die Lage des Apartments, lässt bereits darauf schließen, dass es sich um keine normale Wohnung handelt. Das Innere des Apartments ist sehr weitläufig eingerichtet.
In der Mitte befindet sich eine große, schwarze Küche, ein passend eingerichtetes Wohnzimmer und Esszimmer. Seine Möbel scheinen von teurer Qualität zu sein. An der Wohnung mündeten drei Türen, eine davon führte zu einem großen Balkon, dessen Blick sich auf die Großstadt richtet. Die anderen Türe halte ich zunächst für ein Bad und Schlafzimmer.
Für einen alleinstehenden Mann, dessen Beruf Frisör war, ist mir diese Wohnung etwas zu geräumig und teuer eingerichtet. Nicht einmal die Wohnung von Clyde und mir ist in dieser Größe vorzufinden. „Jetzt sieh dich schon um!", fordert mich der Mann am anderen Ende des Walkie-Talkies auf und seine Stimme prahlt nur so vor Neugierde.
Der Aufforderung nachkommend, fange ich an, die Wohnung nach Hinweisen zu durchsuchen. Auch wenn das Apartment auf den ersten Blick viele Möglichkeiten für ein Versteck offenbart, so finde ich zunächst keine Spuren. Nur das Übliche: DvDs, Platten und Einrichtungsgegenstände. Einen weiteren Versuch planend, öffne ich eines der beiden Türen und ich lande im Badezimmer.
Jedoch hat das Badezimmer nur einen Schrank oberhalb des Waschbeckens und beinhaltet eben die Sachen, die zur alltäglichen Pflege benötigt werden. Im letzten Zimmer, betrete ich dann das Schlafzimmer. Dieses Zimmer ist, im Gegensatz zu der restlichen Einrichtung, einmal nicht in dunklen Tönen gestaltet, sondern weist eine bunte Farbmischung auf.
Das hellblaue Bett in der Mitte des Zimmers sticht besonders hervor. Rechts und links sind jeweils zwei durchsichtige Kleiderschränke. Interessiert nähere ich mich ihnen. In beiden Schränken allerdings ist nichts auffälliges zu sehen, nur alltagstaugliche Klamotten. Mein Blick wandert von dem rechten Schrank zu dem vollgemüllten Schreibtisch.
Entschlossen schreite ich drauf zu, stocke jedoch kurz vor dem Tisch, als mir bewusst wird, was ich dort eben an der Wand gesehen habe. Ein schwarzumrahmtes Bild, welches eigentlich eben an der Wand hängen sollte, ist an der reichten Seite aufgeklappt. Da muss etwas faul sein.
Im Rückwärtsgang fasse ich an das Bild und ohne viel Kraftaufwand kann ich das Bild ganz zur Seite klappen. Mir eröffnet sich der Zugang zu einem Safe. „Endlich!", hauche ich erfreut und möchte am liebsten Luftsprünge vollbringen. „Wir haben einen Hinweis!", flötet Wayne ergänzend und fröhlich nicke ich.
Der Safe jedoch ist zu meinem Bedauern abgeschlossen. „Irgendwelche Vorschläge?", somit versuche ich die übliche Zahlenkombination 1234, aber die ist es leider nicht. „Vielleicht sein Geburtstag", nickend bestätige ich die Vermutung. Muss aber erst einmal auf meinem Block, wo alle Daten des Toten zusammengefasst sind, nachschauen. 15.03.
Wow. Es hat geklappt. „Ist ja nicht der schwer zu erratende Pin.", ich lache zustimmend bei der Aussage von Wayne. Einen Geburtstag als Schlüssel für geheime Daten ist nicht das Schwierigste zu erraten. So wundert es mich auch nicht, dass der Safe bereits leer geräumt ist.
„Wayne, hier war jemand schneller da als wir.", enttäuscht will ich mich abwenden. „Bonnie! Das ist ein Tatort, untersuche ihn!", er hat Recht. Wie verpeilt bin ich denn manchmal? Meine Handschuhe anziehend, krame ich aus meiner Tasche eine Lupe. Nun fühle ich mich nicht mehr wie ein Kleinverbrecher, sondern wie ein wahrhaftiger old Detective. Der Versuch alles genau unter die Lupe zu nehmen, endet mit einem Erfolg.
Um es genau zu nehmen, sogar mit zwei Erfolgen. Zuerst nehme ich eine braune Haarsträhne zwischen die Fingerspitzen. Diese kann unmöglich von dem Toten gewesen sein. Dieses braune Haar ist im Vergleich zu der schwarzen Haarpracht des Toten, eine glänzende weiße Strähne. Freudig tüte ich das Haar ein. Außerdem ist ein glänzender Fingerabdruck zu sehen.
Ich habe Glück, diesen auf einer glatten Oberfläche vorzufinden. Die beste Entscheidung ist es wohl die kriminaltechnische Untersuchung zu rufen, aber mein Vertrauen in New York ist so klein, dass ich mich bestimmt dagegen entscheide. Ein weiteres Risiko kann ich unmöglich eingehen. Die glatte Oberfläche des Safes ist aus dem Grund Glück, da ich diesen selbst sichern kann. Dies ist glücklicherweise eines der Grundkenntnisse, die ich in der Polizeischule erlernt habe.
In meiner allseits bereiten Handtasche ist das passende Equipment ordentlich verstaut. Schnell habe ich auch dieses Beweismittel ordnungsgemäß gesichert. Übermütig summe ich ein Lied vor mich her. „Ich bin stolz auf dich, Bonnie! Endlich ein Hinweis.", alleine dieses Lob lässt mich fast vor Freude aufschreien. „Jetzt müssen wir nur noch schauen, ob wir einen Treffer in der Datenbank finden."
Die Täter sind sehr unvorsichtig gewesen und leicht ärgere ich mich, über mein ebenfalls fahrlässiges Verhalten. Hätte ich von Anfang an Handschuhe getragen, hätte ich vielleicht noch mehr Spuren sichern können. „Vorher, schau aber noch einmal auf dem Schreibtisch nach!". „Das mir einmal ein toter Polizist bessere Unterstützung gibt, als meine eigentlichen Kollegen, hätte ich ja niemals gedacht", kichere ich und auch er lässt ein leises Grummeln aus.
Der Schreibtisch ist eine einzige Müllhalde. Überall sind lose Papiere, ob zerknüllt oder zerrissen. Vorsichtig fange ich an ein paar Teile auseinander zu falten. Es sind aber nur Skizzen von neuen Designs für Haarspray Verpackungen. Anscheinend war Miles Gold nicht nur ein begehrter Frisör, sondern auch nicht Produktdesigner. Auch nachdem ich alle Zettel aufgeklappt habe, finde ich keinen neuen Tatbestand.
Sogar den Mülleimer habe ich ausgeräumt. Leider nichts. „Egal Bonnie", Waynes Worte beruhigten mich immer so sehr, dass meine Enttäuschung binnen Sekunden verschwunden ist. „Danke.", ich lächele schüchtern. „Bonnie. Du darfst dich nicht immer runter machen lassen von einer Enttäuschung. Schau, was für Hinweise du auch noch durch den Tag heute bekommen hast."
Mein Selbstbewusstsein steigt ungewöhnlich in die Höhe. Die letzten Tage habe ich immer nur mit Enttäuschung rechnen müssen. Mein Leben bestand die letzten Tage nur aus Downs. Aber mein Lebensmotte Nicht Aufgeben kann nicht dadurch bestimmt werden.
Ermutigt möchte ich mich auf den Weg zum Revier machen. Ich muss dieser Spur nachgehen. Gerade als ich die Türe schließen will, gleitet mein Blick noch ein einziges Mal zum Bild. Ich stutze kurz. Dieses Motiv eines Kreuz übergehend in ein Schwert kommt mir seltsam bekannt vor. Ich entscheide mich dazu, ein Foto von dem Bild zu machen, um später noch notfalls einen Abgleich zu machen.
Komisch, denke ich mir, die Wohnung verlassend. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was alles auf mich zu kommt und welche Personen, in diesen Fall verwickelt sind.
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Whispers from the past
Mystery / ThrillerA B G E S C H L O S S E N ☽ ONC 2023 - Beitrag ☾ In den pulsierenden Straßen von New York City lebt die junge Polizistin Bonnie ihren Traum als Detective. Doch ihr erster Fall stellt sie vor eine unerwartete und furchterregende Herausforderung: Eine...