New York City, Apartment, 20:55 Uhr
Nervös werfe ich einen erneuten Blick in den Spiegel. Unsicher streiche ich meine braunen Haare glatt und zupfe erneut an meinem schwarzen Kleid. Dieses enganliegendes Kleid entspricht normalerweise nicht meinem Geschmack, dennoch ist es das einzige, welches mein Schrank mir hergeben konnte. Das einzige, welches formal Clyde Vorstellung gleich kommt.
Ich wusste, dass er von mir verlangt, im besten Zustand auf seinen Vater zu treffen. Schließlich ist ein guter Eindruck für ihn alles was zählt. Im Spiegel merke ich erneut, dass ich diese Person eigentlich nicht sein möchte. Immer schon bin ich mit meiner Lederjacke und meinem Rocker Stil aufgefallen. Dieser Look macht mich aus.
„Bonnie, kommst du?", der strenge Ton Clyde kommt näher und kaum darauf erscheint sein Kopf neben mir. Sein Blick scannt mich von oben bis unten und er nickt zufrieden. „Siehst gut aus", ein besseres Kompliment kann auch er nicht entbehren. „Müssen wir los?", dir Uhrzeit sagt mir, dass wir im Grunde genommen noch eine halbe Stunde bis zum Treffen haben. Dabei brauchen wir gerade einmal fünf Minuten bis zum Restaurant, da es sich gleich um die Ecke befindet.
„Ich will pünktlich sein, mein Vater ist immer früher da", er zieht leicht an meiner Hand und befördert mich zur Türe. Stolpernd folge ich ihm. Ich bin kein geborene Highhels - Läuferin. „Nicht so schnell", fordere ich ihn auf und er drosselt das Tempo. Die Straße laufen wir stillschweigend entlang und kurz bevor wir das Ziel erreichen, nimmt er meine Hände in seine. Zufrieden lächele ich vor mich hin.
„Mein Vater heißt übrigens Christian", überrascht halte ich inne. „O-okay...", stottere ich. „Du kannst ihn aber erst duzen, wenn er dir das anbietet!", was eine Ansage, denke ich mir und stelle mir vor, wie streng dieser Mann wohl sein wird. Die restlichen Sekunden träume ich vor mich her, bis ich ein Stupsen wahrnehme.
„Du bist so in Gedanken vertieft, ich wollte nicht, dass du gleich die Treppen herunterfällst", ich bedanke mich kurz und zusammen erklimmen wir die Stufen. Ich spreche entscheidend mit dem Wort „erklimmen", denn für mich ist es echt eine Herausforderung nicht gleich rückwärts nach hinten zu kippen.
Mein Atem beschleunigt sich, als Clyde die Türe zum Restaurant öffnen und wir in dieses noble Anwesen eintreten. Auch wenn der Raum dunkel ist, so erkenne ich doch sofort Clyde Vater. Eigentlich ist Clyde ein komplettes Abbild von ihm. Außer, dass er einige Falten auf dem Gesicht hat und sein Haaransatz ein leichtes weiß angenommen hat, besitzt der die gleiche Aura.
Seinen langen Haare sind zu einem strengen Dutt nach oben gegelt und seine blauen stechenden Augen blicken mich neugierig an. Entgegen meiner Erwartung steht er mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht auf und breitet seine Umarmung willkommen aus. Clydes Gesichtsausdruck jedoch verbleibt steinhart.
„Willkommen, willkommen", ruft er uns lautstark entgegen. Er will seinen Sohn umarmen, der jedoch setzt sich stur auf den Platz gegenüber. Ihm scheint das aber egal zu sein und er richtet sich vollkommen mir zu. Ich will ihn höflich die Hand reichen, aber er nimmt mir diese Entscheidung ab und zieht mich in eine Umarmung.
„Freut mich dich endlich kennenzulernen. Du brauchst gar nicht schüchtern zu sein. Ich bin Christian und du Bonnie?", ich erwidere seine Begrüßung mit einem sanften Drücken. „Genau, Bonnie Lynley mein Name", ich schenke ihm ein ehrliches Lächeln, welches er sofort erwidert.
„Bonnie Lynley", er lässt meinen Namen auf der Zunge beinahe schon zergehen, beugt sich zu mir herunter und drückt mir einen Kuss auf meine Hand. „Ein schöner Name, passend zu dieser wunderschönen Frau", anschließend zwinkert er mir zu und ich erröte. „Danke", kichere ich wie ein Teenager. Wie ein Gentleman schiebt er mir den Stuhl zurück und ich lasse mich auf diesen Fallen.
Nachdem er sich auch auf seinem Platz niederlässt, schaut er auch zu Clyde. „Also ein Gentleman kannst du nie sein oder?", faucht er diesem leise zu. Clyde zuckt kurz zusammen und zähneknirschend erwidert er ein „Entschuldigung". Ich räuspere mich kurz um die unangenehme Stille zu unterbrechen. „Ist hier auf der Karte etwas empfehlenswert?", ich nehme die Karte in die Hand.
„Oh ja. Ich habe uns bereits den kostbarsten Wein bestellt. Ich hoffe er wird dir schmecken. Ansonsten ist von der Karte alles nur geradeso empfehlenswert", während er so spricht, fange ich an die Karte zu studieren. Diese weist ein unfassbares Spektrum an Diversität auf und ich entscheide mich für ein schönes leckeres Steak mit einem Salat.
„Ich bin wirklich so so froh, dich kennenzulernen", seufzend lässt sich Christian in seinem Stuhl zurückfallen. „Ich auch", erwidere ich nur. „Manchmal habe ich das Gefühl gehabt, dass es dich nicht gibt", er lacht lauthals los und auch ich muss lachen. Er beugt sich zu mir vor und er stützt seinen Kopf auf die Hände. „Weißt du manchmal, da dachte ich echt er sei schwul. Du bist seine erste Freundin", erschrocken blickt Clyde auf und auch ich stocke beim Lachen.
„Das, was soll das?", er schüttelt empört den Kopf hin und her, wobei seinen Lockenpracht aufgeregt hin und her wippt. „War doch nur ein Scherz", ein Schlag auf den Oberarm, soll Clyde wohl davon überzeugen. Dieser funkelt ihn aber nur böse an. Unsicher zupfe ich an meinen Haaren.
„Bonnie. Das stimmt nicht. Hörst du", Clyde neben mir, dreht sich zu mir um und verschränkt unsere Hände miteinander. „Ich liebe nur dich", diese Worte muntern mich auf und ich erwidere es auch mit einem: „Ich liebe dich". Ein kurzer Kuss und die Anspannung fällt endgültig von mir ab.
Die Bedienung lässt keinen Moment länger auf sich warten und während wir so auf das Essen warten, erzählt Christian munter von Geschichten über Clyde aus der Vergangenheit. Aufgeregt lausche ich seinen Erzählungen und bemerke auch nicht, dass sich das Steak auf den Tisch befindet. Mit einem gemeinsamen „Guten Appetit" wird das Essen eingeläutet und stumm verspeisen wir unsere Portionen.
„Ich habe gehört du arbeitest als Polizistin. Wie ist das denn so", die Frage reißt mich etwas aus dem Kontext, freue mich dennoch über diese aufmerksame Geste. „Sehr schön. Es macht mir hier sehr viel Spaß in New York", ich kann ihm unmöglich erzählen, dass meine Arbeit gerade einer Katastrophe gleicht und ich nahe zu am verzweifeln bin.
„Das freut mich. Ich bin auf zukünftige Erzählungen mehr als gespannt", aufgeregt reibt er seine Hände. Ebenso wie ich das Essen nicht mitbekommen habe, erschrecke ich mich als dann auch noch ein leckerer Nachtisch von mir ist.
„Den hat Clyde für dich bestellt, weil er genau weiß, wie sehr du Eis liebst", ich bedanke mich mit einem Kuss auf Clydes Wange und löffele das Eis vor mich her. Zuerst bin ich verwundert darüber, dass ich als einzige einen Nachtisch habe, aber dann ändert sich alles, in dem Moment, in dem ich mit dem Löffel gegen etwas Hartes stoße.
Stutzig taste ich mich mit meinen Fingern heran. Nicht, dass unabsichtlich ein Stück Glas in dem schönen Eis ist. Doch auf einmal erkenne ich, dass ich hier einen Ring in der Hand halt. Überrascht inspiziere ich diesen genauer. „Ein Verlobungsring", verzückt stecke ich mir den Ring an den passenden Finger. „Natürlich, heirate ich dich", ich werfe mich freudig um Clyde Hals. Vor lauter Freude überhöre ich glatt sein „Bitte?". Ebenfalls voller Freude, steht Christian klatschend auf. „Ich freue mich so für euch beide". Ich bin verlobt mit meinem Traummann.
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Whispers from the past
Mystère / ThrillerA B G E S C H L O S S E N ☽ ONC 2023 - Beitrag ☾ In den pulsierenden Straßen von New York City lebt die junge Polizistin Bonnie ihren Traum als Detective. Doch ihr erster Fall stellt sie vor eine unerwartete und furchterregende Herausforderung: Eine...