15| Emotionen...

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New York City, Apartment, 14:49 Uhr

Erschöpft lasse ich mich auf meinem Bett nieder. Mittlerweile ist nach dem ganzen Gerenne, die letzte Energiereserve meines Frühstückes aufgebraucht. Nachdem Sam und ich die Kisten in das Labor gegeben haben, musste ich mich verabschieden.

Wir sind sowieso machtlos, denn Diana braucht mindestens einen Tag, bis sie uns die Ergebnisse liefern kann. Ich bin froh nun endlich im Bett liegen zu können. Ein kleines Nickerchen ist jetzt der perfekte Abschluss zu der erfolgreichen Ermittlung.

Zuhause hat mich ganz unüblich, Clyde am Herd empfangen. Noch immer verwirrt von meiner aktuellen Gefühlslage, habe ich ihn mit einer kurzen Umarmung begrüßt. Ein kurzer Seitenblick genügte, und ich wusste, dass er mein Misstrauen bemerkt hat.

Nun will ich mich aber zur Ruhe legen. Clyde hat mir versichert, ich könne mich noch mindestens eine viertel Stunde hinlegen. Dieses Angebot nehme ich gerade zu mit offenen Armen entgegen. Durch meinen ausgeklügelten Style, sehe ich es nicht einmal für notwendig an, mich umzuziehen. Um meinen wilden Gedankengängen keine Chance zu lassen, falle ich binnen Sekunden in einen tiefen Schlaf.

Dieser wehrt aber leider nicht ewig an. Der Geruch einer frisch zubereiteten Gemüsesuppe, reißt mich aus meinem kurz andauernden Nickerchen. Clyde streckt mir einen Teller entgegen, welchen ich dankend entgegennehme. „Damit wird es dir sofort besser gehen", stolz legt er ein Brötchen auf mein Nachtschränkchen. Nach den Worten geht er sofort in die Küche und fängt an die Utensilien zu reinigen.

Die Suppe hilft mir tatsächlich. Nicht nur ist das Gericht, welches mir meine Mutter als ich klein und krank war immer zubereitet hat, ein wahrer Genuss. Sondern vor allem das Brötchen rundet es geschmacklich ab. Außen knusprig, innen weich.

„Woher hast du die Brötchen?", frage ich nach. In Zukunft gehe ich auf jeden Fall in die Bäckerei, um diese Brötchen als Frühstück zu haben. „Von Amy's Bread", schallt seine Antwort aus der Küche zurück. Ich denke nicht weiter nach und kommentiere: „Sehr lecker".

Schmunzelnd betritt Clyde den Raum. „Schmeckt dir die Suppe denn auch? Ganz nach dem Rezept deiner Mutter!", repräsentiert er mir stolz. „Lecker", antworte ich nur, verschweige allerdings, dass es von meiner Mutter um einiges besser schmeckt. Meine Mutter kann einfach am besten für mich kochen und das kann auch kein Clyde ändern.

Weiter mampfend löffele ich die Suppe vor mich hin, wobei sich Clyde auf den Betrand setzt und ebenfalls seine Kreation isst. Auf einmal wird mir etwas bewusst. Sind mein Kollege Sam und ich nicht genau in der Bäckerei essen gewesen? Ich schiele misstrauisch zu dem Mann herüber. „Wann warst du denn so ungefähr da? Muss ja ganz schön stressig gewesen sein, mit all den Meetings zwischendrin?", versuche ich ihn so normal wie möglich zu fragen. „Ja total stressig. Bin glaube ich so um halb elf kurz hineingeschlüpft". Ich nicke nur stumpf.

Eine weitere Lüge aus seinem Mund. Das kann nicht gewesen sein. Ich war zur selben Uhrzeit am selben Ort. Sein Vater war auch anwesend und höchstwahrscheinlich hat er mir die Brötchen besorgt. Auch wenn es nur eine kleine Lüge ist, so schmerzt diese trotzdem. Er möchte meine Gunst haben, kann nicht selber kurz in einen Laden Brötchen kaufen und mir dann nicht die Wahrheit sagen. Hätte er mir erklärt, er hätte keine Zeit gehabt und seinen Vater geschickt, ist das auch in Ordnung. Aber so nicht.

Meine Stimmung fängt an wieder zu kippen und ich wünsche mich am liebsten an einen anderen Ort. Meiner schlechten Laune entkommend, beschließt auch Clyde sich von mir zu verabschieden. Seine Ausrede ist natürlich wieder einmal ein Meeting. Ganz sicher, trifft er sich in diesem Augenblick mit einem seiner Lover. Dieser verdammte Lügner.

Traurig über diese Situation, verfällt sogleich mein weiteres Hungergefühl. Erbost räume ich mein Geschirr weg. „Betrüger!", murmele ich vor mich her. „Geh dem auf die Spur", flüstert meine zweite Stimme, bekannt als Wayne zu mir. „Lass mich in Ruhe Wayne", ich packe aus meiner Seitentasche das Walkie-Talkie.

Wayne allerdings lacht nur: „Willst du in weiter tiefer Wut verfallen, ohne Plan?". „Wie meinst du das?", frage ich ihn unschlüssig. „Wir haben nur seine kleinen Heftchen gesehen. Wir brauchen Beweise. Beweise!", ermutigt er mich. „Wofür?".

„Wofür? Wofür? Was eine blöde Frage. Wir wollen Rache, Bonnie. Wir wollen ihm seine Zukunft ruinieren. Beweise für seinen Vater!", seine Worte sind scharf und ein leichter Schauer läuft mir über den Rücken. „Wayne, so kenne ich dich gar nicht", etwas empört über ihn bin ich schon. Zumal das nicht seine Angelegenheit ist. Zweifelnd will ich mich eigentlich wieder ins Bett legen, doch Wayne flüstert immer wieder das Wort „Rache".

„Wayne, lass es!", der Versuch ihn aus meinen Gedanken zu verscheuchen, scheitert kläglich. „Was hat er dir angetan Bonnie? Hm, was? Schmerz und Leid!", schreit er immer lauter und ich halte mir die Ohren zu. „A-Aber ich liebe ihn! Ich kann das nicht", ich falle auf den Boden.

„Liebe, Liebe, blah blah, blah. Das nennst du Liebe? Was er macht, ist keine Liebe. Er verdient deine Gefühle nicht. Er nutzt dich aus!", Waynes Worte in mir bewegen etwas. In mir fängt sich an eine Wut anzustauen und das nicht mal mehr gegen Clyde, meinem Möchtegern-Liebhaber.

Die größte Wut in mir, ist die gegen mich selbst. Darüber, dass ich nicht den Willen und die Kraft aufbringen kann, mich aufzuraffen. Wieso bin ich nur so schwach? Ich halte an etwas fest, was schon seit langem keinen Sinn mehr hat. Ich möchte mich durch ihn besser fühlen! Der Schein von einer Person geliebt zu werden, ist für mich ein besseres Gefühl, als der Realität ins Auge zu blicken. Ich bin so eine Idiotin!

„So ist richtig. Jetzt wandel deine Wut nur in Clyde um!", das Anstacheln von Wayne überzeugt mich ganz. „Aber ich hole ihn niemals ein. Er ist doch schon über alle Berge!", fluche ich verzweifelt vor mir her. „Bei seinem nächsten Mal werden wir ihn auf frischer Tat erwischen", lacht Wayne furchterregend, wobei ich ihm zustimme.

„Nun solltest du aber einen kühlen Kopf bewahren. Schließlich dürste ich auch nach Rache. Und du musst mir den Mörder finden!", der Befehl Waynes lässt mich augenblicklich hochschrecken. Mit aller Kraft versuche ich mein Gefühlschaos beiseite zu drängen.

In der Küche werde ich sogleich fündig. Eine Flasche Rotwein springt mir ins Auge und zusammen mit einem Schokoladeneis kann ich mich beruhigen. Alkohol ist zwar bekanntlich nicht die beste Methode, jedoch meine einzige Lösung.

Ich bemerke gar nicht wie schnell die Zeit vergeht, bis Clyde mir plötzlich die Flasche aus der Hand reißt. „Spinnst du? Ich dachte du bist krank!", faucht er mich erbost an. „Sei ruhig!", meine Worten gleichen eher einem lallenden Flüsterns. „Geh ins Bett, Bonnie", der Befehl von Clyde ist scharf, sodass ich dieser Aussage nach komme.

Obwohl mein Geist sich diesem Befehl sträubt, reagiert mein Körper anders als gewollt. Müde schleppt er mich ins Bett. So kann ich mich gerade noch dazu bringen, mich umzuziehen. Zähne putzen allerdings ist nicht mehr inklusive. Clyde könnte meinen Atem heute sehr wohl verdienen.

Die Augen eigentlich schließend, weckt mich noch das laute Vibrieren meines Handys. Nachdem ich aber nach mehreren Versuchen, das Handy nicht entsperren kann, fällt mir auf, dass es sich hierbei nicht um mein Handy handelt. Erst jetzt kann ich entziffern, dass es sich um Clydes Sperrbildschirm handelt.

Ich kneife die Augen zusammen, um die Nachricht besser entziffern zu können. Eine Person, eingespeichert als „Herz" fragt, ob er sich morgen Abend in dem „Paradise Club" treffen möchte. Ein breites Lächeln spielt sich auf meinem Gesicht ab. Morgen kann ich ihm die perfekte Rache stellen.

Whispers from the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt