17| Alkohol und ein Kuss...

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New York City, Paradise Club, 22:15 Uhr

Die Gören haben Glück. Leider konnten sie den Termin nicht wahrnehmen, da sie ihre Sozialstunden abarbeiteten müssen. So hat unser Tag schlussendlich in einer Sackgasse geendet. Uns sind leider die Hände gebunden. Das einzige, was wir beide noch als produktive Detektiven herstellen konnten, war eine Pinnwand, die jetzt aber hinten in meinem Auto schmorrt. Die Kollegen sollen auf keinen Fall involviert werden.

Aufgeregt tippe ich mit meinen Füßen auf und ab. Der vereinbarte Treffpunkt ist Punkt 22 Uhr und Sam ist immer noch nicht erschienen. Der Gedanke daran, Clyde befindet sich schon in diesem Club und lässt sich eine Zunge in den Hals schieben, macht mich nur noch nervöser. Genau diese Beweise brauche ich, um ihn endgültig vor seinem Vater zu stürzen.

Ungeduldig fummele ich mein Handy aus meiner Handtasche. Doch es zeigt mir keine weiteren Nachrichten ab. Eine Textmessage hätte er mir aber hinterlassen können. Darum öffne ich entrüstet unseren Chat. „Wo bleibst du?", frage ich ihn. Leider sind keine zwei Haken zu sehen. Weswegen ich davon ausgehen kann, erst einmal keine Antwort zu erhalten.

Unwohl zupfe ich am Ende meines Kleides herum. Vielleicht ist es doch nicht die perfekte Wahl gewesen. Es ist gerade einmal so lang, dass es mir knapp über den Hintern ragt und auch der Ausschnitt ist sehr freizügig gewählt. Das kaschmirblaue Kleid zeigt für meinen Geschmack zu viel Haut. Habe ich es trotzdem angezogen? Ja! Warum? Das weiß ich selber nicht. Vielleicht will ich mein Selbstbewusstsein pushen und mit den lustvollen Blicken der anderen Männer auf mir, Clyde eifersüchtig machen.

„Siehst gut aus", der verführerischen Stimme an meinem Ohr, möchte ich am Liebsten eine klatschen. Beim Ausholen werde ich aber prompt durch ein Abblocken gestoppt. Dieser Griff ist eindeutig einem Polizisten zuzuordnen. „Sam!", grummelnd drehe ich mich ganz zu ihm um. Seine strahlenweißen Zähne blicken mir freundlich entgegen. „Lach mich nicht so an, ich dachte du bist sonst wer, der mir hier anbaggert!"

„Darf denn kein Mann heutzutage ein Gentleman sein und einer Lady, die gut aussieht, ein wohlwollendes Kompliment machen?", empört schießen seine Augenbrauen nach oben. „Spinn nicht rum", meckere ich, was er nur achselzuckend erwidert. „Jetzt, da du da bist, können wir ja in den Club gehen", ich möchte ihm am Ärmel packen, er schüttelt meinen Griff aber sofort ab.

„Schon einmal was von Vorglühen gehört?", hinter seinen Rücken angelt er eine Plastikfalsche raus. „Mit Orangensaft?", frage ich nur verwundert. Sam stößt ein „Hä?", aus, fängt aber im nächsten Moment laut an zu lachen. „Du warst echt noch nie auf einer richtigen Party", er schüttelt die Flasche hin und her.

Immer noch verwirrt, bringe ich keine Antwort über die Lippen. „Das ist eine Mische", formuliert es Sam nun ganz trocken. Augenblicklich schießt mir das Blut in den Kopf und ich bemerke, die Hitze auf meinen Wangen. Wie peinlich. „Na komm, Rottomate", Sam öffnet die Flasche und nimmt einige hastige Schlücke. Danach reicht er sie mir.

Immer noch erschrocken und beschämt über mich selbst, kann ich sie nur zitternd annehmen. Mein eigentlicher Plan, heute auf Alkohol zu verzichten und mich dem Racheakt ohne Hindernisse zu richten, endet hier und jetzt. Ich muss mir einige Züge an Mut antrinken, damit ich diese Situation so schnell wie möglich verdränge.

Leider merke ich den Alkohol schon nach nur der Hälfte der Flasche. Vielleicht ist es keine gute Idee gewesen, fast nüchtern feiern zu gehen. Zumal ich Wodka sehr schlecht vertrage. „Das wird lustig", höre ich Sam neben mir flüstern, während wir uns gemeinsam auf den Weg zum Eingang machen.

Wir haben Glück, denn es wollen relativ wenige Menschen in den Club hinein. Während der kurzen Wartezeit, trinken Sam und ich, abwechselnd aus der Flasche. Nachdem sie leer ist, wirft er sie achtlos in eine Ecke. Ich zücke meine Augenbrauen und will schon protestieren, da sind wir die nächsten in der Reihe.

Nach einer kurzen Kontrolle und einen zufriedenen Nicken, werden wir von der Security in den Club reingelassen. Drinnen empfängt mich der stickige Geruch von Alkohol, Schweiß und Zigaretten. Meine Augen scannen den Raum ab, nach Clyde. Mit seiner großen Statur und den braunen langen Haaren müsste er in der Menge eigentlich sofort auffallen.

„Wir lassen jetzt die Seele baumeln"; jubelt Sam der Musik lautstark entgegen. Schnurstracks läuft er auf die Bar zu und bestellt uns zwei Getränke. Auch wenn er mich fragt, welche Wahl ich gerne hätte, winke ich dies nur mit den Worten „Am Besten suchst du mir einfach eins aus" ab. Immer noch versuche ich in der Masse zu entdecken, durch die wechselnden Partylichter und dem bereits angestauten Alkohol in meinen Adern bin ich unzurechnungsfähig.

„Hier und jetzt geht die Party erst richtig los", während Sam laut schreit, reicht er mir einen Cocktail, den ich nicht identifizieren kann. Ich bedanke mich kurz bei ihm, jedoch gehen meine Worte in der Menge unter. Sam fängt sofort an, die Party in vollen Gängen zu genießen. Lautstark grölend tanzt er zu der Rock- Musik und springt freudig auf und ab.

Immer noch versuche ich mich auf meinen eigentlichen Plan zu konzentrieren, doch Sam hakt sich bei mir unter und bringt mich auch dazu mein Tanzbein zu schwingen. Nach einer unbekannten Zeitspanne, in der ich meine ganze Energie des Tanzens gewidmet habe, muss ich eine Pause einlegen. Auch auf Sams Stirn haben sich bereits einige Schweißperlen gebildet.

Nahelegen der Bar laufe ich auf eine Sitzgelegenheit zu und lasse mich auf einen der sanften Sessel nieder. Sam befindet sich noch an der Bar, um eines von vielen Getränken zu bestellen. Anschließend setzt er sich atemringend neben mich. Er spricht zu mir, allerdings sehe ich nur seine Lippen auf und ab bewegen.

Er bemerkt, wie die Musik ihn übertönt und er nähert sich mit seinem Kopf an mich an. „Ganz schön anstrengend, aber richtig geil", auch wenn er mir die Worte wahrscheinlich ins Ohr schreit, vernehme ich nur ein leises Flüstern. „Es macht echt viel Spaß, danke dir", diese Erwiderung ist wohl mit das ehrlichste, was ich zu Sam jemals gesagt habe.

Ein riesiges Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht ab. „Na mit einer hübschen Frau, kann man nur Spaß haben!", schnurrt er. Ich merke, dass ich leicht erröte bei seinem Komplement. Auch ihm entgeht meine Reaktion nicht und er beugt sich noch näher an mich heran. Seine Hand findet den Weg zu meinen Haaren. Eine Strähne in die Hand nehmend, wickelt er sie um einen Finger herum.

„Das war ehrlich gemeint", seine Lippen befinden sich Millimeter von meinen entfernt und ich unternehme dagegen nichts. Ich finde dieses Gefühl von Anerkennung und Liebe wunderbar.

Ich verhindere auch nicht als er seine rauen Lippen auf meine legt. Der Kuss ist sanft und trotz des Geschmacks nach Alkohol, stoße ich ihn nicht von mir ab. Ich sehe wie seine Augen sich schließen und er den Kuss vertiefen möchte.

Mein Blick jedoch bliebt stur in die Menge gerichtet. Auf einmal treffe ich das zwei strahlenblaue Augenpaare. In mir fällt augenblicklich alle Mimik zusammen. Ich schupse Sam von mir weg und springe auf. „Scheiße!", fluche ich laut auf.

Clydes blauen Augen blickten mir verräterisch entgegen und ich erkenne einen Stich in seinen Augen. Er hat es gesehen. Er denkt, ich betrüge ihn. Ohne Rücksicht auf einen verdutzen Sam zu nehmen, bahne ich mir den Weg zu Clyde. Sein Haarschopf verschwindet immer tiefer und er wird geradezu von der Menge verschluckt. Ich muss das klären! Was ist mit meinem Plan?

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