New York City, Police Department, 13:34 Uhr
Lächelnd muss ich daran denken, welche Angst Graves gerade verspürt. Hat der arme Kerl sich doch für die ganze restliche Woche krank schreiben lassen. Das ich nicht lache. Seine Krankschreiben ist nur eine billige Ausrede dafür mir nicht zu begegenen.
Ich im Gegensatz ergötze mich an der Angst, die er verspürt. Auch wenn er mir im Büro aus dem Weg gehen kann, glaubt er doch nicht allen ernstes, dass er geschont davon kommen wird. Lachend drehe ich mich in meinem Bürostuhl. Auch jetzt muss ich mir den Blicken der anderen aussetzen, die mich verstört beobachten.
Nur Sam beobachtet mich mit einem weiten Grinsen auf dem Gesicht. Ich bin froh, dass zwischen uns keine angespannte Stimmung herrscht und wir beide uns einig sind, dass der Kuss ein Fehler gewesen ist. „Du hast aber eine gute Laune", er stupst mich spielerisch an. „Ich bin auch glücklich", erwidere ich. „Liegt es an dem Gespräch gleich?", fragt Sam lachend. Ich fange nur an zu nicken.
Kaum eine Sekunde später stehen auch die beiden Jugendlichen vor uns. „Joe und Landon", begrüßt Sam diese freundlich und bietet ihnen Kekse an. Doch sie lehnen sein Angebot nur ab. „Ich will mit meinem Nachnamen angesprochen werden!", befiehlt London uns. Jetzt werde ich wütend. „Hey", schreie ich die beiden laut an, wobei sie beide zusammenzucken. „Ihr erwartet von uns Respekt, bringt uns aber keinen entgegen. Wir wissen, dass ihr uns die Wahrheit verschwiegen habt", ich stemme mich wutentbrannt auf meinen Schreibtisch.
Geknickt wollen sich die beiden Burschen auf die Stühle setzen. „Wir gehen schön in den Verhörraum", befehle ich ihnen und möchte sie am liebsten an den Ohren packen und mit mir ziehen. Jedoch kommt aus ihren Mündern kein weiteres Wort und sie dackeln mir nur hinterher. Sam, der bei meinem schnellen Schritt mich einholt, blickt mich erschrocken an. „Das sind Kinder, Bonnie. Sei nicht so hart zu ihnen".
Ich ignoriere seine Worte. Nachdem wir uns alle hingesetzt haben, beginnt Sam das Gespräch, obwohl ich sehr in Rage bin. Wahrscheinlich ist das der Grund, damit ich die beiden nicht noch mehr einschüchtere. „Wo sind denn eure Eltern?", die beiden zucken nur ihre Achseln bei dieser Frage und ich erkenne an Sams Gesichtsausdruck das Mitleid. Es ist nicht so, dass mir sie nicht leid tuen, aber ich kann nichts dafür, dass sich ihre Eltern nicht für sie interessieren. Außerdem möchte ich Antworten und zwar hier und jetzt.
„Ihr habt mit den Flaschen eindeutig gelogen. Da ist mehr dahinter", konfrontiere ich sie. Die Jungs schlucken nur nervös und fangen and mit ihren Ketten am Hals herumzuspielen. Eindeutige Zeichen dafür, dass sie unter Druck stehen und auf frischer Tat ertappt worden sind. Ich muss mir ein weiteres Lächeln unterdrücken und klopfe mir Imaginär auf die Schulter für meine gute Polizeiarbeit.
„Kommen wir zum Punkt. Wieso habt ihr es geklaut? Und für wen?", immer kleiner werden die beiden in ihren Stühlen und jetzt ist klar, dass sie die Flaschen nicht für sich selbst geklaut haben. „Ganz sicher, sind die nicht leer. Habe ich recht?", immer noch schweigen. „Kommt zum Punkt", zische ich und der eine scheint mit sich zu ringen. Wenn ich es richtig un Erinnerung habe, handelt es sich hierbei um Joe, der nicht so ein selbstbewusstes Auftreten hat, wie sein Kumpel.
„Wissen sie wie schwer es ist überhaupt um die Runden zu kommen? Ich habe vier kleine Geschwister. Meine Eltern kümmern sich überhaupt nicht um uns. Ich bin für sie verantwortlich. Ich brauchte das Geld", seine Äußerungen lassen mich kurz innehalten. London jedoch scheint kein Mitgefühl zu empfinden. Er boxt seinen Freund auf die Schulter. „Spinnst du, hör auf so nen Scheiß zu labern!".
„Das ist natürlich schlimm für euch, aber trotzdem ist es für euch keine Ausrede ein illegales Geschäft anzuführen", Joe zittert am ganzen Körper. „Bitte sagt uns die Wahrheit", versucht Sam so sanft wie möglich zu sagen. „Können wir nicht. Die bringen uns um", dieses Mal ist es London, der zu uns spricht. „Wir versprechen euch, wir werden euch helfen, aber dafür müsst ihr uns helfen. Eine Hand wäscht die andere".
Sie tauschen einen geheimnisvollen Blick aus. „Wir wollen im Austausch zu den Informationen, Schutz", verlangt London. „Vor wem denn?", ich werde immer ungeduldiger. Sam schätzt sie Situation sofort ein und deutet mir an, mich zu beruhigen und ihm weiterhin den Vortritt zu lassen. „Wir atmen jetzt alle einmal tief durch", die beiden Jungs werden trotzdem immer nervöser.
Unruhig schauen sie zum Einwegspiegel, bei dem sich auf der anderen Seite Polizisten befinden. Eigentlich sollte sich dort aber niemand befinden. „Könnten Sie zuerst schauen, ob dort auch keiner ist?", jetzt tauschen Sam und ich uns einen verwirrten Blick aus. Sam allerdings folgt der Bitte. „Keiner zu sehen, Jungs...", sie pusten laut Luft aus.
„Vor wem habt ihr so Angst?", auch wenn ich mich zurückhalten wollte, kann ich nicht verhindern meiner Neugierde nachzugehen. „Wir wollten das nicht. Wirklich!", beteuert Joe. „Aber wir wurden dazu gezwungen. Andernfalls bekommen wir noch mehr Probleme", ergänzt London. Es bringt mich um den Verstand, dass sie nicht aussprechen, vor wem sie so Angst haben. „Ich kann es nicht sagen, er wird mi- uns umbringen", stottert, der eigentlich gefasste London.
Joe nimmt allen Mut zusammen und bei dem Namen, den er formuliert, bin ich geschockt. „Detective Graves". Wutentbrannt springe ich ein weiteres Mal auf. „Warum der denn?", alle Aufmerksamkeit liegt auf mir. „Wir wissen von mehr nichts. Er hat uns Geld dafür gegeben, dass wir dort einbrechen und die Flaschen klauen. Die sollten wir ihm dann geben", erklärt Joe weiter. „Bitte?", stoßt nun auch Sam aus. „Ehrlich. Wir sollten nur sagen, dass wir das Haarspray für die Schule brauchten um cool zu sein. Mehr wissen wir nicht. Wirklich!", beteuert London. „Schon gut schon gut", winke ich ab. „Wir glauben euch". Erleichtert fällt die gesamte Abspannung bei ihnen ab.
„Hier meine Nummer. Wenn was ist. Wenn sich irgendwas komisch verhält, ruft mich sofort an. Sofort!", Sam schreibt auf einen Notizblock seine Nummer. Nachdem wir die beiden verabschiedet haben, setzen Sam und ich uns in einen geschlossenen Raum. „Du weißt was das heiß?", flüstere ich ihm zu. „Er hat ihn umgebracht. Er ist Drogendealer", fügt Sam hinzu. „Genau", ich nicke zustimmend. Sofort fällt mir die Verbindung zu Wayne ein. „Er ist es nicht nur seit gestern, schon vor 20 Jahren hat er sein Unwesen getrieben", jetzt hat Sam keinen Durchblick mehr.
„Natürlich, wie blöd bin ich denn", ich schlage mit der flachen Hand auf den Kopf. „Was ist? Bonnie?", nörgelt Sam quengelig. „Weißt du noch, dass mit dem Detective Wayne?", frage ich ihn, woraufhin er langsam, in Gedanken nickt. „Er hat die Akte verbrannt". „Rede Klartext!", fordert Sam.
„Wayne ist auf mysteriöse Art und Weise gestorben, weil er an genau dem gleichen Fall gearbeitet hat. Greaves hat das herausgefunden und als Polizist hat er leichtes Spiel gehabt. Er konnte ihn umbringen und die Beweise einfach vernichten. Er war damals schon der Drogendealer", erkläre ich stolz. „Eh und weiter?". „Miles Gold muss irgendwas damit zu tuen haben. Er hat die Designs für die Drogen erstellt. Vielleicht wollte er Graves erpressen oder verpetzen. Er musste ihn beseitigen. Er hat ihn getötet!", spreche ich es aus.
„Außerdem hat er die Jungs erpresst, dass sie die Flaschen klauen. So konnte er den Verdacht auf andere Leute lenken. Die Flaschen waren dort ausversehen. Sie sollten nie im Geschäft sein", Sam zählt eins uns eins zusammen. „Genau, das ist es! Graves ist ein Genie. Der ist jahrelang im Geschäft", jauchze ich. Ich bin begeistert von unserer Zusammenarbeit.
„Und warum hat er den Fall dann nicht selbst an sich genommen und uns gegeben?", fragt Sam verzweifelt. „Wäre doch zu auffällig gewesen. Außerdem dachte er sich, dass es die perfekte Möglichkeit ist. Ich bin neu und du bist ehmmm...", ich formuliere meinen Satz nicht weiter aus. „Speziell", sagt Sam stumpf. Ich unterdrücke ein weiteres Lachen.
„Wir müssen los!", ich springe voller Energie auf. „Wir müssen den Verräter zur Rede stellen und ich weiß genau wo!".
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Whispers from the past
Misterio / SuspensoA B G E S C H L O S S E N ☽ ONC 2023 - Beitrag ☾ In den pulsierenden Straßen von New York City lebt die junge Polizistin Bonnie ihren Traum als Detective. Doch ihr erster Fall stellt sie vor eine unerwartete und furchterregende Herausforderung: Eine...