Kapitel 71.

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Jungkook

Aufgelöst und machtlos. Dieses Gefühl der förmlichen Ohnmacht übermannte mich, weswegen Taehyung keine Sekunde mehr wartete und mich zum Krankenhaus fuhr, teilweise sogar für mich sprechen musste, da mir die Kraft dazu fehlte. Ich saß einfach da, wie ein halbtoter, nicht ganz auf der Höhe aber auch nicht hirntot. Ganz egal ob ich mich so fühlte. Irgendwie schaffte ich es anscheinend Taehyung davon zu erzählen, nachdem er eine ganze Weile warten musste. Und jetzt befanden wir uns hier. Im Krankenhaus, direkt neben meiner Schwester.

Nachdem sie zur Schule ging erfasste sie ein Auto und es war wohl pures Glück, dass ein Motorradfahrer sie direkt danach erkannte und den Krankenwagen rief. Ein paar Sekunden später und sie hätte mit ihrem Leben büßen müssen. Eigentlich sagte mir das alles, was ich wissen musste. Dieser Unfall plante niemand geringeres als Lee. Der grausame Freund meiner Mutter, ein ekelhafter Erpresser. Und anscheinend fing er an, seine Geduld zu verlieren.

Hiermit warnte er mich ziemlich deutlich. Gerade deswegen bekam ich kein Wort heraus, während ich neben ihr saß. Ich hielt einfach ihre Hand und sagte nichts. Blickte erschöpft und mit Tränen in den Augen zu ihr herab, musterte ihren jungen Körper voller Blauen Flecke und Wunden. Die meisten von ihnen wurden schon versorgt, so wie einige innere Blutungen. Deswegen konnten mir die Ärzte auch nicht genau sagen, wann sie wieder aufwachte.

Meine Mutter hatte sich zu keinem Zeitpunkt blicken lassen, ähnlich wie ich es erwartete. Um ehrlich zu sein war ich ihr fast dankbar. Denn so lerne Taehyung nicht die Frau kennen, die schon ihren Vater um den Finger wickeln und ins Bett bekommen wollte. Dabei liebte dieser offensichtlich seine Frau und ganz besonders seinen Sohn. Er gefährtede weder seine Ehe für eine Sex-Süchtige, geldbegierige Frau, noch seine Beziehung zu Taehyung. Außerdem gab es nichts, was meine Mutter diesem Mann anbieten könnte und er von ihr haben wollte.

Er hatte jedes Recht, mich weg zu schicken. Und es war besser so gewesen, weswegen ich seinen Worten Folge leisten würde. Heute Nacht, oder eher morgen früh, da ich da eine Schicht zum Putzen bekam, zerstörte ich sein Bild. Das, wofür er schon Monate arbeitete. Denn das hier endete nächstes Mal mit dem Tod meiner Schwester. Und weiteren Folterspielchen des gefährlichen Mannes. Seine Drohungen lösten Gewaltfantasien in mir aus, sodass mir ziemlich schnell klar wurde, dass man mit diesem Mann nicht spielte. Man tat das, was er sagte. Und ich tat es zu langsam. Also hinterließ er mir eine sehr klare Botschaft.

"Soll ich dir... Irgendwas bringen? Eine Suppe, oder einen Kaffee?" fragte Tae besorgt und machte sich neben mir Platz. Seine Hand legte er vorsichtig und beruhigend auf meinen Oberschenkel, doch ich senkte bloß niedergeschlagen den Kopf. Wenn er nur wüsste...

"Nein, du... Hast schon viel zu viel für mich getan, Taehyung. Aber danke" seufzte ich und starrte mein Handy an. Aus einem guten Grund. Kurz nach Taehyungs Worten vibrierte es dann auch schon in meiner Hand und ein mir all zu bekannter Name erschien. Zum Glück erkannte mein Nebenan nicht genau, wer mich da anrief. Es wäre besser so. Besser, wenn er einfach keine Ahnung hatte und weiterhin in Unwissen heißt blieb.

Das hier war mein Dilemma. Und ich musste es beenden, als auch am Ende dafür gerade stehen. Seit einer Weile schon überlegte ich mir sämtliche Ausreden, wenn Tae fragte, wieso ich ihn so hinterging. Wieso ich gerade das zerstörte, beziehungsweise warum ich es überhaupt tat. Denn ich konnte ihm alles sagen, außer der Wahrheit. Und doch wusste ich, dass er mir kaum etwas, außer die Wahrheit glauben würde. Nichts sagen stellte jedoch kaum eine Option dar.

"Das ist bestimmt... Meine Mom. Ich bin gleich wieder da" log ich, stellte mich gleichzeitig noch mental noch auf das Gespräch ein, das ich gleich haben würde. Den Älteren ließ ich alleine in dem Krankenzimmer zurück. Dort hielt ich es sowieso kaum mehr aus. Seoyon anzusehen, in dem wissen, dass ich Schuld an ihrem Zustand war, schmerzte unglaublich. Also ging ich aus dem Zimmer, schloss die Tür hinter mir, lief den Gang ein wenig herunter und presste meinen Finger gegen das Grüne Telefon.

"Lee, ich bin-" "Du hörst mir jetzt ganz genau zu, Jungkook. Ich dachte wirklich, ich hatte mich unmissverständlich ausgedrückt. Anscheinend musste ich dir erst wieder klar machen, was ich im Stande bin zu tun, wenn du nicht genau tust was ich dir sage." sprach die dunkle Stimme am anderen Ende des Telefons. Und alleine die sorgte für ein flaues Gefühl in meinem Magen. Am liebsten würde ich mich hier und jetzt übergeben. Stattdessen rollten ein paar Tränen der Verzweiflung meine Wangen herunter.

Eigentlich versuchte ich, etwas zu erwidern. Offensichtlich hielt ein dicker Klos in meinem Hals mich davon ab.

"Hast du bis morgen Abend um null Uhr endlich getan, worum ich nicht gebeten, sondern es verlangt habe, dann mache ich dir und deinem reichen Freund das Leben zur Hölle. Wie du siehst meine ich meine Drohungen ernst." Oh ja. Das machte er mit dem Unfall meiner Schwester mehr als klar. Ein paar Sekunden und sie wäre tot. Ihr Leben bestimmten ein paar verdammte Sekunden und der Rettungswagen erreichte gerade rechtzeitig die Unfallstelle. All das hatte seine Gründe.

"Ich verspreche dir... Ich bin bis morgen fertig. Aber bitte... Lee, lass sie beide in Ruhe" seufzte ich in den Lautsprecher meines Handys, hörte im Gegenzug bloß das amüsierte und gehässige Lachen des Älteren. Er wusste, von wem ich sprach. Mir selbst war ich schon lange egal. Wenn er wollte konnte er mit mir tun, was auch immer ihm beliebte. Hauptsache er ließ Seoyon und Taehyung in Frieden.

"Das werden wir sehen. Wenn du bis morgen nicht in die Gänge kommst, verschone ich keinen der beiden. Und ganz besonders dich und Taehyung" mir diesen Worten legte er auf. Sein letztes Satz jedoch blieb mir im Kopf. Die vielen Drohungen seinerseits schwirrten in meinen Gedanken herum und verfolgten mich seit den Tagen, an denen er sie aussprach. So viele grausame Dinge. Und ich wusste, dass ihm sicher noch schlimmere Dinge einfielen, wenn er erst einmal anfangen durfte.

"Hey... Du siehst fertig aus. Deine Schwester ist in guten Händen hier und du brauchst dringend Schlaf" holte Tae mich zurück in die Realität, doch ich schüttelte ziemlich schnell als Antwort mit dem Kopf. Zwar tat ich es leicht und eher widerwillig, doch ich wusste, dass sein Angebot keine gute Idee darstellte. Es endete nur in mehr Schmerz. Ganz abgesehen davon wie egoistisch und ekelhaft es von mir wäre.

"Ich sollte lieber hier bleiben. Meine Mutter kommt so schnell nicht und ich... Ich will nicht, dass sie alleine ist" versuchte ich weiter Ausreden zu finden. Taehyung auf der anderen Seite sah mich weiterhin liebevoll und doch auch ziemlich müde und erschöpft an. Sein Tag zog sich ähnlich in die Länge wie meiner. Wir beide sollten wirklich dringend ins Bett. Doch am aller besten in zwei verschiedenen Zimmern, so weit weg voneinander wie nur möglich.

Je früher ich für Abstand sorgte, desto besser. Denn morgen endete sowieso alles. Morgen früh und sobald Taehyung davon heraus fand, zerstörte es alles, was sich zwischen uns entwickelt hatte.

"Jungkook. Komm mit zu mir. Deine Schwester wird hier jede Sekunde von kompetenten Menschen beobachtet. Und ich kann dich keinesfalls... Guten Gewissens hier alleine lassen"

Und wie könnte ich dazu bitte nein sagen?

~

Hach Taetae :((

Pretty Boy // 𝑇𝑎𝑒𝑘𝑜𝑜𝑘 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt