Kapitel 31

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Mit verschwommenen Augen betrat ich das Zimmer meines Vaters. Als ich ihn dort liegen sah, so schwach, fühlte ich mich wie in Trance. Letzte Woche gab es doch nicht einmal annähernd ein Anzeichen dafür, dass es ihm schlecht ging oder hatte er wirklich nur so getan, als würde es ihm gut gehen?

,,George'' sagte er meinen Namen und versuchte sich aufzusetzen, doch scheiterte.
,,Dad...'' Ich stand an der Seite seines Bettes und hielt seine Hand. Sie war eiskalt.
,,Es tut mir leid'' murmelte er.
,,Was tut dir leid?'' fragte ich leicht irritiert.
,,Dass ich es nicht mehr zu deinem 18ten Geburtstag schaffen werde.''

Ich bekam eine bittere Gänsehaut.
,,Der ist doch schon nächsten Monat, das schaffst du - auch noch länger'' versuchte ich ihm mit einem Lächeln zu versichern, während mir Tränen die Wangen herunterliefen. Clay stand neben mir und hatte seinen Arm um mich gelegt. Mein Vater widmete ihm ein dankbares Lächeln.

,,So viel Zeit habe ich nicht mehr, George'' sagte er nun.
,,Was?'' entfuhr es mir schockiert.
,,Aber du hast doch gesagt - ''
,,Dass es keine Zeitangabe geben könnte, ich weiß...'' unterbrach er mich.

,,Das war gelogen'' seufzte er.
,,Ich weiß schon seit einem halben Jahr von der Krankheit. Ich wollte es dir nicht sagen, um dir keine Sorgen zu bereiten. Als ich dann erfahren habe, wie viel Zeit mir noch bleiben würde, bevor mein Herz aufgeben würde, war es schon viel zu spät.''

Meine Augen fingen bereits an zu brennen.
,,Letzte Woche gab man mir noch mit viel Glück zwei und halb Wochen'' erzählte er.
Der Griff um seine Hand verstärkte sich, ich war sprachlos und schockiert.

Ich beugte mich zu ihm herunter und umarmte ihn, während ich nun vollkommen in Tränen ausbrach. Meinen Vater hörte ich nun auch leise schluchzen.
,,Ich will das nicht'' flüsterte ich.

,,Hallo'' ertönte eine weitere Stimme im Raum. Ich richtete mich auf und schaute zur Türe, meine Mutter war wirklich gekommen. Bevor wir hergekommen waren, hatten wir ihr davon erzählt. Überraschenderweise hatte sie anders reagiert, als ich es mir vorgestellt hatte.

,,Enna'' kam es verwundert von meinem Vater.
,,John'' sagte sie ebenfalls seinen Namen, während sie mit langsamen Schritten auf uns zukam.
Erst jetzt realisierte ich, wie lange sie sich schon nicht mehr gesehen hatten.

,,Wieso hast du nichts gesagt? Wir hätten dir beistehen können'' entgegnete meine Mutter ihm.
Ich war zugegeben etwas überrascht über ihre Worte. Meine Mutter musste sich die letzten Tage wirklich verändert haben.

,,Ihr hattet schon genug um die Ohren'' sagte er und fing dabei an zu husten.
,,Ich wollte nicht, dass mein einziges Kind seinen alten Herrn so in Erinnerung behält'' fügte er hinzu. Ich starrte ihn an.
,,Du bist der beste Vater, den man sich nur vorstellen kann'' entgegnete ich ihm.
Er lächelte mich an.

Mein Vater fing unregelmäßiger und schwerer an zu atmen, was mich beunruhigte.
,,Wohin gehst du?'' fragte meine Mutter mich, als ich in Richtung Türe lief.
,,Einen Arzt holen.''
,,Ach das ist nicht nöt - '' wollte mein Vater sagen, doch fing erneut an zu husten, dieses Mal stärker.

Ich suchte den Flur ab, doch fand niemanden. Wo waren denn alle hin?
Ich wurde nervös und hektisch. Als ich mich umdrehte und loslaufen wollte, lief ich plötzlich in jemanden hinein.

,,Du solltest dich beruhigen, bevor du wieder darein gehst'' hörte ich Clays Stimme, während er mich in seinen Armen hielt. Wollte er mich hier etwa abfangen, bevor ich wieder ins Zimmer gehen würde? Weshalb?

,,Wieso?'' fragte ich mit einem unguten Gefühl.
Er schaute mich einfach nur an und sagte nichts, doch sein Blick verriet mir alles.
Ich riss mich los und rannte zurück in den Raum.

Plötzlich war dieser von einem Arzt und zwei Krankenschwestern befüllt.
Ich sah gerade noch, wie sie das Beatmungsgerät meines Vaters ausschalteten, wessen Piepsen ich gar nicht wirklich wahrgenommen hatte.

Mein Blick fiel auf meinen Vater, der leblos mit geschlossenen Augen dort lag.
Ich hatte das Gefühl, als hätte man mir die Luft abgeschnürt, als würde ich ersticken.
Erneut fingen meine Augen durch die Tränen an zu brennen.

Ich nahm nur noch wahr, wie Clay mich umgedreht und zu sich in eine Umarmung gezogen hatte. Ich fühlte so viel Schmerz, doch gleichzeitig betäubte mich dieser auch.
Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich fort sein sollte.

Ich war nicht einmal da, weil ich den Raum verlassen hatte.
,,Jeder Moment könnte mein letzter sein'' ertönte die Stimme meines Vaters in meinen Gedanken. Wieso hatte ich nur ausgerechnet jetzt diesen Gott verdammten Raum verlassen?!


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Still not the last Chapter(erst das nächste)

Bad RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt