Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier

Kapitel 22 //

Wütend trat ich die Schultasche von einem anderen Schüler zur Seite, während ich auf mein Klassenzimmer zustampfte. Was ließen diese Kinder auch immer ihre Rucksäcke überall stehen? Dass viele von ihnen älter als ich waren, ignorierte ich komplett. Ich war stinksauer. Nicht nur auf diese nervigen Ungeheuer, denen ich dank der Schule nicht aus dem Weg gehen konnte, sondern ganz besonders auf Vitalina. Ich konnte dieses perfekte Engelchen nicht leiden. Wenn ich nach der netten Lektüre gehen würde, die ich gestern noch zu Ende gelesen hatte, brauchte sie nur eine Kugel in den Bauch, um einmal ruhig zu sein. Aber leider waren wir hier in Deutschland im einundzwanzigsten Jahrhundert und nicht im guten alten wilden Westen. Gestört hätte es mich nicht, im Gegenteil; mit mehr Prügeleien und Schießereien wäre es hier schon ganz lustig geworden. Und außerdem hätte ich mit Lederstiefeln viel besser zutreten können. 

"Gloria, bleib sofort stehen!", schrie irgendjemand hinter mir her. Noch nie war es vorgekommen, dass jemand meinen Namen so seltsam ausgesprochen hatte. Sie sprach alles in einem seltsamen Singsang aus, bei dem die Vokale so lang waren, dass es sehr wahrscheinlich war, dass ihre Stimmbänder reißen werden. Der Rest des Satzes war dagegen ziemlich unspektakulär. Kein Geträller wie im Musikunterricht, eher wie das Bellen eines Hundes. 

Ich gab keine Antwort und latschte einfach weiter. Nicht schnell genug jedoch, denn schon nach wenigen Sekunden stand sie direkt vor mir. Eine Frau, die vielleicht schon zu alt für den Job war und sich aufplusterte wie ein Gockel. Der Rock ging ihr gerade einmal über ihre Knie und die hochhackigen Schuhe nicht einmal bis zum Knöchel. Wie konnte die arme alte Omi nicht hinunterfallen in diesen Klammotten? 

"Und? Was ist los?" Einen anderen Schüler hätte ich beiseite geschubst, aber wenn sie sich schon solche Mühe gab, mich zu erreichen ... 

"Man begrüßt ältere Leute!", keifte sie sofort. 

"Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich selbst für so alt einschätzen würden. Aber zutreffen tut es ja schon, also guten Morgen." Diese Reaktionsfähigkeit brauchte man erst einmal. Auch wenn sie beim Maulaufreißen nicht gerade langsam war. 

"Wie wagst du es, mich zu beleidigen?" 

"Ich wage gar nichts, Sie schreien doch hier herum. Und jetzt, gehen Sie mal au dem Weg, ich muss zum Unterricht." Es war mir egal, ob ihr das passte oder nicht, aber ich drängelte mich an ihr vorbei. Ohne Rücksicht auf Konsequenzen und ohne mich zu fragen, weshalb sie überhaupt zu mir gekommen war. Und natürlich, wer diese Omi war.