Kapitel 1

102 18 9
                                    

Ich trat verzweifelt um mich, doch der feste Griff um meine Arme lockerte sich kein Stück. „Hilfe!" schrie ich und Panik breitete sich wie eine verschlingende Flamme in mir aus.
Die schwarz gekleidete Person zog mich einfach hinter sich her und ich hatte nicht die Kraft mich zu befreien. Doch so einfach aufgeben wollte ich nicht.
Ich kratze den letzten Rest Energie auf, drehte und wendete mich, wie ein Kaninchen in der Falle. Ein fester Ruck ging spürbar durch seinen Körper, er schien das Gleichgewicht zu verlieren und versuchte es augenblicklich wiederzuerlangen. Die wenigen Sekunden seiner Verwirrung musste ich also zu meinem Vorteil nutzen und deshalb trat ich mit einer Wucht zwischen seine Beine, dass sogar mein Fuß anfing schmerzend zu drücken.
Ein schmerzerfüllter Schrei, ein zu Boden sinkender Mann. Meine Chance zu fliehen. Ich riss mich los und rannte so schnell, wie mich meine Beine überhaupt noch tragen konnten.
Weg, weg, einfach nur weg.

Ich durchquerte die verlassenen Gassen, die nur noch von den vereinzelten Straßenlaternen erhellt wurden. Mein Herz wummerte unaufhörlich gegen meine Brust, sodass ein stechender Schmerz ausgelöst wurde. Lange würde ich das nicht mehr ausgehalten, so viel stand fest.
Ich bog in eine der kleinen Gassen ein, in der es keine Belichtung gab, blieb stehen und lehnte mich an eine Hauswand. Das laute Pochen meines Herzens und mein keuchender Atmen drangen durch die Dunkelheit.
Jegliche Kraft wich aus meinem Körper und ich rutschte langsam die Wand herunter. Mit dem Kopf auf meine Knie gestützt versuchte ich eine ruhige Position zu finden, um durchzuatmen.
Nur ein paar Minuten!
Sehr lange konnte ich nicht hier draußen bleiben, das war mir bewusst. Jedoch musste ich durchatmen, brauchte die Kraft, um weiterzulaufen.

Mit der Zeit beruhigte sich mein rasender Atem wieder und meine Gliedmaßen entspannten sich. Ich lehnte den Kopf an die Betonwand hinter mich und schloss meine Augen.
Was war dort überhaupt passiert? ... Erstmal egal! Ich muss hier weg!
Ich versuchte aufzustehen, doch meine müden Beine arbeiteten stark dagegen an. Sie schmerzen, als ich mich an der Wand hoch drückte und beinahe wäre ich wieder zusammengesackt. Dennoch schaffte ich es, mich in einer ungesunden Haltung nach oben zu drücken und stand schließlich mehr oder weniger sicher auf meinen Füßen. Holprig lief ich auf die Straße zu, heraus aus der kleinen Gasse, in der ich mich bis vor einigen Momenten noch befand.
Ich trat ins Licht und schaute mich verängstigt um. Niemand war zu sehen und ich atmete erleichtert auf.
Jetzt nur noch nach Hause!
Ich lief zielstrebig in die Richtung, in der ich mein Zuhause vermutete. Mit Sicherheit konnte ich es nicht sagen, ob ich in dieser Richtung wohnte, doch etwas besseres fiel mir im Moment nicht ein.
Ständig drehte ich mich um, versuchte in der Dunkelheit die Umrisse zu deuten, doch ich konnte niemanden sehen. Einige Schatten spielten mir vereinzelt einen Streich und erzeugten den Anschein, als würde sich dort etwas bewegt haben, aber es war niemand da.
Oder? Was ist, wenn doch jemand in den Schatten lauert und nur darauf wartet, bis er mich anfallen kann.
In meinem Kopf spielte sich ein Szenario nach dem anderen ab. Eine Person springt aus dem Schatten heraus und schnappt mich. Dieses Bild wiederholte sich immer wieder vor meinem inneren Auge. Verzweifelt versuchte ich diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, doch es half nichts und ich sah weiterhin die Szene vor mir.

Plötzlich packte etwas meine Hand und riss mich herum. Ich wollte schreien, doch jemand hielt mir den Mund zu. Ein wütendes Augenpaar starrte mich an und die maskierte Person raunte mir dann zu: „Wenn er nicht noch etwas mit dir vorhätte, würde ich dich jetzt schon umbringen!"
Jetzt schon? Umbringen? Was will dieser Mann?
Unbemerkt begann ich zu zittern und pure Angst machte sich in jedem Teil meines Körpers breit. Ich hatte Panik und meinem Gegenüber schien das regelrecht zu gefallen. „Wenn du dich sträubst, wirst du dir wünschen, nie geboren zu sein! Glaube mir."
Er schlug mir unerwartet in den Bauch und ich zuckte unter dem ausgelösten Schmerz stöhnend zusammen. Hätte er mich nicht festgehalten, wäre ich höchstwahrscheinlich zusammengebrochen. In meinem Mund machte sich das Gefühl breit, als würde ich mich jeden Augenblick übergeben müssen und meine Sicht begann langsam zu verschwimmen. Wie ein nasser Sack hing ich in den Armen meines Entführers und er hievte mich über seine Schultern. Ich bekam es kaum mit, als er stöhne: „Die ist ja schwerer als sie aussieht."
Meine Gedanken kreisten wie wild in meinem Kopf umher, doch ich spürte nicht mehr, als einen Hagel gegen das Innere meines Kopfes.

Ich stöhnte erneut auf, als er mich auf etwas Hartes fallen ließ. Schmerz durchzog meinen Rücken und ich wollte am liebsten schreien, als ich das laute Zuschlagen von Autotüren hörte, doch ich konnte nicht. Mir fehlte jegliche Kraft dazu. Ich war nicht mehr, als ein kraftloses Häufchen Elend, im Inneren eines Kofferraums, das in großen Schwierigkeiten steckte. Im Groben und Ganzen also eine Lage, in der man nicht unbedingt stecken wollte. Doch das tat ich.
Mein schmerzender Kopf funktionierte glücklicherweise noch etwas, wodurch ich mir irgendwie meine derzeitige Lage erschließen konnte. Der brummende Motor würde jeglichen Hilferuf übertönen. So viel stand fest.
Was kann ich nur tun? Erstmal aufsetzen.
Etwas besseres fiel mir zu dem Zeitpunkt nicht ein.
„Komm schon!" flüsterte ich zu mir selbst, als ich versuchte, mich mit meinen zitternden Armen hochzudrücken. Der Fakt, dass sich das Auto bewegte, erleichterte mein Vorhaben nicht wirklich, sondern machte es nur noch schwieriger.
Ich saß fast, als das Auto ruckartig um eine Kurve fuhr und ich das Gleichgewicht verlor. Schmerzvoll schlug ich meinen Kopf gegen die Wand des Fahrzeuges. Das bereits schon vorher präsente Brummen in meinem Kopf wurde immer lauter und übertönte kurze Zeit später alle anderen Geräusche.
Ich muss wach bleiben! Sonst bin ich noch schneller tot.
Doch ich konnte nicht. Dunkelheit zog sich wie ein dunkler Schleier über meine Augen und nach und nach verschwamm das Wenige, was ich in dem schwachen Licht, welches von vorne herein drang, erkennen konnte, zu einem undurchdringlichen, endlos scheinenden Schwarz.

Werwolf - Das Spiel beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt