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Anmerkung:
Kapitel 21 ist zweigeteilt, aufgrund von zeitlichen Schwierigkeiten und der zweite Teil folgt dann in ein bis zwei Wochen. Bis dahin wüsche ich viel Spaß beim Lesen und ich würde mich wie immer sehr über Feedback freuen.
----------------Angewidert von diesem ganzen Spiel streifte ich meine durchtränkte Kleidung ab und wühlte im Schrank nach einem neuen Oberteil und einer passenden Hose. Meine nassen Haaren tropften derweil auf meinen Rücken und das Wasser lief mir langsam über die Haut. Es kitzelte leicht, doch ich konnte dieses angenehme Gefühl nicht genießen. Es drang nicht zu mir durch, konnte in mir keine Freude auslösen und so starrte ich weiter stumm in den Schrank.
Ich fühlte mich ausgelaugt. Ich fühlte mich kaputt. Ich fühlte mich wie eine andere Person.
Meine Gedanken waren mir so fremd und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie von mir stammten. Das war nicht mehr das, was einer fröhlichen, verrückten und energiegeladenen Person durch den Kopf ging. Es waren die Gedanken einer betrübten, verängstigten und geschlagenen Person. Geschlagen von diesem Schicksal und dieser einnehmenden Angst. Geschlagen von dieser Grausamkeit und dem nahen Tod. Geschlagen von dem Spiel.Der weiche Stoff des Pullovers schmiegte sich an meine Haut und hielt mich davon ab, wieder in Selbstmitleid zu versinken. Ich hatte keine Lust mehr auf diese Angst, keine Lust mehr, dass mich diese Furcht in die Knie zwang.
Dieses Spiel ging mir so nahe und ich überlegte, ob ich nicht versuchen könnte, all das abzuschirmen, es mir nicht zu Herzen zu nehmen. Kalt durch das Geschehen zu gehen und so meine zerbrochene Seele zu schützen.
Doch das war ich nicht. Egal wie sehr mich dieses Spiel veränderte, eine solche Mauer konnte ich nicht um mein Herz errichten. Dafür war ich emotional zu schwach. Zu geschlagen.
Ich wollte zwar versuchen, diese Angst zu überwinden, doch meine Gefühle waren schwer zu besiegen. Ihnen unterlag ich nur viel zu oft. Viel zu oft gewannen sie die Oberhand. Das war schon früher so gewesen, doch hier in dem Spiel hatte es ein ganz anderes Ausmaß angenommen. Hier kam ich aus diesem Loch nicht wieder heraus, konnte mich nicht ablenken. Zwar kam ich hin und wieder auf andere Gedanken, doch nach kurzer Zeit wurde ich bereits wieder zurück in diese Angst geworfen. Zurück in diese Realität. Zurück in dieses Spiel.Verärgert, dass mich diese Gedanken schon wieder umschlossen, zog ich mir rasch die Hose an und stapfte dann aus dem Zimmer. Ich suchte nach einem Ort, an dem ich zur Ruhe kommen konnte, an dem mich all diese Zweifel nicht heimsuchen konnten.
Das Bad?... Nein, zu nass. Das Wohnzimmer? ... Auch nicht. Zu viele Erinnerungen... Wo kann ich hingehen?
Ich blickte mich im Flur um und streifte mit meinen Augen die Türen ab. Dabei fiel mir eine auf. Sie war am Ende des Flures, gegenüber der Haustür. Ich hatte sie bisher nur einmal geöffnet, als ich am ersten Tag auf der Suche nach dem Wohnzimmer war, doch was darin war, konnte ich nicht mehr sagen. Auch Tabea hatte sie bei ihrer Beschreibung des Hauses vergessen, obwohl sie gemeint hatte, sie hätte jeden Raum angesehen.
Neugierig und froh darüber, dass die vielen Gedanken in meinem Kopf sich langsam zurückzogen, ging ich zu der Tür und drückte gespannt die Klinke herunter. Automatisch schaltete sich eine Deckenleuchte an und ließ mich das erkennen, was es in dieser kleinen Abstellkammer zu entdecken gab.
An der hinteren Wand befanden sich zwei niedrige Regale, gefüllt mit allerlei Krimskrams und daneben stand ein großer, alter Koffer.
Interessiert trat ich in das nicht sehr geräumige Zimmer. Zu meiner Linken waren nur ein Bügelbrett, ein Spiegel und ein breiter, aber leerer Bilderrahmen. Es wirkte etwas kalt, dass man nur die raue Verkleidung des Rahmens sehen konnte und als ich ihn betrachtete, kam in mir das Gefühl auf, als würde etwas fehlen. Nicht nur die Leinwand in der Mitte, sondern auch etwas, was eigentlich dazu gehörte, aber an diesem Bilderrahmen nicht zu finden war. Nur wusste ich nicht was.Ich starrte ihn noch einige Augenblicke an, bis ich es schaffte, mich davon loszureißen und die rechte Seite des Raumes zu betrachten. Dort entdeckte ich eine weiße Waschmaschine, einen kleinen Wäschetrockner, auf dem einige Flaschen und Tuben ruhten, ein rundes Regal mit Rollen und einen hellbraunen Wäschekorb. Mir fiel erneut auf, wie wenig diese Gegenstände zusammen passten. Der Wäschetrockner wirkte recht modern und erinnerte mich an den, der bei mir Zuhause im Bad stand, während bei der Waschmaschine beinahe schon die Farbe abblätterte. Das Ding sah museumsreif aus und ich bezweifelte, dass man damit noch ordentlich waschen konnte. Aber ich hatte auch nicht vor es auszuprobieren.
Stattdessen ging ich zum Regal, dem Teil, was in diesem Zimmer am interessantesten wirkte, und zog eine der Kisten heraus. Eine leichte Staubschicht hatte sich auf dem Deckel abgelagert und ich strich diese sanft herunter, bevor die Box öffnete. Im Inneren befanden sich einige Blätter, die unsauber auf einen Haufen gestapelt worden waren. Behutsam nahm ich sie heraus und bemerkte kleine Skizzen darauf. Auf dem Ersten erkannte ich eine kindlich gemalte Landschaft mit einem Haus und Bergen im Hintergrund. Interessiert setzte ich mich auf den Boden vor dem Regal und schaute mir die Zeichnungen an. Sie mussten von verschiedenen Personen stammen, so unterschiedlich, wie sie waren. Einige waren kunterbunt und voller Formen und Muster, während andere düstere Gestalten in einem einsamen Grau zeigten. Auch vom Niveau unterschieden sich sich sichtlich. Bei einigen vermutete ich ein etwas älteres Kind dahinter, während ich bei anderen fasziniert über die Präzision auf einen erfahrenen Erwachsenen tippte. Es war so gegensätzlich, was es irgendwie schön machte.
Ich versank förmlich in den Bildern, starrte einige von ihnen mehrere Minuten an. Die unterschiedliche Sicht auf teilweise dieselben Sachen fesselte mich und ich konnte kaum genug davon bekommen.Gerade verglich ich zwei Zeichnungen eines Springbrunnens, der mich stark an den auf dem Platz erinnerte, als mein Armband anfing zu brummen. Augenblicklich wurde ich aus meinen Gedanken geworfen und schwebte nicht mehr in den Farben und Formen auf diesen Blättern. Ich saß wieder in einer kleinen Abstellkammer zwischen einem Haufen durcheinander geworfener Zeichnungen.
Während ich langsam aufstand, spürte ich, wie diese ganzen Ängste und Vorstellungen wieder in mein Herz gruben und begannen meinen Verstand zu vernebeln. Wie eine kalte Schlange krochen sie erst meine Haut entlang, bis sie schließlich in mein Inneres kletterten und mich dort erschaudern ließen.Ich bahnte mir meinen Weg durch die Blätter, drückte die Klinke herunter und schob mich aus dem Zimmer heraus. Sehnsüchtig blickte ich zurück auf die vielen kleinen Bilder am Boden, schloss dann jedoch die Tür und das Licht erlosch. Ich wollte nicht gehen, wollte eigentlich noch länger in dieser Kreativität, die dort im Zimmer schwebte, verweilen, doch das drängende Vibrieren an meinem Handgelenk ließ das nicht zu. Ließ nicht zu, dass ich zu lange nicht an das Spiel dachte.
Ein leises Klacken ertönte und ich blickte zur Haustür. Es war wieder so weit. Es ging wieder los.
Angespannt sog ich scharf Luft in meine Lungen, schloss für einen Moment die Augen und ging dann bestimmt zum Ausgang. Ein Schwall Wärme überrollte mich, als ich aus der Tür trat und ich hatte das Gefühl, als würde dieser Ort mit jedem Tag stickiger werden. Die Erinnerungen an die Bilder trugen mich die kleine Treppe hinunter und durch den überschaubaren Vorgarten, doch als ich auf den Weg trat, schienen sie wie aus meinem Kopf zu fließen. Ich wollte sie aufhalten, sie noch länger in meinen Gedanken behalten, doch die weiter aufkeimende Angst verdrängte sie rücksichtslos. Sie waren weg und ich wusste nicht, ob ich sie wiederholen konnte.
So ging ich den Weg entlang, betrübt und ohne Hoffnung, während sich mein Kopf wieder um den Traum drehte.
Ein Schrei. Ein metallenes Schleifen. Ein Schuss.
Die Geräusche saßen mir noch tief in den Knochen und ließen mich zittern, als sie erneut leise durch meinen Körper tönten.
Was hat das zu bedeuten?
Die Frage brannte sich in meine Gedanken und begleitete mich, als ich stumm den Pfad zum Platz entlang trottete. Ich erinnerte mich zurück an den ersten Traum. Leyla sah ich dort. Auch sie hatte geschrien. Und dann war sie am nächsten Morgen tot.
Kann ich mit den Träumen erkennen, was passieren wird? Ist das die Fähigkeit, die ich habe? Das bedeutet aber...Ich rannte los. Der Gedanke traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich wollte ihn nicht wahrhaben, doch je mehr ich versuchte, ihn zu verdrängen, desto mehr Sinn ergab er.
Wenn es bei Leyla nur ein Geräusch war, dann müssen es jetzt doch drei...
Ich kam auf den Platz und steuerte sofort die Stelle an, an der wir das erste Mal die Tote gefunden hatten. Schon von Weitem sah dort undeutlich mehrere Gestalten und dieser Gedanke, den ich versucht hatte zu verdrängen, schob sich förmlich vor meine Augen.Ich konnte es nicht fassen, was sich dort befand. Meine Beine wurden weich und ich schaffte es nur schwer die letzten Meter zu rennen, bevor ich zusammenbrach.
Den kahlen, trostlosen Stein unter mir hockte ich dort und starrte zitternd vor mich. Es waren wirklich drei Personen, die hier leblos ruhten. Drei weitere Personen, die ihr Leben in diesem Spiel verloren hatten.
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Werwolf - Das Spiel beginnt
HorrorFünfzehn Personen. Fünfzehn Charaktere. Ein Spiel. Eingesperrt, werden sie gezwungen zu spielen. Sie wurden aus ihrem Alltag herausgerissen und in diese, für sie völlig fremde Welt gesteckt. Die Grenze zwischen Leben und Tod verschwamm vor ihren...