Die Kreative

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Durch meine Idee dieser Gespräche komme ich in der Welt herum, aber ich lerne auch ein Gebiet kennen, das ich bisher auf meinem Reiseradar nicht erkennen konnte: die Nordgrenze der Schweiz. Mehr und mehr erkenne ich die Schönheiten und sorgsam verborgenen Schätze meiner nördlichen Nachbarländer Deutschland und Frankreich; und das freut mich sehr.

Heute sitze ich zusammen mit stilusstory gemütlich in einem Straßencafé gleich an der Kathedrale von Straßburg. Darüber bin ich sehr dankbar, denn bei ihr befürchtete ich, mich in einem Sportwagen wiederzufinden und während des Gesprächs mit zweihundertdreißig Sachen über die dichtbevölkerte Autobahn in den Mittelbergen zu rasen. Das hätte mir deutlich mehr Schweiß (ja, und vermutlich auch das gleiche Wort ohne w) in die Kleider getrieben. Ich bin etwas zu früh, sie ist noch nicht hier.

So kann ich die angenehmen Temperaturen genießen, meinen Cappuccino schlürfen und auf Stilusstory warten, der aufgespannte Sonnenschirm spendet angenehmen Schatten. Es ist etwas vor Mittag und obwohl geschäftiges Treiben herrscht, ist es nicht allzu laut. Die wunderschönen Fachwerkhäuser hier im Stadtkern versprühen einen ganz eigenen Charme und die Blumen, die in den Hängekästen blühen, verbreiten einen erfrischend-süßen Duft.

Sie ist nicht blond, die großgewachsene, farbenfroh-sommerlich gekleidete Frau, die selbstsicher auf mich zuschreitet. Sie hat Stil. Es kann nur sie sein. Etwas Angst habe ich vor dem heutigen Gespräch auch ohne Autobahn, denn Stilusstory ist Germanistin. Ich werde mich anstrengen müssen, einigermaßen richtig zu sprechen.

Meine Zweifel lösen sich ebenso schnell in Luft auf, wie Tauben verschwinden, wenn sie an einem anderen Ort Futter vermuten. Sie hat ein gewinnendes Lachen und ich fühle mich auf einmal in familiärer Sicherheit. Die Brünette ist in etwa halb so alt wie ich, könnte meine Tochter sein und ich wäre stolz auf sie.

Wir begrüßen uns herzlich und sie bestellt sich ihren Latte Macchiato.

"So stilvoll wie du dich kleidest, passt dein Name super zu dir."

"Haha, das hat mit dem Stil eigentlich wenig zu tun. Ich wollte, dass im Profilnamen schon das Schreiben in irgendeiner Form enthalten ist. Schließlich bin ich auf ‚Stilus' gekommen, weil das ein antikes Schreibwerkzeug ist. Dieser Begriff ist etymologisch mit dem heutigen Wort ‚Stil' verwandt, da beim Schreiben ja auch jeder seinen eigenen Stil hat. Ein anderes Wort für ist ‚Stilus' ist übrigens ‚Griffel', aber im Profilnamen klingt das nicht so gut. Und so bin ich auf ‚stilusstory' gekommen."

"Ich mag den Namen sehr."

"Danke dir. Es ist schön, dich zu treffen. Ich möchte dein Wattpad-Profil loben. Es ist eine echt tolle Sache, dass du Reviews zu Büchern schreibst und auch die kreativen Köpfe hinter den Geschichten interviewst. Danke dir für deine Mühe!"

Das macht mich nun etwas verlegen und ich verliere kurz den Faden. Kaffee hilft in allen Lebenslagen, also nehme ich rasch einen Schluck aus meiner Tasse. "Ich bin nervös heute. Immerhin spreche ich mit einer Germanistin."

"Ach was, das brauchst du nicht. Ich bin total begeistert von deinen Texten, seien es die Reviews oder die Interviews. Du brauchst dich echt nicht zu verstecken. Kleinere Fehler können jedem passieren, da bin ich sicherlich keine Ausnahme. Nur wenn ich einen Text lese, der viele Fehler enthält, stört mich das schon ein bisschen. Tatsächlich fallen mir - egal wo ich bin - Rechtschreibfehler immer schnell ins Auge. Zum Beispiel auf Speisekarten. Oder Leute in meinem Umfeld werden korrigiert, wenn sie so etwas wie ‚einzigster' sagen. Ansonsten bin ich ganz lieb." Ihre Aussage untermalt sie mit Gesten, als wäre sie Italienerin. Sie lächelt wieder und ich glaube ihr jedes Wort. "Aber meine Stärken liegen eindeutig im sprachlichen Bereich. Handwerklich bin ich nicht ganz so begabt, was vielleicht damit zusammenhängt, dass ich etwas tollpatschig bin."

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