Die Stilvolle

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Ein Strandpicknick mit MrsRosarot

Einmal mehr befinde ich mich an einem wunderschönen Ort, obwohl der Name an sich eher traurig klingt. Ein Matador ist der letzte der Stierkämpfer in der Arena. Der kräftige, hervorragende, strahlende Mann, der dem Stier den Todesstoß gibt, umjubelt von der frenetischen Menge, bewundert von den schönsten Frauen. Es wundert mich denn auch kein Bisschen, dass die Felsformation, die halb im Wasser und halb auf dem Sand steht, entfernt an einen Stier erinnert - mit etwas Fantasie. Solche haben wir Schreibenden glücklicherweise genug.

Das Meer rauscht regelmäßig, die Wellen schlagen an die Felsen, Gischt spritzt hoch, danach glubbert und blubbert es, als wolle das Wasser aus einer versteckten Höhle ausbrechen.

El Matador Beach, Malibu, Kalifornien - so ist der Name des berühmten Ortes, den jährlich tausende von Touristen besuchen. Heute ist glücklicherweise fast niemand hier. Der Himmel nimmt bereits langsam die Farben meiner Gesprächspartnerin an - MrsRosarot erwartet mich. Lila und Dunkelblau ergänzen das Bild, die Felsen schimmern orange. Wir treffen uns hoch oben, auf den Klippen, damit wir einen besseren Überblick über das traumhafte Naturschauspiel haben können. Ein Glück, dass die Natur nicht lesen kann, hat mal jemand in einem Film gesagt, sie würde sonst womöglich eitel werden.

Wer das Buch 'Trustfall' von MrsRosarot gelesen hat, dem dürfte der Ort bekannt vorkommen - die gewiefte Frau hat ihn absichtlich ausgewählt, um dem Gespräch einen passenden Rahmen zu geben. Sie sagt von sich selbst, ihre Beschreibungen seien grottig - im Angesicht dieser Grotten hier bedeutet das wohl, die Beschreibungen sind wunderbar.

Obwohl sie einiges jünger ist als ich, strahlt MrsRosarot Erfahrung und Stil aus, sie wirkt geerdet, zufrieden. Wir begrüßen uns herzlich und blicken aufs Meer hinaus - das, was wir beide lieben.

"Warum treffen wir uns genau hier", frage ich leise.

"Höre hin: Die Wellen brechen an den Felsen und lassen dazwischen nichts als Stille zurück. Keine Stille, die mich anschreit, sondern eine, die Frieden flüstert. Inneren Frieden. Den suche ich zwar manchmal noch vergebens, aber dafür sind wir ja hier, ne?"

Lächelnd breitet sie ihre Arme aus, schließt für einen Moment die Augen und atmet tief ein. "Ja, so muss sich endlose Freiheit anfühlen."

Langsam läßt sie die Luft wieder aus ihren Lungen entweichen und blickt in die unendliche Weite. Die Sonne versinkt langsam im Ozean und taucht den Horizont, in ein lila-oranges Licht. Obwohl der Strand sonst gut besucht ist, sind wir allein. Mal von ein paar Vögeln, die am Himmel kreisen abgesehen. "Ich wünsche mir, auch nur ein einziges Mal fliegen zu können. So, wie ich es mir früher als Kind oft gewünscht habe", fügt sie schließlich noch an.

Nachdem die Sonne fast im Meer versunken ist, gehen wir die Stufen runter zum Strand. Dort wartet ein Lagerfeuer auf uns und ein kleines Picknick, das eventuell zu einem Mitternachtssnack ausarten könnte. Während wir auf die Wellen schauen, die von der seichten Brise an den Strand gespült werden, knistert das Feuer im Hintergrund. Der Mond löst die Sonne ab und erste Sterne zeichnen sich am klaren Himmel ab.

"Warum schreibst du?", will ich wissen und beginne damit unser Gespräch.

"Fallen und fliegen. In vielen Szenen - vor allem in Emmas Rückblicken - verarbeite ich persönliche Erfahrungen, an die ich mich vor dem Schreiben nicht mal erinnern konnte. Dennoch waren sie da, wie kleine Monster, die du im Schrank versteckst, damit sie dich, meistens nachts, heimsuchen. Seitdem ich mich ihnen stelle, ihnen Namen gegeben habe, verlieren sie langsam ihren Schrecken. Ich kann inzwischen rationaler mit ihnen umgehen."

"Fallen und Fliegen? - Magst du es mir genauer erklären?" Wir sprechen leise, das knisternde Feuer und das rauschende Meer verstärken die vertrauensvolle Stimmung.

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