Die Denkende

199 32 120
                                    

Ein Museumsbesuch mit thinkerling

Man sagt, in Schottland regne es mehr als in Seattle, wo es mehr regnet als in Schottland. Ich kann beides nicht bestätigen, denn ich hatte weder in Seattle noch in Schottland wirklich viel Regen. Tatsächlich zeigt sich auch heute die Sonne, als ich den Flughafen von Edinburgh verlasse. Bis zur Altstadt nehme ich mir ein Taxi, denn mit dem Linksverkehr ist das so eine Sache.

Heute treffe ich mich mit einer interessanten Userin, die von ihrem Auftreten her sehr jugendlich wirkt; es ist Thinkerling. Da bin ich mal gespannt, setze mich auf die Mauer, das Castle im Rücken, eine Reihe von Touristenfallen und Pubs vor mir, auf der anderen Straßenseite. Hier haben wir uns verabredet und wie meistens bin ich etwas zu früh. Eine fröhliche Person Mitte zwanzig mit braunem Pixie-Cut strahlt mich an. Offensichtlich habe ich mich geirrt, denn ich hätte eine Teenagerin erwartet. Wie so oft fällt die Begrüßung herzlich und eisbrechend aus.

"Lass uns einige Schritte gehen", meint Thinkerling dann und führt mich weiter in die Stadt hinein. Nur wenige Minuten später befinden wir uns noch tiefer in der Altstadt Edinburghs. Gepflasterte Gassen winden sich eng und gleich einem Labyrinth zwischen geneigten Häusern aus Aberdeen Granit, in dem man sich fast freiwillig verlaufen will. Stein auf Stein in unterschiedlichen Tönen, so dass sich flimmernde Muster auf den Fassaden bilden, wenn man zu lange hinsieht. Hügel, schmale Treppen, geschwungene Straßen und dunkel lackierte Straßenlaternen. Alles wirkt ein bisschen, als wäre man in eine mysteriöse Geschichte gefallen. Als könnte jeden Moment ein Kobold über einen Fenstersims klettern und zwischen Blumentöpfen verschwinden, ein Drache brummend unter dem Schatten einer Brücke hervorkriechen oder eine Schattengesellschaft verlockend riskante Angebote unterbreiten.

Über uns sind Wolken auf einen blauen Himmel getupft. Es ist Sommer und doch weht ein frischer Wind. Nicht fröstelnd, eher angenehm, wie ein Streicheln, wenn Geister mit gut gemeinten Worten versuchen Erinnerungen zu teilen. Geister immerhin, gibt es überall in Großbritannien, heißt es.

Wir gehen in das "National Museum of Scotland". In ein Museum hat mich noch niemand geführt - ich bin gespannt darauf, auf das alte Gebäude, in dem weiße filigrane Säulen die hohen, luftigen Ebenen der Galerien halten und das nostalgische Geisterflüstern der Straßen zu neugierigem Murmeln wird.

"Thinkerling, ein Museum? Echt? Warum wählst du diesen Ort?"

"Komm mit, ich zeige es dir." Die hibbelige Thinkerling tippelt voran, ich folge brav. "Hier lassen sich Geschichten finden! Schon allein, da sich trotz all der Erklärungsversuche auf den Infotafeln so viele Möglichkeiten hinter allem verstecken. Wer trug die inzwischen restaurierte Ritterrüstung? Wer hielt den Knauf dieses Schwertes oder meisselte die verschlungenen Symbole in den Felsen? Selbst ein zerbrochenes Stück Porzellan wirft die Frage auf, wie es denn zerbrochen wurde.

Ich mag Museen. Historische, Naturwissenschaftliche, Künstlerische. Sie haben etwas Angenehmes, Beruhigendes an sich. Außerdem liebe ich es meine Nase in Wissen jeglicher Art zu stecken und unnötige, aber sehr faszinierende Informationen zu sammeln."

"Na dann, lass uns loslegen!"

Wir bahnen unseren Weg zwischen Dinosaurierknochen und ausgestopften Tieren durch das wenig übersichtlich aufgebaute Mauerkonstrukt, arbeiten uns in den historischen Flügel vor.

"Der naturkundliche Teil ist ganz hübsch, manchmal gruselig, aber ich mag den historischen Bereich besser. Hier sind die interessanten Geschichten. Damit wir aber besser reden können, setzen wir uns doch in das Museumscafé."

"Gute Idee. Ich spüre, wie du dich hier auskennst und wohlfühlst." Wir setzen uns, bestellen heiße Schokolade und Muffins. Ich liebe Muffins!

"Wie kommst du auf deinen witzigen Namen?"

Author's CornerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt