Der Planer

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Vietnam im Juli. Südostmonsun. Regenzeit. Kaum bin ich dem eisgekühlten Flugzeug entstiegen und aus dem gefriergetrockneten Flughafengebäude geschlüpft, erschlägt mich das feucht-heisse Klima von Ho-Chi-Minh City. Viele von euch werden die Stadt vielleicht als Saigon kennen, aber so heißt sie nun mal nicht mehr. Meine Kleider kleben unmittelbar nach dem Verlassen des Gebäudes am Körper - fühlt sich irgendwie so an, als wäre ich beim Unterwasser-Fotoshooting. Die Atemluft ist stickig, CO2 beladen und nicht wirklich angenehm. Ich finde ein Taxi. Glücklicherweise können die Taxifahrer hier am Flughafen etwas Englisch - so kann ich ihm das Ziel erklären. Grundsätzlich gilt hier eigentlich Rechtsverkehr, wie bei uns. Aber es hat so viele Roller, dass diese jeweils die gesamte Straßenbreite einnehmen. Mein Fahrer nimmt das gelassen. "Wir nehmen alle Rücksicht aufeinander", sagt er bloß.

Ich habe keine Ahnung, wie er das macht, aber wir kommen tatsächlich heil an. Die Roller schwirren um uns herum wie die Fliegen um einen Misthaufen. Der A&B Tower ist ein dreiundzwanzig Stockwerke hohes Gebäude in der Nähe eines Parks. Die Fassade ist aus Stahl und Glas, einzigartig beleuchtet. Jetzt, nach Einbruch der Dunkelheit, leuchtet sie violett und blau, ganz oben, wie eine Krone, ist ein goldener Kranz sichtbar. Das wirkt elegant und kühl zugleich. Dort muss ich hin - in die Chill Skybar - in das angesagteste Lokal der Stadt. Bis weit in die Nacht hinein wird der hauseigene DJ hier Musik auflegen, begleitet von Himmelsstrahlern und sprühendem Feuerwerk. Ein unvergleichliches, einzigartiges Erlebnis; ganz nebenbei bin ich froh, dass AllanRexword, mein heutiger Gesprächspartner, mich nicht in einen Bunker eingeladen hat.

Mit dem Expresslift fahre ich nach oben auf das Dach. Ich erkenne Allan schon von weitem. Der großgewachsene, vom Typ her eher nordische Mittvierziger überragt die meisten Asiaten und strahlt mich von seinem Platz ganz am Ende der Terrasse an. Er empfängt mich mit seinem gewinnenden, sympathischen Lächeln. Wir begrüßen uns und ich lasse mir einen Drink bringen, dann stellen wir uns an die Außenmauer. Der Blick auf die nächtliche Stadt ist atemberaubend. Es gibt nur wenige Wolkenkratzer in der Ferne, die uns überragen, sodass die pulsierende Metropole mit ihren hell erleuchteten Fenstern und bunten Werbetafeln uns zu Füßen liegt. Zum Glück bin ich schwindelfrei.

Besonders faszinierend sind jedoch die Straßen, die sich sprichwörtlich wie goldene Bänder bis in die Endlosigkeit durch die Metropole ziehen. Was von hier oben faszinierend anzusehen ist, habe ich im Taxi schon bestaunt: Es drängen sich sprichwörtlich Millionen Motorroller über die Hauptverkehrsadern. Wie ein unendlicher Ameisenschwarm stehen und fahren sie dicht and dicht mit wenigen Zentimetern Abstand. Aber: Sobald eine Ampel auf Rot springt, bleibt der Schwarm komplett stehen, als hätte sich eine unsichtbare Mauer vor ihm erhoben. Bei grün ... wrumm ... geht es gemeinschaftlich mit ein paar Tausend Fahrzeugen zur nächsten Kreuzung.

Dieses quirlige Gedränge, die modernen Wolkenkratzer und Einkaufstempel, wirken fast wie in Hong Kong oder Singapur und bieten einen extremen Kontrast zu den ländlicheren Regionen entlang der Küste oder auch vom Sightseeing zum Beispiel des weltbekannten „My Son Heiligtums" im wilden Urwald des Landes; was ich mir in den nächsten Tagen noch ansehen will.

Allan und ich setzen uns. Sein Gesicht ist freundlich, er hat überraschend wenige Haare; aber wie mein Vater schon sagte: Ein hübsches Gesicht braucht viel Platz. Nach einigen Worten der Begrüßung und über meine Reise kann ich unser Gespräch beginnen. Natürlich will ich zuallererst wissen, wie er auf seinen Namen gekommen ist.

"Zunächst habe ich nach einem einprägsamen Nachnamen gesucht. Einen, der nach amerikanischem Bestseller klingt. Etwas mit "Wort" oder "Schreiben". Bin dann irgendwie auf "Rex" (königlich) gekommen. Außerdem waren die Domains rexword.de und rexword.com noch frei. Ich bin ein strukturierter Typ und neige dazu, die Sachen vorab zu durchdenken. "Allan" war dann einfach ein englischer Vorname, dessen Klang mir gefallen hat."

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