Die Schlaue

224 38 182
                                    

Interview mit ElisabethHolmes

Für mich ist es eine vollkommen neue Erfahrung, nicht bloß geografisch zu reisen, sondern mich auch in der vierten Dimension zu bewegen. Zeitreise - Wow! In meinen Händen halte ich das Ticket und betrachte es immer und immer wieder. Eine Reise nach London, eigentlich nichts Weltbewegendes, mal vom Regen abgesehen. Aber eine Reise ins London von Sherlock Holmes, der berühmten Figur des Sir Arthur Conan Doyle. Eine Reise nach England bevor das Automobil erfunden wurde, eine Zeit, als die Textilindustrie mit ihren Dampfmaschinen die Arbeiterwelt verändert hat. Ich weiß nicht. Soll ich die Maschine besteigen?

Erinnerungen an die Eloi und die Morlocks werden wach. Mich fröstelt. Andererseits sind da auch noch ein seltsamer Doc Emmet Brown und sein tollpatschiger Freund Marty McFly, welche die Zeitreisen immerhin mit etwas Stil (in einem DeLorean) möglich gemacht haben. Ich wage es!

Die Reise geht los. Es ruckelt und kein durchtrainierter, braungebrannter Mr. Flightattendant bringt mir irgendwelche Drinks. Ich werde mich bei der Fluggesellschaft sowas von beschweren! Ich döse ein.

Als ich erwache, sticht mir als erstes ein beißender Geruch offenliegender Fäkalien in die Nase. Ja, ich bin im neunzehnten Jahrhundert angelangt! Bravo. Die Themse ist braun und stinkt zum Himmel. Überall stehen Kamine, welche den Rauch des Fortschritts auspusten, als wollten sie damit zeigen, wie modern sie sind. Männer in Tweed-Anzügen, Frauen in weiten Kleidern, mit Sonnenschirmen bewaffnet, kreuzen meinen Weg. Zahllose Fuhrwerke und Kutschen klappern und rattern an mir vorüber.

Die Straßen sind mit Pflastersteinen befestigt, die Pisse der Pferde rieselt in den dafür vorgesehenen Rinnen in die Themse. London - der Nabel der modernen Welt. The United Kingdom. Irgendwie habe ich mir das romantischer vorgestellt; ich schreite los und trete in den ersten Pferdeapfel. Bravo.

Wie soll ich hier Elisabeth finden? @EliabethHolmes? Die wenig bekannte Namensvetterin des berühmten Detektivs? Ich gehe los, überquere die Tower Bridge und stelle fest, dass da noch keine HMS Belfast vor Anker liegt. Dafür erwartet mich eine junge, freundlich blickende und strahlende Frau bei den Gärten des Tower of London.

Ich bin erleichtert und gehe auf sie zu. "Lizzy? Lizzy Holmes?"

"Elisabeth! Ja, und du musst dann wohl die Lesende sein. Chris, richtig?"

"Jap. Volltreffer. An meinen Klamotten hätte mich wohl jeder erkannt. Hi - freut mich sehr!"

Die junge Frau mustert mich von oben bis unten, verzieht ihren Mund, schüttelt ihr dunkelblondes Haar und meint: "Ja, an deinem Outfit müssen wir arbeiten, wenn du dich hier bewegen willst." Dann lachen wir beide.

Elisabeth führt mich zu einem Kleidergeschäft, wo ich erstmal zeitgemäß eingekleidet werde. Meine Sachen packe ich in eine Tüte, denn nach dem Gespräch, wenn ich wieder in meiner Zeit bin, werde ich die schweren Tücher und Wollstoffe sicher wieder ablegen. Obwohl: Es sieht irgendwie schon noch elegant aus - mal abgesehen von der komischen Kopfbedeckung, die ich tragen soll. Die Chris im Spiegel gefällt mir und auch Elisabeth nickt anerkennend.

Wir gehen Tee trinken. Von unserem Platz aus können wir auf die Themse blicken, sehen die hunderten von Ruderbooten und einige kleine Dampfschiffe. Der Tee schmeckt vorzüglich. Zum Tee reicht man uns ein großes Stück einer undefinierbaren Torte, das sehr gut riecht. Die rauchenden Damen und Herren riechen weniger angenehm.

"Warum treffen wir uns hier, ich meine, zu dieser Zeit?"

"Irgendwie fand ich es passend. Die Parallele zu meinem Usernamen, das Umfeld, London - es ist perfekt."

Wie kommst du überhaupt zu deinem Namen?"

"Daran ist auch eine Freundin beteiligt, also eigentlich hat sie mich auf den Namen gebracht. Sie sagte mir einst, sie könne mich als klug und witzig beschreiben - das passt dann zum berühmten Detektiv. Wir gaben mir danach den Vornamen Elisabeth und ich verbinde mit dem Namen diese schöne Erinnerung, Schutz und Sicherheit. Heute sage ich zu Sherlock manchmal "Hallo Bruder" - obwohl er ja unglaublich viel älter ist als ich." Sie lacht. "Probiere den Kuchen - er schmeckt fantastisch."

Author's CornerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt