Die Advokatin

173 26 112
                                    

In den Bergen mit InkofInspiration

Berge und Wandern; das scheinen die bevorzugten Landschaften und Tätigkeiten von Autorinnen und Autoren zu sein. Jedes Mal, wenn ich mein Auto auf einem einsamen Parkplatz zurücklasse und dem kleinen Fußweg folge, der bergan führt und zwischen den Bäumen verschwindet, bleibt eine Welt zurück und eine andere öffnet sich. Als ob ich ein magisches Tor durchschreite.

Es riecht nach Tannenharz und feuchter Erde; fast spüre ich, wie die Laubbäume zwischen ihren stacheligen Kollegen eine Extraportion Sauerstoff nur für mich abgeben. Die Luft ist rein, einige Vögel flattern oder zwitschern, künden mich an, damit sich Fluchttiere vor dem gefährlichen Menschen verstecken können, der hier in ihre Welt eindringt. Sie können nicht wissen, dass ich ihnen nie etwas antun würde.

Ich hingegen weiß, dass ich weiter oben von einer Frau erwartet werde, an einer kleinen Aussichtsplattform, hat sie mir geschildert - ich könne den Weg nicht verfehlen. Während ich frohen Mutes einen weiteren Berg erklimme, lege ich mir noch rasch die letzten Fragen zurecht, die ich meiner heutigen Partnerin stellen möchte. Dabei blitzt immer wieder das Profilbild auf, zeigt sich der Typ mit Schnauzer, der mich beinah dazu gebracht hat, mich nicht auf dieses Interview einzulassen - was ein echter Verlust gewesen wäre und insgeheim danke ich mir, mich anders entschieden zu haben.

InkofInspiration steht am Rand der kleinen Fläche, als ich leise aus dem Wald schreite. Sie ist etwa gleich groß wie ich, ihre langen Haare glänzen in der Morgensonne irgendwo zwischen rot und golden, man würde sie wahrscheinlich mittelbraun nennen. Oder rehbraun - denn wie ein Reh hat sie mich natürlich längst bemerkt und dreht sich lächelnd um. "Na? Wie war der Aufstieg?"

Ich mag sie jetzt schon. "Hi Mascha - es ging, nicht allzu anstrengend und sehr ruhig. Natur und ich."

"Guten Morgen, Christine. Genau deshalb wollte ich, dass wir uns oben treffen. Wir hätten die Morgenruhe zerquatscht."

"Sehr wahrscheinlich", lache ich. "Danke, für diesen Moment. - Wow, was für eine Aussicht! Ein sehr gut gewählter Platz für unser Gespräch."

Wir stehen einen Moment nur da und schauen uns die Landschaft an. Halbhohe, bewachsene Berge, Felsformationen und Hügel. Wie mit einem Aquarellpinsel hingetüncht, verwandeln einige kleine Schäfchenwolken die blaue Himmelsfläche in einen dreidimensionalen Raum. Nur wenig unter uns glitzert ein kleiner See, die Wasserfläche erscheint von hier oben fast schwarz, klar, wir können sogar die Steine am Grund der Wasserfläche erkennen.

"Wollen wir uns setzen?", fragt Mascha ruhig, auf die Bank hinter uns zeigend.

Die Rucksäcke stellen wir neben die Bank. "Du hast diesen Ort gewählt, ..."

"... und damit habe ich mich schwergetan. Bei meinen Welten und Zeiten hätte ich dich auch mit deiner Zeitmaschine irgendwo hinreisen lassen können."

Wir lachen beide. "Ja, das wäre bestimmt auch spannend geworden. Nun, was ich fragen wollte: Bist du so ausgeglichen und ruhig wie diese Landschaft?"

"Hmm, eine Charakterisierung zum Anfang. Wie bin ich? Teilweise etwas unberechenbar für mich selbst - ich kann von schüchtern zu direkt und frech - nicht im unhöflichen Sinne - schwanken. Allgemein bin ich aber wahrscheinlich eher etwas zurückhaltend und verschlossen. Selbst meine besten Freunde wissen so einige Dinge über mich nicht. Ich glaube, ich bin recht hilfsbereit und versuche besonders Menschen, die mir Nahe stehen, in jedem Fall zur Seite zu stehen und bei Sorgen weiterzuhelfen. Praktisch die Gratis-Therapeutin, was gleichzeitig eine Stärke und Schwäche ist. Andererseits bin ich absolut schlecht darin, Hilfe anzunehmen. Vieles würde ich bei mir tatsächlich so einordnen: gleichzeitig Stärke und Schwäche. Zum Beispiel mein Perfektionismus, der mich manchmal auch echt in den Wahnsinn treiben kann, oder meine Kreativität, die auch dazu führt, dass in meinem Kopf manchmal zu viel los ist, um mich wirklich zu fokussieren...und mich dann am Ende eher prokrastinieren lässt. Meine größte Schwäche ist aber wahrscheinlich mein extremes Overthinking bei allem."

Author's CornerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt