Die Krähe

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An der Pferdekoppel mit violetcrow_

Wildpferde in Southdakota, Herden mit Mustangs; Hengsten und Stuten, die über das hügelige Grasland jagen, menschenscheu. Etwas vom Schönsten, was ich in Sachen Pferde bisher beobachten konnte. Aber auch die Bilder aus unzähligen Filmen: Reiterin am Strand, Reiter in der Prärie, das Intro zu einem tragischen Pferdefilm mit dem schwarzen Hengst in White-Sands - es scheint, als ob die Pferde und die Menschen seit jeher eine spezielle Verbindung zueinander haben.

Zu meinem heutigen Interview fahre ich in mein Nachbarland, zu einer Pferdeliebhaberin, deren Namen nichts Derartiges vermuten lässt: violetcrow_. Da werde ich bestimmt nachhaken. Es ist ein sonniger Morgen im August in der grünen Steiermark - ein Bundesland in Österreich. Die Temperatur ist aufgrund der frühen Uhrzeit noch ziemlich kühl. Ich treffe am abgemachten Ort ein.

Ein paar Vögel zwitschern ein schönes Lied, und der Geruch von Pferd und Heu liegt mir in der Nase. Wir treffen uns bei den Pferden im Stall, Violetcrow, halb so alt wie ich, braune Locken, die im Sonnenlicht leicht rötlich scheinen, stellt ihren borstigen Besen weg, wischt sich die Hände an einem Tuch ab und kommt auf mich zu. "Hey, schön, dass du es geschafft hast. Willkommen in Österreich."

"Hallo, Violet. Ich bin sehr gerne hier. Ich mag Pferde."

"Kannst du reiten?"

"Können ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Ich habe mal Unterricht in Western genossen, kenne einen Reithof in der Toskana, das ist dann schon alles."

"Wie schön - dann können wir vielleicht noch ausreiten. Unsere Pferde sind pflegeleicht."

"Wie viele habt ihr?"

"Mein Mann und ich haben drei Pferde gemeinsam, wobei unser Jüngster ein Uppsala war - mein Mann hat eine Stute gekauft, nichts ahnend, dass sie trächtig war. Es dürfte auch kurz vor dem Kauf passiert sein, denn elf Monate später hatten wir ein Fohlen."

"Ist nicht wahr! Das ist ja eine süße Geschichte - zwei für eins ..."

"Ja", lacht sie, "Wir wollten die arme Stute schon auf Diät setzen, weil sie immer runder und runder wurde, bis wir dann mitbekommen haben, dass sie ein kleines Wunder in sich trägt."

"Habt ihr noch andere Tiere?"

"Wir haben noch zwei Hunde. Meine erste Hündin hatte ich noch vor meinem Mann - sie kommt aus dem Tierschutz aus Serbien, und unsere zweite Hündin habe ich aus dem örtlichen Tierheim geholt - da war sie schon acht Jahre alt, und jetzt, vier Jahre später, ist sie noch immer fit wie ein Turnschuh. Meinem Seniorenpferd Nathan habe ich viel von meinem Selbstbewusstsein zu verdanken. - Wollen wir zur Koppel der Seniorenpferde gehen?"

"Sehr gerne." Wir schlendern etwas von den Ställen weg, zu einem kleinen Hügel.

"Es ist schon viel zu lange her, dass ich mich einfach nur ins Gras gesetzt habe, um den Pferden beim Fressen zuzusehen. Ich dachte, bei unserem Interview wird es endlich wieder einmal Zeit dafür", erklärt mir Violet. Sie hat uns eine Picknickdecke eingepackt, und gestern auch extra noch ein paar Bananen-Muffins gebacken.

"Da müssen wir nur aufpassen, dass sie uns mein Pferdeopa nicht wegfuttert, er liebt nämlich Bananen - die kann er aufgrund seiner schlechten Zähne noch ohne große Mühe fressen." Wir lachen, der ältere Wallach ist unterdessen an den Zaun getreten und lässt sich streicheln.

Wir setzen uns auf die Decke und schauen den Pferden beim Grasen zu. "Du hast es schön hier!"

"Ja, wir wohnen ein paar Minuten weiter weg, aber ich bin gerne hier."

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