2.Kapitel: Unerwartetes

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Auf dem Nachhauseweg laufe ich immer einen kleinen Umweg, um mir noch in dem neuen Stadtcafé einen Coffee-to-go zu holen. 

Ich schlendere mit dem Kaffeebecher in der Hand die Einkaufsstraße entlang, bis meine Augen an dem Schild mit der Aufschrift "Salira's books" hängenbleiben und mich augenblicklich in den Laden locken. In dieser Buchhandlung war ich schon ein paar Mal. Salira steht auch wie heute wieder hinter der Theke und begrüßt mich freundlich mit einem Winken.

Ich liebe den Geruch von Büchern. Streichhölzer, Kerzenduft...einfach himmlisch. Die Buchhandlung hat eine riesige Auswahl, dennoch bleibe ich an einem Buch hängen, dass nach besonderem Parfüm riecht. Es kommt mir bekannt vor, dennoch kann ich es nicht sofort zuordnen. Ich ziehe das Buch aus dem Regal heraus und höre, wie Salira zu einer anderen Person "Tschüss" sagt. Vermutlich ein anderer Kunde, der gerade den Laden verlässt.

Ich nehme das Buch mit zur Theke. Auf dem Weg dorthin suche ich schon einmal meinen Geldbeutel und krame dafür in meiner Tasche herum. Das Buch lege ich auf der Theke ab und hebe meinen Kopf, damit ich Salira das Geld geben kann.

Als ich aufschaue bemerke ich, dass nicht mehr Salira, sondern Tyler hinter der Theke steht. Für ein paar Sekunden blicken wir uns tief in die Augen.

Ich hätte nie damit gerechnet, dass der Profisportler nach der Schule in einer Buchhandlung arbeitet. Wie beeindruckend... Als ich bemerke, dass ich ihn immer noch anstarre, wende ich meinen Blick schnell ab.

"Freut mich, dich hier anzutreffen", gesteht Tyler. Er schmunzelt kurz und scannt dann das Buch ein. Nachdem ich ihm das Geld in die Hand gedrückt habe, packe ich das Buch in meine Tasche, wobei ich ausversehen den mittlerweile kalten Kaffee verschütte.

"Oh je, Entschuldigung. Ich wollte keine Sauerei machen", sage ich und trete dabei einen Schritt nach hinten, um nicht in der Kaffeebrühe auf dem Boden zu stehen.
"Ach quatsch. Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Ist halb so schlimm. Warte... ich habe hier ein Päckchen Taschentücher. Ich helfe dir."
Tyler tritt hinter der Theke hervor und kniet sich zu mir auf den Boden. Zusammen wischen wir die Sauerei auf.
"Warte einen Augenblick, ich schmeiße kurz die Tücher in den Müll. Aber bitte geh nicht. Ich muss dich noch etwas wegen heute Morgen fragen", erklärt er mir, wobei ich mich frage, was er mit mir besprechen möchte? Hoffentlich spricht er mich nicht auf meine Müdigkeit an.

Er kommt aus dem hinteren Zimmer zurückgeeilt und schlägt vor, dass wir uns kurz an den Tisch in der Ecke setzen, sodass wir reden können, er aber trotzdem noch die Theke im Blick behalten kann.
Ich werde nervös und bekomme leicht Gänsehaut. 

Tyler war zwar schon immer sehr fürsorglich, dennoch kenne ich ihn nicht so gut und habe mich vorher auch nie alleine mit ihm unterhalten, was mir etwas Angst macht.

Wir setzen uns und er beginnt mich zu fragen, was heute mit mir los war.
"Du sahst anders aus....so erschöpft. So kenne ich dich gar nicht. Noch dazu hat Mr. Stoner dich heute im Unterricht provoziert...Mia, ich weiß wir kennen uns noch nicht lange, aber du sollst wissen, dass du mit mir reden kannst. Genauso, wie du es mit den anderen tust. Wenn es an Physik liegt und du mal Hilfe brauchst, kannst du mich gerne fragen, auch wenn ich selbst nicht die Leuchte in dem Fach bin."

"Danke, aber ich komme schon klar.", antworte ich ihm.
"Das mit der Müdigkeit..." beginnt er zu reden, doch ich unterbreche ihn.
"Vergiss es einfach. Kein Grund zur Sorge. Ach ja, sorry, aber ich habe die Zeit voll vergessen und muss dringend noch wohin. Wir sehen uns ja nachher noch am Strand", sage ich und stehe von meinem Stuhl auf, um die Buchhandlung zu verlassen. "Mia..."
Er steht ebenfalls auf und stellt sich mir in den Weg. Ich halte meine Hände schützend vor mich und blicke ihn ängstlich an.

"Alles gut... ich tue dir doch nichts. Es tut mir leid, falls ich etwas falsch gemacht habe."

Er erhebt die Hände, um zu signalisieren, dass er mir nichts antun möchte und geht ein paar Schritte zur Seite. Mit dieser starken Reaktion meinerseits habe ich selbst nicht gerechnet.

"Sorry.", kommt es kleinlaut aus mir heraus. So schnell es geht mache ich mich auf den Weg und verlasse den Laden. "Wie peinlich war das denn gerade", sage ich kopfschüttelnd.

Als ich zu Hause ankomme, erwartet mich schon mein Bruder an der Haustür. Er fragt mich, wo ich geblieben bin und ich erläutere ihm, dass ich in der Buchhandlung war, dort jedoch Tyler getroffen habe und wir uns kurz unterhalten haben. Den Rest verschweige ich ihm, da er sich sonst nur noch mehr Sorgen um mich machen würde.

"Mama hat mich angerufen. Mr. Stoner habe sie angerufen und ihr von deinem außerordentlich guten Test berichtet. Er und Mama haben sich dazu entschieden, dass du Nachhilfe bekommen sollst."

"Bitte was? Was für ein Arschloch!"

"Psst, sei still und hör kurz zu!", unterbricht er mich. "Dein Mitschüler Mason Evans soll dir Nachhilfe geben. Er scheint ganz gut in Physik zu sein. Mama hat mir seine Nummer gegeben, sodass du ihn direkt kontaktieren und noch heute einen Termin für die nächsten Tage ausmachen kannst. Verstanden?"

"Ja, Kyle", sage ich enttäuscht und gehe in mein Zimmer. Dort schreibe ich Mason, dass er bloß keine Dummheiten machen soll und ich nur gezwungenermaßen mit ihm lernen muss und nicht aus eigenem Interesse. Ich schreibe dazu, dass ich morgen nach der Schule Zeit hätte.

Beim Schließen des Chats sehe ich eine Nachricht von Tyler: "Hey Mia, das von vorhin tut mir echt leid. Egal was ist, du kannst immer mit mir reden. Ich freue mich schon auf nachher!"

Ich antworte ihm:"Du musst dich für nichts entschuldigen. Am besten vergessen wir es einfach. Ich freue mich auch schon!" 

Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, öffne ich meinen Kleiderschrank und schaue, was ich für nachher anziehen könnte. Mein Blick bleibt an dem hellblauen Kleid hängen, das mit Blumen verziert ist. Es ist eins meiner Lieblingskleider. Ich ziehe es an, mache meine Haare nochmal neu, da ich nicht erneut mit dem Messy-Bun aus dem Haus gehen möchte und werfe zum Schluss noch einen Blick in den Spiegel, was mich sehr zufriedenstellt. Ich schnappe mir mein Handy und schreibe in unsere Whats-App Gruppe, dass ich mich jetzt auf den Weg mache.

Als ich meine Nikes anziehen möchte, höre ich Kyle fragen, was ich denn jetzt vorhabe.

"Grace und die anderen, wir treffen uns am Strand, um ein bisschen das Wetter zu genießen. Warum?"

"Mia, es tut mir leid, aber Mama hat mir gesagt, dass du dich jetzt mal vorerst nur auf die Schule konzentrieren sollst und mehr Zeit in deine Bücher investieren sollst, als in deine Freunde. Auch nur bis die Noten besser werden."

"Was soll das denn? Kyle bitte. Seit wann hören wir auf sie? Du weißt genau, was für ein Unmensch sie ist. Genau wie Papa!"

"Ich verstehe dich komplett, aber sie hat auch recht. Du musst dich mehr auf die Schule konzentrieren. Sorry Mia, aber du bleibst heute hier. Dein Handy kannst du bei mir lassen, sodass du mit deinen Augen in ein Viereck mit physikalischem Inhalt schauen kannst...na hop. Du bekommst es heute Abend wieder, um das mit diesem Mason noch abzuklären."

Wütend laufe ich in mein Zimmer zurück und werfe mich auf mein Bett. Warum sind alle nur so grrr? Ich setze mich auf und laufe zum Fenster rüber, aus dem ich deprimiert blicke. Ich sehne mich so sehr nach dem Strand, wo ich schon ewig nicht mehr war. Die heutige Situation mit Tyler geht mir jedoch ebenfalls nicht aus dem Kopf. Sein besorgter Blick, als er mich angeschaut hat, nachdem ich so ängstlich reagiert habe...

Er muss mich doch für komplett bescheuert halten.                                                                                    

Alles nur wegen Papa...

Touching HandsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt