14. Kapitel: Chemotherapie

24 1 6
                                    

Mein Blick bleibt durchgehend auf dem Nachhauseweg an dem Display meines Handys hängen. Ich warte immer noch auf eine Antwort von Kyle. Er hatte heute Morgen die Untersuchung beim Arzt. Ich kann es kaum abwarten und will endlich wissen, was da los ist. Warum schreibt er denn ausgerechnet jetzt nicht?

Meine Schritte beschleunigen bei dem Gedanken daran, was alles hätte passieren können. Vielleicht muss er eine OP machen oder der Arzt sagt, dass es noch viel schlimmer geworden ist. Hoffentlich ist dies nicht der Fall, denn ich hab extreme Angst einen Menschen zu verlieren, der mir mehr bedeutet als alles andere.

Ich biege in die Fieldroad ab und sehe das weiße Auto vor unserem Haus stehen. Erleichtert, dass er schon zuhause ist, atme ich aus und laufe, genauer gesagt, renne ich zur Haustüre hin, schließe sie auf und stolpere schon fast in unseren Flur.

"Kyle?", rufe ich in den Raum und erhoffe eine Antwort.

"Bin in der Küche.", ertönt es aus einer Ecke.

Kyle steht vor der Herdplatte und bereitet einen Auflauf zu. Ich setze mich ihm gegenüber an unsere Kücheninsel und frage vorsichtig nach, wie es beim Arzt lief.

"Super. Ich werde in ein paar Monaten erst operiert. Vorher soll ich Chemo machen", antwortet er bedrückt. "Wenn man diese Art der Therapie vor der OP macht, soll es die Größe des Krebses verringern und ist anscheinend effektiver gegen die Krebszellen."

Moment mal...was? In ein paar Monaten? Wer sagt, dass er das bis dahin schafft? Was wenn er das nicht übersteht und vor allem Chemo. Es soll zwar helfen, aber die Nebenwirkungen sind grauenhaft. Es wird daran kaputt gehen. Wie können sie ihm sowas nur antun? 

"Klingt an sich schon sinnvoll, aber warum hast du erst in ein paar Monaten die Operation? Ich dachte sie wollten dich so schnell es geht operieren?"

"Sie meinten, dass alle zeitnahen Termine schon vergeben sind und ich eben warten soll. Die Frau an der Rezeption war eh eine dumme Schnäpfe. Unhöflicher kann man wirklich nicht sein", beschwert er sich. Ich muss kurz schmunzeln, da ich diese Art von ihm schon fast vermisst habe.

Mia reiß dich zusammen. Sag irgendetwas Aufmunterndes... Positiv ist daran zwar eigentlich nichts, aber ich sollte ihm nicht noch mehr Angst machen.

"Ach Kyle...es tut mir so leid für dich. Anscheinend ist ihnen dein Fall doch nicht so dringend wie gedacht. Hat das nicht auch was Gutes? Vielleicht heißt das ja, dass der Tumor doch nicht sooo drastisch ist, wie vermutet. Lass den Kopf nicht hängen. Wir gehen da gemeinsam durch. Ich bin für dich da", sage ich und nehme ihn in den Arm.

Vielleicht sollte ich ins Krankenhaus gehen und der Schnepfe dort  mal persönlich eine ordentliche Ansage machen. Das kann ja wohl nicht sein, dass der OP-Termin erst so spät ist. Kyle braucht ihn dringend. Ich habe  Angst ihn zu verlieren und dass ich nicht mehr viel Zeit mit ihm habe. Der Termin ist seine letzte Chance... Was, wenn die OP zu spät kommt?

Am liebsten würde ich Kyle nie wieder los lassen, aber sonst brennt uns der Auflauf noch an. Es riecht himmlisch und ich kann es kaum abwarten von dem Auflauf zu kosten. Kyle konnte schon immer sehr gut kochen. Zusammen setzen wir uns mit unserem Essen auf das Sofa im Wohnzimmer und speisen drauf los.

"Eigentlich möchte ich das Thema wirklich nicht nochmal aufbringen, aber... wann ist denn die erste Chemo?", hake ich neugierig nach.

"In zwei Tagen schon. Es ist ein Platz frei geworden. Nur deshalb bin ich so früh dran."

 "Das ist doch super oder nicht?"

"Ja. Habe nur etwas Angst davor. Ich habe schon so viel Negatives davon gehört und wie es einem danach gehen soll. Aber ich will nicht, dass du dir solche Sorgen um mich machst. Kümmer dich lieber um die Schule und treff dich doch mit ein paar Freunden. Das lenkt dich bestimmt ab.", schlägt er mir vor.

"Echt lieb von dir und ich bin nachher eh noch einkaufen, aber ich will, dass du dich dann wenigstens auch auf andere Gedanken bringst. Sonst gehst du mir hier noch ein. Ich schaue an dem Tag der Chemo, dass ich früher nach Hause kann, um nach dir zu schauen."

"Mia...bitte. Du musst das nicht tun. Du wirst mich noch oft genug darunter leiden sehen."

Nach dem Essen gehe ich hoch auf mein Zimmer und überlege, wann ich mich mit Luke treffe, um den Vortrag vorzubereiten. Er ist immerhin nicht mehr so gut auf mich zu sprechen und das ist auch voll verständlich. Trotzdem komme ich da jetzt nicht drum herum, den Vortrag mit ihm machen zu müssen. Es wurde immerhin so von unserer Lehrkraft zugeteilt. Schade, dass man sich sowas meist nicht aussuchen darf. Luke ist an sich ja wirklich ein netter Mensch, aber zurzeit ist die Situation zwischen uns etwas kritisch. 

Aber besser, als wenn ich es mit Tyler hätte machen müssen. Auch wenn ich ihn irgendwie vermisse. Diese Nähe...

Nein, Mia! Ich schüttele meinen Kopf und widme mich meinen Hausaufgaben, um ja nicht mehr an ihn zu denken.

Touching HandsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt