13. Kapitel: Fehler?

21 1 4
                                    

"Sei ruhig und mach gefälligst, was ich zu dir sage! Hast du das verstanden? Und jetzt leg dich aufs Bett."

"Ja."

"Was sagtest du?"

"Ja, Papa", ertönt es leise von mir.

Mein Atem wird immer schneller und lauter. Ich reiße panisch meine Augen auf und stürme aus dem Raum in Kyles Zimmer.

"K-y-l-e...", rufe ich stotternd in den dunklen Raum und mache das Licht an.

"Verdammt! Schon wieder so ein Traum? Komm her zu mir", sagt er und breitet seine Arme zu einer Umarmung auseinander. "Ja. Es hört einfach nicht auf. Ich will doch einfach nur mit der Vergangenheit abschließen können. Aber wie soll ich das können, wenn ER immer in meinem Kopf ist?", frage ich ihn und nehme Kyle in eine starke Umarmung. Ich bin so dankbar ihn zu haben und immer zu ihm kommen zu dürfen, egal was ist. 

Das ist schon der dritte Albtraum diese Woche. Es kommt unerwartet und häuft sich immer wieder. Früher war es aber noch viel schlimmer, sodass ich sogar Schlaftabletten einnehmen musste, damit ich endlich mal keine schlaflosen Nächte hinter mich bringen konnte. Es tat gut. Seitdem ich die Tabletten abgesetzt habe, wurde es wieder schlechter. Auch in der Schule sprechen mich die Lehrer häufig auf meine Müdigkeit an und auch vor den anderen Schülern bleibt es nicht unentdeckt.

Der Wecker klingelt und als ich die Augen öffne, liege ich neben Kyle, der jetzt ebenfalls wach wird. Er hat heute einen Kontrolltermin bezüglich des Brustkrebses und fährt mich deshalb vorher noch zur Schule. Er scheint sichtlich nervös zu sein, da er nicht immer die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhält. Ich bitte ihn dennoch vorsichtig zu fahren, obwohl Kyle ein sehr anständiger Autofahrer ist, bei dem man sich nie Sorgen machen muss.

Auf dem Parkplatz angekommen, steige ich aus und werde direkt von Grace begrüßt, die strahlend auf mich zugerannt kommt. Sie berichtet mir, dass sie zusammen mit Allek in den Weihnachtsferien nach Kanada fliegen wird. Ich freue mich für sie, da ihre Eltern ihr noch nie erlaubt haben, alleine Urlaub zu machen, beziehungsweise mit einem Freund dabei. 

Ihre Eltern sind sehr streng, was ihre Sicherheit angeht. Es hat schon Ewigkeiten gebraucht sie zu überreden, dass Grace mit mir zur Schule laufen darf. Heute ausnahmsweise mal ohne mich.

Gedanklich bleibe ich jedoch nicht lange bei den Worten von Grace. Ständig muss ich an Kyle denken. Es ist der erste richtige Kontrolltermin für ihn und ich hoffe einfach, dass alles gut läuft.

Die Unterrichtsstunden dauern eine Ewigkeit. Vor allem wenn mich die Lehrer auch noch wegen der Nachhilfe vollquatschen, obwohl diese wirklich gut läuft. Heute ist keine Nachhilfestunde, da Mason nach der Schule keine Zeit hat. Also laufe ich zusammen mit den anderen zum Parkplatz. Wir unterhalten uns noch ein wenig über ein Schulprojekt, das die Lehrer bis nächste Woche fertig haben wollen. Die Lehrer haben uns die Projektpartner zugeteilt. Ich muss das Projekt zusammen mit Luke machen. Er ist an sich mega nett, obwohl er zurzeit nicht so super auf mich zu sprechen ist, da er Tylers Freund ist und es hasst, dass ich mit Mason herumhänge.  Kurz bevor ich mich auf den Nachhauseweg machen kann, fängt Tyler mich ab.

"Hey. Können wir kurz reden?", fragt er mich und sieht mich dabei erwartungsvoll an.

"Nein. Ich muss jetzt nach Hause. Sorry, aber geht nicht anders", antworte ich ihm patzig.

Tyler packt mich sanft am Arm und zieht mich ein paar Schritte weg von den anderen. Ich verstehe eh nicht, warum jeder meint mich am Arm rumziehen zu müssen. Toll finde ich das nämlich nicht.

"Mia...bitte. Ich weiß doch, dass du mir aus dem Weg gehst. Ich will aber verstehen, warum du das machst. Ich dachte nach dem Kuss, dass...", fängt er an zu reden, doch ich unterbreche ihn augenblicklich.

"Nichts hast du da gedacht. Genauso wenig wie ich. Der Kuss war ein Fehler. Das zwischen uns hätte nie passieren dürfen. Ganz einfach. Und jetzt...kann ich bitte einfach gehen?"

"Ein Fehler? Mia...Lüg mich nicht an! Er kann dir nicht nichts bedeutet haben", hakt er fassungslos nach.

"Doch, Tyler. Ich habe dabei gar nichts gefühlt! Ein UNS gab es nie und wird es auch nie geben! ", mache ich ihm deutlich, wobei sich Tränen in meinem Auge ansammeln, doch ich versuche sie zurückzuhalten. Es tut mir innerlich weh, ihn so verletzen zu müssen. Aber damit er sich von mir fernhält, muss ich ihn ja irgendwie loswerden. Auch wenn es dafür gerade nur diesen einen Weg gibt.

"Wow, ernsthaft Mia? Wem willst du hier was vor machen?"

"Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen und dich von mir fernhalten? Das würde einiges leichter machen."

"Warte mal... Ist das das was du willst oder eher dein Bruder? Hat er dir das eingetrichtert?"

"Tyler, lass es einfach!"

"Also habe ich recht?"

"Hör doch einfach auf damit! Ist das denn so schwer?"

"Weißt du was...vielleicht hat er ja recht. Ich bin es leid dir ständig hinterher rennen zu müssen. Hör auf dir Sachen einzureden und steh einfach mal zu deinen Gefühlen. Falls du es dennoch wissen möchtest: Mir hat der Kuss etwas bedeutet und du mir schon seit wir uns kennen. Aber anscheinend ist dir das ja völlig egal. Jedenfalls ist es das, was du dir einredest."

Tyler nimmt seinen Rucksack, den er kurz abgestellt hatte und läuft mit schnellen Schritten zu seinem Wagen. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und sehe ihm hinterher. Seine Worte trafen mich zutiefst und hinterließen einen Stich in meinem Herzen. Ich wollte das doch gar nicht oder? Er sah so enttäuscht von mir aus und wenn ich ehrlich bin, bin ich das von mir auch. Wie kann ich ihm das nur antun? Er weiß immerhin auch, dass ich ihn mehr mag, als ich zugebe. Aber was, wenn Kyle recht hat? Ich kann es einfach nicht riskieren.  Wieso muss ich ihn immer so verletzen? Er hat das doch gar nicht verdient.

Luke läuft an mir vorbei und Tyler hinterher. "Toll gemacht, Mia. Wirklich super."

Ich drehe mich um zu den anderen, die mich nur geschockt anschauen. "Mia, sei ehrlich zu dir selbst und sag ihm, was gerade bei dir los ist. Wir merken doch auch, dass etwas nicht stimmt", sagt Grace zu mir und nimmt mich in den Arm. "Das kann ich aber nicht. Weil es nicht gut wäre...".

"Wer sagt das? Hör auf dich und nicht auf andere. Und zu dem Kuss muss ich glaube ich nicht viel sagen, außer dass du nicht wirklich zugibst, wie es dir wirklich dabei erging...", sagt sie und legt dabei ihren Kopf schief.

"Danke Grace. Und auch euch anderen... Wir sehen uns dann morgen", sage ich, bevor ich mich auf den Heimweg mache.

Touching HandsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt