11.Kapitel: Nachhilfe

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Nach der Schule laufe ich durch die Gassen in Richtung der Buchhandlung. Als ich den Laden betrete, bekomme ich ein mulmiges Gefühl. Zwar hat sich Tyler heute wohl kurzfristig gegen den Unterricht entschlossen, aber das muss nicht bedeuten, dass er sich nicht hier den ganzen Tag über aufgehalten hat. So wie ich ihn kenne, liebt er Bücher und die Arbeit in der Buchhandlung sowieso.

Mein Blick wandert zur Theke, hinter der mich ein starrer Blick erwartet. Wenn man vom Teufel spricht...

Kyles Worte dröhnen in meinem Kopf und ich laufe stur geradeaus an ihm vorbei. Es fühlt sich an wie ein Stechen in meinem Magen, dass ich nicht kontrollieren kann. Die Sehnsucht danach, ihn auch nur einmal kurz anzusehen, ist so groß, dass es mich durchdrehen lässt. Noch ein Mal in seine hellbraunen Augen blicken, seine Lippen zu spüren...

Ich schüttel kurz meinen Kopf, versuche meine Gedanken zu ordnen und mich auf meinen Weg zu dem Tisch in der Ecke zu konzentrieren, sodass ich mich ja nicht umdrehe. Mich wundert es eher, dass er mir nicht mal hinterhergelaufen ist. Mein Körper sehnt sich zwar genau nach dieser Handlung, jedoch sagt mein Kopf etwas komplett anderes und sehnt sich eher nach Distanz. Warum fällt es mir nur so schwer?

Die Ladenklingel erklingt und ich höre Schritte, die sich meinem Tisch nähern. Ich erhebe meinen Kopf und sehe einen Coffee-to-go auf dem Tisch direkt vor mir stehen. Fast schon hätte ich mich darüber gefreut, doch statt in Masons blauen Augen zu blicken, sind dort nur hellbraune Augen, die mich erwartungsvoll ansehen.

Was hab ich auch anderes erwartet, als dass Mason wieder zu spät ist und Tyler dafür an einem komplett falschen Ort? Mein Gesichtsausdruck verwandelt sich schnell zu einem sehr ernsten Blick. Ich vermeide direkten Augenkontakt, da ich genau weiß, wie sehr ich auf seine Blicke reagiere.

"Nein, danke", sage ich nur und schiebe den Kaffee vorsichtig von mir weg in Tylers Richtung. "Die Nachhilfe beginnt gleich. Ich wäre dir also sehr dankbar, wenn du jetzt einfach gehst." Meine Augen konzentrieren sich auf die physikalischen Formeln vor meinem Gesicht. "Hast du nicht genug zu tun?", hake ich nach.

"Mia. Ich mach mir nur Sorgen um dich. Warum ignorierst du mich? Habe ich etwa was falsch gemacht? Wenn ja, dann sag es mir bitte. Ich will es doch nur richtig machen. Hat es mit deinem Bruder zu tun? Was hat er gesagt? Hast du viel Ärger bekommen?"

"Halte ihn da raus! Du hast nichts falsch gemacht. Okay? Kannst du jetzt bitte gehen?"

"Aber was ist es dann? Du kannst mit mir doch über alles reden." Er greift nach meiner Hand, doch ich ziehe sie sofort zurück.

"Bitte...", flehe ich ihn an und schaue ihm dabei genau in seine leuchtend braunen Augen. In ihnen spiegelt sich eine enttäuschte Haltung mir gegenüber wider. Sein Blick trifft mich tief, bis er sich umdreht und zurück zur Theke läuft, da es soeben klingelte. Mason betritt den Laden und wirft Tyler nur einen giftigen Blick zu, bevor er sich mir zu widmet.

Die Nachhilfestunde dauert immer ungefähr 90 Minuten. Aber die Zeit verfliegt immer schneller. Auch die Aufgaben, die mir Mason zum Bearbeiten gibt, kann ich immer besser lösen. Auch er ist stolz, was für Fortschritte ich in so kurzer Zeit mache.

Nach der Nachhilfe fahren wir noch zum Strand um einen Spaziergang im Sand zu machen, auch wenn ich anfangs nicht wirklich davon angetan war. Meine Schulsachen lasse ich in seinem Wagen liegen. Als ich meine Füße in den Sand setze, denke ich anfangs immer wieder zurück an die Party. Es sind Bilder, die nur kurz und schlagartig vor meinen Augen auftauchen und dann genauso schnell wieder verschwinden. 

Bilder von Chris, wie er mich mit seinen Händen am Oberschenkel berührt. Sie wandern immer höher. Ich versuche mich zu wehren, aber schaffe es irgendwie nicht, ihn komplett loszuwerden, bis jemand wütend auf uns zugestürmt kam...

Ich spüre, wie Masons Hand, meine berührt. "Darf ich? Du musst keine Angst haben. Ich pass auf dich auf. Vertrau mir. Chris ist weit und breit nicht in Sicht. Wenn du aber von hier weg möchtest, dann sag Bescheid und wir gehen einfach irgendwo anders spazieren", schlägt er vor.

"Ist in Ordnung. Ich hab nur kurz gebraucht, die Bilder aus meinem Kopf zu bekommen. Wir können ruhig hier bleiben." Nach wenigen Metern lässt er meine Hand wieder los, was ich sehr rücksichtsvoll finde. Mason kann wirklich super angenehm sein und er bringt mich auf andere Gedanken, was mir einfach nur gut tut, egal wie sehr ich ihm vertraue oder nicht.

Wir verbringen eine ganze Weile am Strand. Danach laufen wir zurück zu seinem Auto und fahren los. Mason bietet mir an, mich nach Hause zu fahren, was ich zufrieden annehme und wir uns auf den Weg nach Hause machen.

Touching HandsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt