Der Bruder meines besten Freundes

Kapitel 6

Die Fahrt mit dem Bus dauerte ewig und ich langweilte mich schnell, denn mein bester Freund saß bei seinem Freund und sie lachten viel und gaben sich auch hin und wieder Küsschen. Was ich sehr süß fand, aber auch schade, weil ich ihn vermisste.
Seit Samstag früh hatten wir uns nicht mehr gesehen und ich erfuhr nur noch nebenbei Dinge, die in seinem Leben passierten. Wie die Tatsache, dass Dominik den ganzen Sonntag mit Marc verbracht hatte.
Zwar schrieb Marc mir hin und wieder und ich verstand, dass er jetzt lieber Zeit mit Dominik verbringen wollte, aber ich fand es trotzdem schade, ihn so schnell verloren zu haben. Lang hielt diese Phase zum Glück aber nie an und ich freute mich schon darauf, seinen Freund besser kennenzulernen, denn so war es immer. Die erste Woche sah ich Marc so gut wie gar nicht, in der zweiten Woche meldete er sich sporadisch und antwortete nur, wenn ich ihm schrieb, in der dritten Woche würde er dann von selbst schreiben und spätestens in der vierten Woche, würde er mich dazu zwingen, seinen neuen Freund intensiv kennenzulernen und uns gemeinsam eine Aktivität aufzwingen. Mit seinem letzten Freund musste ich ins Kino gehen, mit dem davor einen Tag im Zoo verbringen und mit dem davor musste ich einen Yogakurs besuchen. Marcs Beziehungen hielten nicht so lange, wie er es sich oft wünschte, aber er gab die Hoffnung auf die wahre Liebe trotzdem nie auf und da ich ein wichtiger Bestandteil seines Lebens war, gehörte das für ihn dazu.
"Was läuft jetzt zwischen dir und Damian?", drehte Jane sich um und sah Marina dabei streng an.
"Nichts", zuckte diese mit ihren Schultern und deutete in die letzte Reihe, wo er heftig mit Julia knutschte und ihre Brüste knetete.
"Schade", murmelte ich vor mich hin und zog so die Blicke meiner Freundinnen auf mich.
"Na, ich dachte, dass es länger zwischen euch läuft", erklärte ich meine Aussage und auch wenn es von Anfang an unrealistisch war, ich hätte es mir für die beiden gewünscht.
"Neeeee, ich finde ihn zwar heiß, aber er ist kein Boyfriend-Material", wussten wir alle, was Marina meinte.
Damian war als Mann für eine Nacht wahrscheinlich sehr gut zu gebrauchen, aber auf Dauer hatte er nichts zu bieten. Er hatte keine Facetten, die man erkunden wollte und er hatte auch zu wenige Interessen, um sich länger mit ihm unterhalten zu wollen. Zwar hatte ich erst dieses Wochenende etwas mehr über ihn erfahren, aber allgemeinhin galt er als ein sehr einfacher Charakter. Er war sehr verschlossen und gab nur wenig von seinen Gedanken preis. Meine Mutter hatte mich heute Morgen noch gefragt, ob Damian überhaupt mitkommen würde und begann sanft zu lächeln, als ich nickte. Sie schien sich für ihn zu freuen, aber ich verstand beim besten Willen nicht wieso. Zwar war Damian oft krank und er hatte deswegen schon den Skikurs verpasst und einige Ausflüge nicht miterleben können, aber so etwas Besonderes war das nun auch wieder nicht. Der düstere Harper-Zwilling war ein Buch mit sieben Siegeln, aber keines davon reizte mich so sehr, dass ich sie brechen wollte. Ohne Alkohol im Blut wirkte er schnell engstirnig, festgefahren und langweilig. Keine Sekunde hatte ich an seine Worte gedacht, da sie an jedes Mädchen gegangen wären und da nur ich da war, hatte er sie eben zu mir gesagt.
Ich verstand, wieso er mich küssen wollte, immerhin hatten wir kurz zuvor einen Porno gesehen und die Jungs sogar ein paar mehr. Die Situation war geboren und wir hatten uns hinreißen lassen, mehr war das bestimmt nicht.
Vielleicht, aber nur vielleicht, war er auch nur wegen Victor besorgt, denn wenn wir uns ehrlich waren und weit ausholen würden, dann wäre ich beinahe so etwas wie seine Schwester.
Marc war mein bester Freund und auch unsere Eltern waren sehr gut befreundet. Wir waren sogar schon ein paar Mal zusammen im Urlaub gewesen und das weckte vielleicht den Beschützerinstinkt, wenn er den überhaupt besaß.