Kapitel 11

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Zunächst drang nur leises Hufgeklapper von schweren Pferden an Ava's Ohr, was ihren Schlaf nicht sonderlich beeinflusste und ihre Ruhe nicht durcheinanderbrachte. Sie konnte es sich noch nicht recht erklären, jedoch trieb Arthur seinen Unsinn in ihren Träumen und brachte sie um den Verstand. Ava wusste nicht wie sie über diesen Mann denken sollte, wie sie ihre Gefühle deuten sollte und ob sie überhaupt über eine Zukunft grübeln durfte, da sie eigentlich ausschließlich am Lügen und Betrügen war.

Ein lautes Krachen riss Ava urplötzlich aus dem Schlaf und lies sie hochschnellen. Kerzengerade saß sie aufgeschreckt in ihrem Bett und lauschte. Lauschte den schmerzerfüllten Schreien von Erwachsenen und Kindern, dem Zerbrechen und zerbärsten von Holz und vor allem den Schritten und dem Scheppern in ihrem neuen Haus.

Befehlende Männerstimmen mischten sich rau unter das Schrecken, unter die grauenvollen Geräusche und löste Ava aus ihrer Schockstarre. Flink sprang sie aus dem Bett und hastete noch in ihrem weißen Nachthemd hinunter in das kleine Wohnzimmer. Mit weit aufgerissenen Augen erblickte sie zwei uniformierte Männer, welche sich an ihrer Inneneinrichtung zu schaffen machten.

Sie alle trugen eine schwarze Uniform, schwarze Stiefel, eine schwarze Pickelhaube und hielten ihren ebenfalls schwarzen Schlagstock fest in der Hand. Mit gezielten Hieben zertrümmerten sie sämtliches Holz und Glas in Avas Haus, wühlten mit der freien Hand in ihren Schubladen und warfen Tassen und Teller achtlos auf den Boden, wo sie in etliche Scherben zersprangen.

Ihre Gedanken liefen auf hochtouren, da sie ähnliche Männer mit solch einer Uniform schon einmal gesehen hatte. Ava hatte sie damals beobachtete, wie sie sich durch die Warteschlange des Kinos drängelten und ungehalten in den großen Saal stürmten, worauf sie dann am selben Abend Arthur verwundet in einer Gasse vorgefunden hatte.

Ava wurde abrupt aus ihren Gedanken gerissen, als einer der beiden Uniformierten auf sie aufmerksam wurde, mit seiner von einem schwarzen Handschuh umhüllten Hand auf sie deutete und lauthals bei seinem Kollegen Alarm schlug, wobei sich Tröpfchen von Spucke in seinem roten Schnurrbart sammelten.

Der schlanke Mann, welcher sie zuerst bemerkt hatte, kam sofort mit energischen Schritten auf Ava zu und packte sie grob am linken Arm. Seine Begleitung eilte ihm sofort zur Hilfe und umgriff mit seiner großen starken Hand Ava's rechten Oberarm.

Gemeinsam schleiften sie Ava aus ihrem Haus; sie wand sich unter deren Griff, zappelte und versuchte die Männer zu treten, doch alles war zwecklos und als sie auf der kalten Straße angekommen waren, offenbarte sich Ava das Grauen, was Ava schon seit ihrem Erwachen in den Ohren klingelte.

Sämtliche Männer, Frauen und sogar Kinder wurden rüde auf die Straße gezerrt, die Erwachsenen getreten und blutig geschlagen und die Kinder mit drohenden Totschlägern vertrieben. Heulend saßen sie auf dem Boden oder rannten weg, wenn sie schon alt und groß genug waren.

Mit Schrecken in den Augen beobachtete Ava das Geschehen und bekam schon nicht mehr richtig mit, wie sie brutal gepackt und gegen eine Wand geschleudert wurde. Die Luft wurde aus ihrer Lunge gepresst, ihr Brustkorb schmerzte und ihre Stirn schlug an der Backsteinmauer des Hauses auf, als sich einer der Männer mit vollem Gewicht gegen sie lehnte und Ava zwischen seinem Körper und der Steinmauer einklemmte.

Das Blut rauschte ihr in den Ohren, sie roch das metallene Blut und wäre mit ihren Gedanken beinahe zurück nach Frankreich an die Front gereist, wenn nicht plötzlich jemand seine Stimme erhoben hätte. Alle verstummten, sahen ihn erwartungsvoll an und auch Ava versuchte ein Blick auf den Mann zu erhaschen, der dort scheinbar das Sagen hatte.

»Die Peaky Blinders haben euch, wie all den anderen, Schutz versprochen. Nicht wahr?«, begann der füllige Mann seinen Monolog, wobei sein speckiger Hals und die fülligen Wangen unkontrolliert wackelten. Er war in einen noblen schwarzen Anzug gekleidet, trug einen ebenfalls schwarzen Hut, hatte seinen grauen Schnurrbart passend zu seinem adretten Kleidungsstil stutzen lassen und legte seine Hände auf dem ledernen Sattle seines vollblütigen Rappen ab.

Der Auftrag - Peaky BlindersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt