»Wer sucht hier die Peaky Blinders?!«, rief er lauthals, um seine Machtposition zu verdeutlichen und dem Fremden Angst einzujagen. Arthur spürte, dass zum Teil der Alkohol aus ihm sprach, dennoch wollte er es sich nicht nehmen lassen, seine Position und die des Fremden klarzustellen.
Sofort verstummten die angeregten Gespräche und das amüsierte Gelächter der betrunkenen Männer und alle Blicke waren auf Arthur gerichtet. Ehrfürchtig sahen sie ihn an und folgten gespannt darauf, was als Nächstes passieren würde seinem Blick.
Schnell fand er den angeblichen jungen Mann, musterte seinen schwarzen Hut und sein Gesicht andächtig und erkannte sofort, dass es sich um eine Frau handelte. Ihre zarten schmalen Finger umschlossen sanft das Whiskyglas und mit behutsamen, kaum merklichen Bewegungen schwenkte sie die braune Flüssigkeit darin, von einer Seite zur anderen. Den großen schwarzen Filzhut hatte sie tief ins Gesicht gezogen, dennoch erblickte Arthur ihre zierlichen Gesichtszüge.
Überraschenderweise suchte ihr Blick den seinen und ihre dunkelgrünen Augen hielten mit ihrem leicht blauen Schimmer die seinen gefangen. Keiner hier außer ihm hatte erkannt, dass eine Frau unter ihnen in dem Pub verweilte und Alkohol zu sich nahm, was er sich aber auch nicht anmerken lassen wollte.
Mit kaltem, starrem Blick beobachtete er die junge Frau, welche höchstens Ende zwanzig, Anfang dreißig sein konnte und sich sichtlich sicher mit ihrer Verkleidung fühlte. Auch sie schien ihn offensichtlich aufmerksam in Augenschein zu nehmen und so musste es für alle Außenstehenden, welche das Spektakel interessiert beobachteten, wie ein eisiger Starrwettbewerb aussehen.
Arthur wusste nicht wie viele Sekunden oder Minuten schon vergangen waren, als sie plötzlich ihr Glas mit einem Zug austrank, sich nicht anmerken ließ, dass gerade dieser großer Schluck Whisky unangenehm in ihrem Hals brennen musste, das Glas leise zurück auf den Tisch stellte und flink zur Hintertür des Pubs stürmte.
»Scheiße!«, fluchte Arthur mit rauer Stimme, als er realisierte, dass die junge Frau, welche gerade eben noch in der hintersten Ecke in seinem Stammpub gesessen und Whisky getrunken hatte, aufgesprungen und zur Hintertür geflüchtet war.
Blitzschnell verschwand der Nebel aus seinem Kopf und er konnte wieder, jedenfalls so gut es der Alkohol intus zuließ, klar denken, warf seine noch qualmende Zigarre in den Aschenbecher auf dem Tresen der Bar und rannte der Flüchtigen hinterher. Einen Vorteil hatte her, um den Vorsprung wieder einzuholen, denn Arthur kannte sich hier aus und die fremde junge Frau sehr wahrscheinlich nicht.
Als er mit großen Schritten an der Hintertür angekommen war, sah er nur noch wie der lange schwarze Mantel der Unbekannten, um die nächste Ecke einer Hauswand wehte. Es handelte sich dabei um eine kleine Seitengasse, die Arthur nur all zu gut kannte und somit wusste, wo sie endete. Sie mündete nicht weit von hier auf eine große, aber wenig befahrene Straße, welche über einen anderen Weg schneller zu erreichen war. Ohne weiter darüber nachzudenken, rannte Arthur die Abkürzung entlang, versteckte sich hinter einer Hauswand und hörte auch schon bald die hastigen Schritte der jungen Dame, wie sie die matschige Straße überquerte.
Noch kurz wartete er ab, bis er schließlich die Silhouette der Frau ausmachte, rasch seinen Arm aus der Gasse schnellen ließ und sie am Arm packte. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie zu sich in die breitere Straße, wobei er wohl ein wenig zu fest gezogen hatte und sie unsanft gegen seine harte Brust stieß.
Verblüfft stöhnte sie auf und sah Arthur mit großen, überraschten Augen an. Während er sie durch die Luft gewirbelt hatte, musste ihr Filzhut weggeweht worden sein, da nun ihre langen, schwarzen, leicht lockigen Haare elegant auf ihre Schultern fielen und einige Strähnen zerzaust in ihrem Gesicht gelandet waren.
Eilig wischte sie sich mit ihrer freien Hand die Haare aus dem Gesicht, wobei Arthur bemerkte, wie sich ihr Brustkorb hektisch hob und senkte und sie sich unter seinem Griff wand, versuchte ihr Handgelenk zu befreien. »Lass mich los!«, befahl sie verärgert und blickte Arthur wütend in die Augen. Sein Blick streifte jedoch langsam über ihr Gesicht, über ihre leichte Stupsnase und ihr schmales Kinn, bis er ihr wieder in die grün-blauen Augen sah, welche im Licht ihre Farbe zu verändern schienen.
»Warum bist du, als Mann verkleidet, im Revier der Peaky Blinders unterwegs?«, entgegnete Arthur ernst, ohne auf ihre Forderung einzugehen. »Das geht dich gar nichts an!«, zischte Ava aufgebracht und versuchte sich weiterhin aus seinem Griff zu befreien, welchen Arthur aber nur noch verstärkte. »Mich, Arthur Shelby geht das sehr wohl etwas an!«, erwiderte der einschüchternde Mann vor ihr trocken, aber sie konnte dennoch den leichten unterdrückten Zorn in seiner Stimme ausmachen.
Trotzig presste Ava die Lippen aufeinander und musterte Arthur Shelby, wie er sich gerade zu erkennen gegeben hatte, aufmerksam. Jetzt, wo er ihr so nah war, konnte sie die leichten Lachfalten unter seinen Augen und die kleine Narbe unter seinem linken Auge ausmachen.
Als sie weiterhin nicht antworte, machte er sich noch breiter und größer vor ihr und schien tatsächlich zu glauben, sie bekäme Angst vor ihm. Natürlich vernahm sie seine einnehmende Präsenz, aber davon würde sie sich nicht beirren lassen. Eher beeindruckt, als beängstigt, ließ sie ihren Blick über seinen muskulösen Oberkörper streifen, wobei ihr Blick an seinen auch durch das Hemd klar zu erkennenden Oberarmmuskeln hängen blieb. Dies und sein breiter Rücken bestätigten Ava's Informationen, dass Arthur Shelby, der älteste der Familie, leidenschaftlich im Ring stand und boxte.
»Antworte!«, brüllte Arthur ein wenig zu laut, da sich die umliegenden Passanten begannen neugierig umzudrehen. Überrascht zuckte Ava kurz zusammen, aber nicht weil sie von Arthur's aufbrausendem Temperament erschüttert war, sondern, weil sie mittlerweile von jedem lauter werdenden, einschüchternden Mann an Eric erinnert wurde; an das was er getan hatte; wie er sie behandelt hatte. Besser gesagt noch tut, solange sie nicht, wie jetzt außer Reichweite ist und jede Sekunde ohne seine Nähe genießt. Ava hat zwar Angst, dass Eric hier in Birmingham, in ihrer Wohnung, auftauchen könnte, doch vermittelt ihr die Entfernung schon mal ein wenig Sicherheit und somit Hoffnung.
Ava schürzte ihre Lippen. »Warum nicht?«, fragte sie schließlich und zog herausfordernd eine ihrer dunklen, geschwungenen Augenbraue in die Höhe. Dieser Mann wusste schon von Anfang an, dass sie eine Frau war, das sah sie in seinen Augen, doch jetzt hatte er sie auch schon komplett gesehen. Ihr blöder Hut hatte sich schließlich dazu entschieden wegzufliegen und sie zu verraten.
Verächtlich schnaubte ihr Gegenüber auf, wobei Ava sichtlich erkennen konnte, wie sich der Mann zügeln musste, um seine Wut nicht vollkommen zu zeigen. Vermutlich hatte ihm noch nicht oft eine Frau widersprochen. Vermutlich wollte er aber auch noch nie etwas von einer Frau wissen, die sich nicht von ihm einschüchtern ließ und freiwillig alles erzählte.
»Wer bist du?«, fragte Arthur nach kurzer Pause ernst und presste dabei jedes Wort scharf zwischen seinen Zähnen hindurch. »Du tust mir weh!«, beklagte sich Ava daraufhin, da Arthur bei jeder Betonung der einzelnen Wörter, seine Hand noch fester um ihr Handgelenk schloss.
Nachdenklich sah er auf ihr Handgelenk, welches schwach in seiner Hand lag und bemerkte zu seinem Erschrecken, wie sich ihre Finger schon lila-bläulich färbten. Sofort lockerte er seinen Griff und war abermals erschrocken über sich selbst. Er wollte nicht so fest zupacken, geschweige denn der Frau wehtun, doch oftmals unterschätzte er seine Kraft und konnte sie nicht richtig kontrollieren.
Arthur hätte es ahnen müssen, denn sobald er seinen Griff um die Hand der Frau, von welcher er noch immer nicht den Namen wusste, lockerte, entzog sie ihm diese ruckartig, drehte sich rasch um und rannte los. Er reagierte diesmal schneller und lief ihr sofort hinterher, doch nach einigen Schritten befanden sie sich auf der dicht belebten Hauptstraße und sie verschwand mit wehendem Mantel hinter ein paar Autos und Kutschen.
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Der Auftrag - Peaky Blinders
FanfictionGezwungenermaßen muss Ava nach Birmingham ziehen und gegen ihren Willen einen Auftrag ausführen. Noch immer ist sie in ihrer Vergangenheit gefangen und wird von ihr regiert. Wie es dazu kommen muss, gerät sie an die Peaky Blinders oder sind diese s...