Kapitel 12

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»Ava?«, fragte Ada verwundert in den kleinen Flur hinein, da sich Ava nach ihrem Bad still an ihr vorbeigeschlichen hatte und gerade aus der Haustür treten wollte. »Ich muss zurück...den anderen helfen«, erklärte sich Ava, wobei sie die Schwester der Shelbys flehend ansah. Sie wusste, dass Ada extra für sie einen Tee aufgesetzt hatte und war ihr auch unendlich dankbar von ihr Sachen zum Anziehen geliehen bekommen zu haben, doch sie war bei dieser schrecklichen Razzia dabei gewesen, wusste wie die Leute sich fühlten und wollte ihnen helfen. Sie wollte ihr Wissen und ihre Fähigkeiten nutzen und etwas Gutes tun.

»John ist gerade raus. Du erwischst ihn bestimmt noch«, erwiderte Ada gutmütig und schenkte ihr ein sanftes Lächeln. Sie konnte Ada's Beweggründe gut nachvollziehen und war froh jemanden um sich zu haben, der nicht Tod und Verderben mit sich brachte. Wohlmöglich konnte sie sich Ava, als eine gute Freundin vorstellen, welche der Familie guttun würde. Vor allem, wenn Arthur sie von sich überzeugen könnte. Denn wenn Ava in der Nähe war oder über sie geredet wurde, legte Arthur ein Verhalten an den Tag, was Ada noch nie bei ihm erlebt hatte.

»Zieh bitte meinen Mantel an. Wenn du krank wirst, bekomme ich von Arthur bestimmt Ärger«, fügte Ada noch keck hinzu, verschwand schnell wieder in der Küche und ließ Ava mit roten Wangen beschämt im Flur zurück. Ada's beiläufige Andeutung im Hinterkopf zog sie ihren Mantel über und hastete nach draußen, wo John tatsächlich gerade den Motor des edlen Wagens startete.

»Warte!«, rief sie ihm über das laute Brummen hinweg zu und zog den Mantel enger um sich, als ihr die kalte Mittagsluft entgegenwehte. Überrascht blickte ihr John entgegen und schien sichtlich zu hadern, doch winkte Ava schließlich zu und deutete auf den Platz neben sich. Mit einem dankbaren Lächeln kletterte sie auf die Beifahrerseite und machte es sich auf dem kühlen Ledersitz bequem.

Dieses Mal konnte Ava die Autofahrt ein wenig mehr genießen, da sie sich darauf freute den Menschen zu helfen und ihnen zu zeigen, dass sie sich auf sie verlassen konnten. Sie hatte noch nie richtig erlebt, wie es in einer Nachbarschaft zuging, doch da sie definitiv vor hatte länger in Birmingham zu bleiben, wollte sie es einmal versuchen. Sie wollte einfach mal, wie ein normaler Bürger in der Stadt Englands leben.

Aufmerksam sah sie dabei zu, wie John das Gefährt lenkte und seinen konzentrierten Blick auf die Straße geheftet hatte. »Kannst du mir das Fahren mal beibringen?«, wollte Ava plötzlich wissen und merkte sofort, dass sie John damit überrascht hatte, da sein Kopf zu ihr schnellte und er sie verblüfft ansah.

Kurz darauf stahl sich jedoch ein Grinsen auf sein Gesicht und er blickte wieder auf die Straße: »Das kann ich tun, Ava.« Mit einem zufriedenen Lächeln lehnte sie sich zurück in den Sitz und war erleichtert, dass er schon darüber aufgeklärt worden war, wer sie war. Nach den Geschehnissen des Tages hätte sie es, als unangenehm empfunden sich auf solch eine flüchtige Weise vorzustellen, weshalb sie demjenigen dankbar war, der es schon übernommen hatte.

Die rustikalen Bauten und die arbeitenden Menschen flogen an Ava's Augen vorbei, bis sie und John die Watery Lane erreichten. Ava warf John einen flüchtigen Blick zu, aber sprang sofort aus dem Wagen, als sie die noch immer verletzten Menschen entdeckte. Thomas und Arthur hatten den Bewohnern der Watery Lane schon angefangen zu helfen, ihr Hab und Gut wieder einzusammeln und ihre Türen wieder einzuhängen. Jedoch saßen noch immer verwundete Frauen und Männer auf der Straße, welche von Angehörigen oder Freunden mit den bestehenden Mitteln nur notdürftig versorgt wurden.

Ungehalten wirbelte Ava in ihre durchwühlte Wohnung, stolperte einige Male beinahe über umgeworfene Möbel, bis sie schließlich ihre lederne Arzneitasche fand, sie am goldenen Griff packte und mit ihr gehetzt auf die Straße rannte.

Der metallene Griff lag kalt in ihrer Hand, die Steine knirschten erwartungsvoll unter ihren Schuhen und das schwere Atmen eines jungen Mannes drang zuerst an ihre Ohren. Mit ausgestreckten Beinen saß er an der blanken Steinmauer, war im Gesicht blutig verschmiert und hielt sich die Hand an die Rippen gepresst.

Der Auftrag - Peaky BlindersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt