13 - Erste Berührung

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Heute steht ein Test an, den wir mit Frau Hartmann schreiben werden. Ich und meine Klassenkameraden haben schon unsere Tische auseinander gezogen, damit wir nicht voneinander abgucken können. Jetzt sitze ich natürlich auch getrennt von Liz und habe zwei Meter neben und vor mir niemanden sitzen. Das ganze löst schon irgendwie eine gewisse Einsamkeit in mir aus, ich glaube, ich komme einfach nicht mehr so gut damit klar, wenn ich mit meinen Gedanken ganz alleine bin. Frau Hartmann ist gerade schon dabei, die Tests auszuteilen. Je näher sie mir dabei kommt, desto angespannter werde ich. Ich versuche, meine Luft anzuhalten, um irgendwie meine Gefühle unterdrücken zu können. Dass das nicht funktioniert, hätte ich mir natürlich gleich denken können. Denn jetzt ist Frau Hartmann bei mir angekommen und ich bin total aus der Puste. Viel unangenehmer könnte es also gar nicht mehr werden. Meine Lehrerin legt den Test auf meinen Tisch und sieht dabei auffällig lange zu meiner angespannten Hand, die ebenfalls auf dem Tisch liegt. Das Blatt ist nun vor mir und plötzlich bemerke ich eine Berührung. Frau Hartmanns Hand streift auffällig lange und mit ziemlich intensivem Druck an meinem Arm und meinem Handrücken vorbei. Mein Körper wird durchflutet von Blitzen und einem riesigen Kribbeln, gepaart mit einer unvergleichlichen Gänsehaut. Ich schaue Frau Hartmann daraufhin etwas verwundert in die Augen und bemerke, dass meine Hand den Drang verspürt, sich zu verstecken. Doch gleichzeitig fühlt sie sich wie versteinert an, so als würde sie sich danach sehnen, diese Hand noch mal zu spüren. Meine Lehrerin schaut mich kurz an, ihr Gesichtsausdruck wirkt etwas unsicher und schüchtern. So kenne ich sie eigentlich gar nicht, denn sie hat sich von Anfang an eigentlich einen recht strengen Ruf hier an der Schule aufgebaut. Natürlich ist sie total nett und liebevoll, doch diese gewisse Härte, die sie in ihrem Unterricht so auszeichnet, wenn es darauf ankommt, kann ich gerade absolut nicht sehen. Schon in unserem letzten Gespräch ist mir aufgefallen, dass sie eine viel weichere Seite hat. Dass sie diese nicht zeigt, während sie unterrichtet, ist ja irgendwie klar. Mittlerweile steht sie wieder vorne am Pult und lässt uns zwei, drei Minuten auf den Test schauen, um dann noch mal Fragen stellen zu können. Und dann geht es auch schon los. Ich versuche, die Fragen zu lesen und zu beantworten. Doch bereits nach wenig gelesenen Worten merke ich, dass ich mich überhaupt nicht darauf konzentrieren kann. Mein Kopf liäegt automatisch immer wieder Denkpausen ein und sorgt dafür dass ich keinen Satz zu Ende lesen kann. Die Minuten vergehen gefühlt extrem schnell, in mir breitet sich Panik aus, denn ich bin eigentlich sehr gut darauf vorbereitet, diesen Test zu schreiben. Und jetzt sitze ich hier, als hätte ich keine Minute mit Lernen verbracht. Meine Augen schielen immer wieder nach vorne zu meiner Lehrerin, die durch die Klasse schaut und kontrolliert, dass niemand schummelt. In meinem Körper spüre ich den Drang nach dem erneuten Fühlen dieser Gefühlsexplosion von eben. Es klingt verrückt, denn eigentlich tun mir diese intensiven Gefühle viel mehr weh als gut. Doch irgendwie fühlen sie sich an wie eine Droge, als wäre ich ohne sie ein Nichts. Als wäre da eine tiefe Leere in mir, die sich nur durch diese Gefühle stopfen lässt.

...

Wochen vergehen und ich fühle mich eher abseits des Geschehens. Meine Konzentration lässt immer schneller nach - dabei spielt es gar keine Rolle mehr, ob ich in der Schule bin oder zuhause. Liz hatte ihr Kennenlerngespräch bei einer Therapeutin, das wohl sehr gut lief. Zumindest sie schaut deshalb positiver in die Zukunft. Tatsächlich hat sie mir auch ans Herz gelegt, mir mal Gedanken um eine Therapie zu machen. Ich hadere aber sehr damit, weil ich mich immer mehr schäme, so für meine Lehrerin zu fühlen. Ich habe mich viel belesen, was mir blühen würde, wenn ich privaten Kontakt zu meiner Lehrerin aufnehmen würde - erstmal wäre das nicht dramatisch. Aber mit meinen Gefühlen im Hintergrund würden wir vermutlich schnell in eine Grauzone rutschen - einfach weil ich es kaum noch aushalte, so zu tun, als wäre nichts. Ich drücke mich davor, es auszusprechen, aber ich liebe sie wirklich. Sie hat soviel im Unterricht über sich preisgegeben die letzten Wochen, dass ich ein gutes Bild davon habe, was für ein Mensch sie ist. Dass ich sie dadurch noch toller finde, ist natürlich eher unvorteilhaft. Und auch wenn es schon länger her ist, denke ich immer noch daran, dass sie sich aktuell scheiden lässt. Ich hinterfrage, wie schwer und schmerzhaft sich das wohl anfühlen mag. Es gab Tage, an denen wirkte sie tatsächlich traurig und überraschenderweise verletzlich. Es waren Tage, an denen sie die üblich anstrengenden Mitschüler nicht so sehr unter Kontrolle hatte - diese hat sie dann öfter als sonst raus geschickt. In diesen Momenten schien sie so müde zu sein, dass sie sich die Diskussion und das Ermahnen einfach nicht mehr leisten kann, weil sonst der Akku gänzlich leer geworden wäre.

Und mit jeder weiteren, vergehenden Woche befinde ich mich weiter abseits des Geschehens. Die Einsamkeit nagt an mir, obwohl Liz oft bei mir ist und zuhört. Die Gedanken an Frau Hartmann sind penetrant und verhindern, dass ich mich auf irgendetwas anderes konzentrieren kann. Die Schule, die einst so wichtig für mich war, verblasst zu einem abstrakten Hintergrundrauschen.

Ich weiß, dass ich nicht ewig in diesem emotionalen Gefängnis gefangen bleiben kann. Die Gespräche mit Liz, die sich selbst auf den Weg der Heilung gemacht hat, spornen mich an, auch meine Gefühle unter Kontrolle zu kriegen. Doch der Drang, erneut mit Frau Hartmann darüber zu sprechen, wird immer stärker. Vielleicht würde dieser Schritt meine einzige Chance sein, einen Weg aus diesem emotionalen Dilemma zu finden. Trotz der Scham und der Unsicherheit, die mich begleiten, weiß ich, dass nur Frau Hartmann mir helfen kann. Sie hat doch die selben Erfahrungen gemacht, wie ich. Müsste sie mich dann nicht besonders gut verstehen können? Und warum berührte sie mich dann so, wenn sie doch weiß, was solche Dinge in einer verliebten Schülerin auslösen? Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Nichts fühlt sich gut und nichts fühlt sich mehr richtig an...

That's not the love I had in mind. (TxS) (GxG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt